Griechenland vergrault mit seinem ewigen Taktieren und Verhandeln offenbar immer mehr Verhandlungspartner. Am Donnerstag brach der DAX zeitweise heftig ein, weil Meldungen über die Nachrichtenticker liegen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) laufende Gespräche abgebrochen und seine Delegation aus Brüssel abberufen hat. In ungewöhnlich scharfen Tönen kritisierte IWF-Sprecher Gerry Rice anschließend den Mangel an Kompromissbereitschaft des kurz vor der Staatspleite stehenden Landes. Am Freitag war daher das Hauptthema, dass sich Berlin für eine Griechenland-Pleite wappnet.
Doch gehen wir für einen besseren Überblick der Ereignisse im griechischen Schuldendrama möglichst in aller Kürze chronologisch vor und betrachten wir die einzelnen Akte:
Griechenland hält sich längst nur noch mit Buchungstricks über Wasser
Zunächst teilte der IWF bereits am Donnerstag vergangener Woche in Washington mit, dass Griechenland seine fälligen Kreditraten im laufenden Monat komplett überweisen will. Der Währungsfonds bestätigte, er sei von Athen informiert worden, dass die vier Raten auf einen Schlag beglichen würden. Die Gesamtsumme von 1,6 Milliarden Euro sei nun „am 30. Juni fällig“, erklärte der IWF. Bislang war vorgesehen, das Geld in vier Tranchen zu überweisen; die erste in Höhe von mehr als 300 Millionen am vergangenen Freitag.
Schon in der Ausgabe des Geldanlage-Briefs vom 31. Mai hatten wir Sie über diesen möglichen Trick für einen Zahlungsaufschub informiert, den sich Athens Regierung nun zu Nutze gemacht hat. Damit haben wir schon das nächste Indiz dafür, dass Griechenland längst zahlungsunfähig ist. Denn zudem hatten wir schon in der Ausgabe vom 17. Mai berichtet, dass Griechenland immer tiefer in die Trickkiste greifen muss, um Rückzahlungen von Krediten zu leisten. Damals erfolgte eine solche Zahlung schon nach dem Motto „Linke Tasche, rechte Tasche“. Für die Rückzahlung eines Kredits an den IWF in Höhe von insgesamt rund 750 Mio. Euro griff man auf ein besonderes Konto zu – vom IWF. Der IWF hat sich also quasi selbst bezahlt.
Griechenland steht nun auf dem Niveau von Sambia
Im Vorfeld war daher bereits spekuliert worden, ob Griechenland den Schuldendienst vom 12. Juni leisten könne, der nun durch die Bündelung der Juni-Zahlungen aufgeschoben wurde. Möglich war dies aufgrund eines Beschlusses aus den siebziger Jahren, der Schuldnern diesen Schritt ermöglicht. Damals war es das Ziel gewesen, Verwaltungsprobleme auszuräumen, die entstehen können, wenn zahlreiche Überweisungen in einer kurzen Zeitspanne abgewickelt werden müssen. Griechenland ist nach Sambia Mitte der 80er Jahre erst das zweite Land, das von der Möglichkeit Gebrauch macht.
Diverse Gespräche ergebnislos beendet
Weitere Anläufe zur Entschärfung der griechischen Schuldenkrise sind in dieser Woche gescheitert. Ein rund zweistündiges Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande und dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras brachte keinen Durchbruch, genauso wie die Prüfung der jüngsten griechischen Vorschläge in Brüssel, die nicht lang dauerte, weil das Ergebnis ermittelt wurde: Mangelhaft. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete die von der griechischen Regierung vorgelegte neue Reformliste sogar als Rückschritt. Laut Juncker blieben die Reform- und Sparvorschläge hinter Vereinbarungen zurück, die er im persönlichen Gespräch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in der Woche zuvor getroffen hatte.
