Stehen die Ölpreise nach den extremen Kursausschlägen der letzten Tage vor einer tieferen Korrektur?
OPEC-Streit trübt die Stimmung
Die Ölpreise stürzten zur Wochenmitte ab und erholten sich dann am Donnerstag und verringerten ihre Wochenverluste. Der Preis für das schwarze Gold legte zunächst zu und brach dann aber ein, nachdem das Ausbleiben einer Einigung der OPEC+ über die Fördermenge die Sorge aufkommen ließ, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihre eigenen Interessen verfolgen könnten.
Der Ölmarkt stand im Bann der Befürchtung, dass die Vereinigten Arabischen Emirate so viel Erdöl wie möglich zu diesen erhöhten Preisen absetzen wollen, was möglicherweise auch andere Mitglieder ausnutzen müssen, um keine Verluste zu erleiden. Hinzu kamen Bedenken hinsichtlich der Nachfrage aufgrund der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus, die zu Lockdowns führte, unter anderem in Tokio. Zusätzlich dazu tätigten die Ölfirmen zweifellos viele Absicherungsgeschäfte, um sich für den Fall, dass die Preise zu einem späteren Zeitpunkt einbrechen, auf diesem hohen Niveau abzusichern.
Aber die Ölpreise erholten sich am Donnerstag dank der Anzeichen für eine steigende Nachfrage in den USA. Hier fielen die Rohöllagerbestände in der vergangenen Woche um 6,9 Millionen Barrel und lagen damit deutlich über der Erwartung eines Rückgangs um 4 Millionen Barrel. Noch beeindruckender war der Abbau der Benzinbestände um 6,1 Millionen. Ölmarktbeobachter hatten mit einer Abnahme um nur 2,2 Millionen Barrel gerechnet.
Das ist jetzt die entscheidende Frage
Natürlich hängt viel von der OPEC ab, aber da es keine Anzeichen für ein neu angesetztes Treffen gibt, fördert die Ungewissheit nicht gerade die Stimmung, selbst wenn dies bedeutet, dass das Ölkartell das Angebot im Rahmen des aktuellen Abkommens langsamer erhöht. Sollten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Differenzen beilegen, kommt so oder so mehr Rohöl auf den Markt. Gleichzeitig ist der Nachfrageschub, den wir gerade erleben, sicherlich größtenteils, wenn nicht sogar vollständig, eingepreist. Alles in allem sind die Risiken von hier aus eher abwärts gerichtet - vor allem, nachdem die Ölpreise in dieser Woche erste technische Anzeichen einer bärischen Umkehr gezeigt haben.
Beide Rohöl-Kontrakte machten am Donnerstag einen Teil ihrer Verluste wieder wett und notierten zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels am Freitag leicht im Plus. Brent bildete am Donnerstag eine Hammer-Kerze auf dem Tageschart aus, nachdem die Nordseesorte von einer aufwärtsgerichteten Trendlinie abgeprallt war. Doch könnte sich dies als Fehlsignal entpuppen, schließlich vollzogen die Ölpreise zur Wochenmitte eine scharfe Kehrtwende.
Kurzfristig gilt es die schnellen Timeframes genau im Auge zu behalten, denn die gebrochene Unterstützung im Bereich um 74,40 Dollar bis 75,00 Dollar könnte sich als Widerstand herausstellen. Falls die Ölpreise sich nicht über der bullischen Kerze vom Donnerstag halten können, dann ist das ein gutes Indiz dafür, dass sie stattdessen nach unten gehen wollen.
Achten Sie also auf die Preisentwicklung in den niedrigeren Zeiteinheiten, wenn Sie am Freitag mit dem Gedanken spielen, den Ölpreis zu shorten. Sobald sich jedoch eine gewisse Akzeptanz oberhalb der Hammer-Kerze vom Donnerstag abzeichnet, gilt es diese Tatsache zu respektieren und die weitere Preisentwicklung abzuwarten, bevor Sie möglicherweise auf der Short-Seite einsteigen.
Auf der anderen Seite sollten Sie, wenn Sie bullisch eingestellt sind und mit dem Gedanken spielen, Long-Positionen bei Rohöl aufzubauen, angesichts der Geschehnisse in dieser Woche sicherlich weitere bullische Kursbewegungen abwarten - möglicherweise wäre es gar keine schlechte Idee, auf eine potenziell tiefere Korrektur zu warten.
Das längerfristige Chartbild für Brent-Öl macht deutlich, dass sich die Preise an einem wichtigen technischen Punkt befinden:
Der Monatschart ist auf lange Sicht enorm wichtig, da er die täglichen oder wöchentlichen Schwankungen kaschiert und somit gute Informationen über den Makrotrend liefert. Vor diesem Hintergrund hat Brent-Öl in dieser Woche seinen zentralen Abwärtstrend getestet, der seit 2008 besteht, und ist zurückgefallen, nachdem er den Monat positiv begonnen hatte. Natürlich ist es bis zum Monatsende noch ein weiter Weg und es könnte sich noch viel ändern. Folgendes gilt es daher zu beachten:
- Ein negativer Monatsschlusskurs, insbesondere unterhalb des Vorkrisenniveaus bei 71,75 Dollar, würde ein sehr bärisches Bild entstehen lassen, denn dies würde auf einen gescheiterten Ausbruchsversuch hindeuten. Dies wiederum könnte in den kommenden Monaten zu weiteren technischen Verkäufen führen, die den Ölpreis auf 60 Dollar oder sogar deutlich darunter drücken.
- Ein Monatsschlusskurs oberhalb der Abwärtstrendlinie wäre dagegen technisch gesehen bullisch, da er auf einen Breakout auf der Oberseite hinweisen würde. In diesem Fall könnte Brent-Öl deutlich über 80 Dollar steigen und in den Folgemonaten möglicherweise 90 Dollar oder sogar noch höhere Preise erklimmen.
Je nach Zeitrahmen und Anlage- bzw. Trading-Stil haben wir also ein paar verschiedene Szenarien durchgespielt. Insgesamt sehe ich ein erhöhtes Risiko, dass die Ölpreise trotz der bullischen Trendwende am Donnerstag auf eine tiefere Korrektur zusteuern.