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Chile: Bevölkerung will neue Verfassung (so) nicht

Veröffentlicht am 06.09.2022, 08:13
AAL
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Es ist eine wegweisende Entscheidung und ein herber Rückschlag für den Präsidenten Gabriel Boric. 62 % der chilenischen Wähler haben den Verfassungsentwurf abgelehnt, nur 38 % votierten dafür. Auch für den Bergbau in dem rohstoffreichen Land hat die Entscheidung Konsequenzen – bestimmte Unsicherheiten bleiben für die Branche aber bestehen.

Die Ablehnung war deutlicher als erwartet. Bei einer Wahlbeteiligung von gut 60 % lehnten 62 % der Wähler die vorgeschlagene Verfassung ab. Zuvor war ein relativ knappes Rennen erwartet worden. Im Jahr 2020 hatte sich Chile für die Erarbeitung einer neuen Verfassung ausgesprochen und im Nachhinein eine verfassungsgebende Versammlung gewählt.

Zweifel an Qualität des Entwurfs

Viele Wähler hatten offenbar Zweifel an dem Text der Verfassung. Diese sollte etwa indigenen Bevölkerungsgruppen weitreichende Autonomierechte zugestehen. Kritiker sahen darin die Abschaffung der Gleichheit vor dem Gesetz. Der Entwurf sah etwa vor, Indigenen eigene Justizsysteme zu gestatten.

Viele Kritiker meinen, dass der Einfluss der politischen Linken auf die Ausarbeitung des Entwurfs zu groß gewesen sei. Das Wall Street Journal etwa zitiert den Wirtschaftswissenschaftler Bernardo Fontaine, der selbst Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung war – und gegen den Entwurf gestimmt hat.

„Leider hat die Verfassung das Land nicht geeint und einen Text vorgelegt, dem es an gesundem Menschenverstand mangelt“. Fortan müssten „alle politischen Kräfte zusammenarbeiten, um sich auf eine neue Verfassung zu einigen, die ein Haus für alle macht, nicht nur ein Haus für die Linken.“

Alte Verfassung als Pinochet-Erbe, aber auch Wohlstandsturbo

Die nun weiter als solche bestehende Verfassung war 1980 unter dem Diktator Augusto Pinochet ausgearbeitet und wird nicht zuletzt deshalb von einem großen Teil der Bevölkerung abgelehnt worden. Allerdings hatte es zwischenzeitlich eine Reihe von Verfassungsänderungen gegeben.

Die Verfassung gilt vielen auch als Grundlage für den chilenischen Aufstieg der letzten Jahrzehnte. Sie gilt als wirtschaftsliberal und unternehmerfreundlich. So wird die Rolle des Staates in der Wirtschaft eingeschränkt.

An den Auswirkungen entzündete sich vielfach Kritik – etwa an der Privatisierung der Wasserwirtschaft und des Renten- und Gesundheitssystems. Aber: 1990 lebten noch mehr als 40 % der Chilenen in Armut – heute sind es weniger als 8 %. Chile ist das einzige OECD-Mitgliedsland in Südamerika.

Was bedeutet die Ablehnung für den Bergbau?

Auch für den Bergbau ist die Entscheidung von größter Bedeutung. Der Verfassungsentwurf hätte die in der aktuellen Verfassung gewährleistete Stabilität der Bergbauunternehmen schrittweise abgeschafft. Die Entwicklungen in dem Land sind von globaler Bedeutung: Chile ist der größte Kupferproduzent der Welt und verfügt über Vorkommen vieler anderer wichtiger Rohstoffe wie z.B. Lithium.

In den Artikeln 127 bis 132 hatte der Verfassungsentwurf etwa eine recht schwammige Verpflichtung des Staates für eine ökologisch verantwortliche Verwaltung vorgesehen. Kritiker sahen hier unklare Interpretations- und Anwendungsmöglichkeiten und befürchteten eine „Justizialisierung“ des Bergbausektors, weil  Projekte in großem Ausmaß rechtlich angefochten werden könnten. Unsicherheit war auch durch die vorgesehene Möglichkeit für Indigene befürchtet worden, eigene Gesetze zu erlassen.

Zunächst einmal bedeutet die Ablehnung des Entwurfs für die Branche also Entwarnung – zumal der bergbaukritische Präsident Gabriel Boric durch den Ausgang des Referendums nach Ansicht vieler Beobachter deutlich geschwächt wurde.

Neuer Anlauf in 1-2 Jahren

Allerdings ist mit einem erneuten Anlauf zu rechnen, über den in 1-2 Jahren entschieden werden könnte. Dann stellen sich viele Fragen für den Bergbau Chiles erneut. Die Diskussionen um den Zugang der Minenbetreiber zum knappen Trinkwasser, Entschädigungen für indigene Gruppen, Umweltschäden in Gletschergebieten etc. werden jedenfalls nicht verstummen.

Für viele Fragestellungen gibt es Lösungen – die allerdings mit höheren Kosten verbunden sind. Ein Beispiel dafür ist die Meerwasserentsalzung.

Die Kritik am Bergbau in Chile wächst – und hat längst zu einer restriktiveren Politik geführt. So wurde etwa die Genehmigung für die Pascua-Lama-Mine von Barrick Gold (WKN: 870450, ISIN: CA0679011084) im chilenisch-argentinischen Grenzgebiet verweigert.

Auch andere Unternehmen bangten schon vor dem Referendum um neue und bestehende Projekte. So liegt etwa die Mine Los Bronces von Anglo American (LON:AAL) (WKN: A0MUKL, ISIN: GB00B1XZS820) direkt an einem der Gletscher des Landes– für die ein besonderer Schutzstatus im Gespräch ist.

Der Bergbau ist allerdings nicht Chiles „heißestes“ Problem. Massenproteste der jüngeren Vergangenheit richteten sich vor allem gegen steigende Lebenshaltungskosten und die ausufernde Kriminalität – Probleme, für die der Verfassungsentwurf nach Ansicht vieler Wähler offenbar keine Lösungen bot.

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