Dank des Kapitalmarktes ging Griechenland nicht schon Freitag Pleite
Ohne den Kapitalmarkt wäre Griechenland eigentlich bereits am Freitag offiziell pleite gewesen. Doch bei der Ausgabe von drei- und sechsmonatigen Geldmarktpapieren hat das Land erfolgreich den Kapitalmarkt angezapft und insgesamt 2,925 Milliarden Euro eingenommen, wie die griechische Schuldenagentur (PDMA) mitteilte. Athen musste sich dieses Geld leihen, weil es am Freitag 3,6 Milliarden Euro Schulden refinanzieren musste. Allerdings muss Griechenland im Juni insgesamt 5,2 Milliarden Euro für auslaufende Staatsanleihen aufbringen. Es ist allerdings möglich, dass das restliche Geld auch noch vom Kapitalmarkt kommt.
Nicht ohne die EZB
Möglich sind diese Emissionen von Geldmarktpapieren, weil Athen im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zusätzliche Wertpapiere versteigern darf. Darauf würde Athen gern öfter zurückgreifen, doch die Europäische Zentralbank (EZB) kontrolliert die Menge und sperrt sich gegen eine Ausweitung. Dafür genehmigt sie immer wieder die sogenannten ELA-Hilfen. Die EZB hat die Obergrenze für die Liquiditätshilfen der Athener Notenbank für die Institute des Landes um 2,3 Milliarden Euro auf inzwischen 83 Milliarden Euro aufgestockt.
Randnotiz: S&P senkt Rating für Griechenland
Dass die Rating-Agentur Standard&Poor's (S&P) ihre Bonitätseinschätzung für Griechenland wieder gesenkt hat, war fast nur eine Randnotiz. Dies wurde überschattet von der Meldung, dass der IWF die Gespräche abgebrochen und seine Delegation aus Brüssel abberufen hat. IWF-Sprecher Gerry Rice sprach am Donnerstag von „bedeutenden Differenzen“ zwischen dem IWF und der Regierung in Athen und gab an, dass der Fonds keinerlei Fortschritte sah. In ungewöhnlich scharfen Tönen kritisierte Rice den Mangel an Kompromissbereitschaft des kurz vor der Staatspleite stehenden Landes.
Dass sich Berlin für eine Griechenland-Pleite wappnet, ist wohl kein Vorgang der vergangenen Stunden. Es wäre schlimm, wenn dies in den vergangenen 5 Jahren nicht längst passiert wäre!
Ist der kommende Donnerstag die letzte Chance?
Nun gilt der kommende Donnerstag als letzte Chance, eine Einigung zu finden. Denn dann steht ein Treffen der Euro-Finanzminister an. Aber dieses Spielchen kennen wir ja schon - auf einen letzten Termin folgt ein allerletzter Termin folgt ein...
Über genaue Inhalte wird nichts bekannt
Was wir derweil ein wenig Schade finden ist die Tatsache, dass über Inhalte der Schuldengespräche bzw. der Reformlisten bislang kaum etwas bekannt wurde. So ist es sehr schwer jemandem den schwarzen Peter zuzuschieben. Wer will vor diesem Hintergrund schon beurteilen, ob Griechenland seine Pleite selbst verursacht oder die Blockadepolitik nicht vielmehr von den Euro-Partnern betrieben wird. Und so wird die Ursache eines möglichen Grexidents (oder Graccident – unfallartiges Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro) vielleicht nie bekannt. Ein Armutszeugnis für eine Demokratie!
Märkte könnten einen Schock erleiden
Für die Finanzmärkte stellt sich unabhängig davon nun die Frage, was zuerst kommt: eine Pleite Griechenlands oder eine Zinserhöhung in den USA. Beides kann spätestens am Mittwoch bereits passieren. Und beides könnte die Märkte in einen Schock versetzen, weil die Märkte diese Möglichkeiten noch nicht (ausreichend) eingepreist haben.
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 14.06.2015)