Die Wirtschaft der Eurozone wächst - nur langsamer

Veröffentlicht am 02.08.2018, 14:33

Gestern Abend tagte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Wie erwartet wurde beschlossen, den Leitzins diesmal nicht um 25 Basispunkte auf dann 1,75 - 2,00 % anzuheben (siehe auch Börse-Intern vom 14. Juni). Es gab lediglich eine kleine Änderung in ihrer Erklärung, indem sie die Wirtschaftslage nun „stark“ anstatt nur „solide“ einschätzt. Für das weitere Jahr ist mit zwei weiteren Zinsanhebungen voraussichtlich im September und Dezember zu rechnen, da die Fed „graduelle“ Zinsanhebungen anstrebt und so würde hier ein vierteljährlicher Rhythmus gut passen. Zumal zu diesen Terminen jeweils auch die neuen Fed-Projektionen vorliegen. Insgesamt handelt es sich bei der gestrigen Sitzung wie erwartet um ein Non-Event.

EZB handelt wie erwartet
Selbiges war auch schon bei der Europäischen Zentralbank in der vergangenen Handelswoche zu sehen. Auch diese nahm wie vom Markt erwartet keinerlei Änderungen an ihrem geldpolitischen Pfad vor. Denn bereits bei der vorangegangenen Sitzung hatte der Rat der EZB die Stellschrauben etwas verändert (siehe „EZB verlängert das QE-Programm und gibt einen Zinsausblick“). Auch dieses Non-Event ging am Ende fast spurlos an der Börse vorbei.

Der europäischen Wirtschaft geht Tempo verloren
Schließlich gibt es auch gute Gründe für die EZB die geldpolitische Unterstützung der Wirtschaft nicht allzu schnell zu verringern. Der Gesamtwirtschaft in der Eurozone scheint nämlich langsam die Puste auszugehen. So stieg laut der Schnellschätzung von Eurostat die Wirtschaftsleistung (BIP) im 2. Quartal 2018 nur um 0,3 % gegenüber dem Vorquartal. Ursprünglich hatte man mit einer Wachstumsrate von 0,4 % gerechnet. Damit wurde nicht nur die Markterwartung unterschritten, sondern auch die niedrigste Wachstumsrate seit dem 3. Quartal 2016 erzielt.

Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone

Dass sich das Wachstumstempo langsam verringert, kam aber nicht überraschend. Diese Tendenz deutete schon der Einkaufsmanagerindex von IHS Markit als Frühindikator für die gesamte Wirtschaft der Eurozone (Composite-Index) an, der im Mai auf ein 18-Monats-Tief sank. Zwar kam es im Juni zu einer leichten Erholung (siehe auch Börse-Intern vom 26. Juni), doch nach einer Schnellschätzung vom Dienstag fiel der Einkaufsmanagerindex für Juli bereits wieder. Er befindet sich aber dennoch mit 54,3 Punkten komfortabel über der Schwelle von 50 Punkten, ab der zukünftiges Wachstum angezeigt wird.

IHS Markit-Einkaufsmanagerindex der Gesamtwirtschaft in der Eurozone
(Quelle: tradingeconomics.com)

Somit dürfte sich auch im 3. Quartal dieses Jahres das Tempo noch einmal verlangsamen und diese Tendenz erst einmal auch beibehalten. Laut den Erhebungen von IHS Markit gibt es nämlich den schwächsten Auftragszuwachs für die Unternehmen seit Oktober 2016. Selbiges trifft sowohl auf das Exportneugeschäft sowie die Auftragsbestände zu. Insgesamt fielen die Geschäftsaussichten auf ein 20-Monats-Tief.

Zum 21. Mal in Folge mit positiver Wachstumsrate

Ein Grund zur Sorge besteht deshalb aber noch nicht. Schließlich gab es mit April, Mai und Juni das 21. Quartal mit einer positiven Wachstumsrate in Folge. Unter Berücksichtigung der Frühindikatoren dürfte auch diese Tendenz noch etwas weiter gehen. Wenn man an die bisherige Besorgnis über die Handelskonflikte mit den USA denkt, ist die Enttäuschung über die etwas schwächeren Wachstumszahlen schon etwas überzogen.
Möglicherweise verbessert sich auch wieder die Stimmung in der Eurozone nach dem jüngsten Durchbruch im Handelsstreit (siehe gestrige Börse-Intern). In diesem Fall könnte es bereits im 3. Quartal 2018 zu einem höheren Wachstum kommen, wenn die Unternehmen wieder bereit sind, mehr zu investieren.

Arbeitslosigkeit vor einem 10-Jahres-Tief
Dazu kommt, dass die Arbeitslosigkeit durch das anhaltende Wachstum kontinuierlich weiter sinkt. Inzwischen ist Eurozone auf dem Weg zu einem Zehnjahrestief bei der Arbeitslosenquote. So betrug sie im Mai nur noch 8,3 % wie zuletzt Ende 2008. Dieses Niveau könnte laut Eurostat sogar im Juni weiter gehalten werden.

Arbeitslosenquote in der Eurozone und der EU
(Quelle: Eurostat)

Durch diese positive Entwicklung wird natürlich auch die Kaufkraft der Bürger bzw. Konsumenten gestärkt, was sich zum Teil in einer höheren Inflation niederschlägt, die nun so hoch ist wie zuletzt vor sechs Jahren.

Verbraucherpreise steigen weiter
So kletterte die Inflationsrate im Juli auf 2,1 % und damit auf den höchsten Stand seit Dezember 2012. Noch im Juni lag die Steigerung der Verbraucherpreise in der Euro-Zone bei +2,0 % und im April waren es sogar nur +1,2 %.

Inflation im Euroraum

Verantwortlich für den Anstieg ist aber hauptsächlich der starke Preisanstieg für Energie. So stiegen die Preise für Energie im Vergleich zum Vorjahresmonat um stolze 9,4 %. Zum Vergleich erhöhten sich die Preise für Nahrungs- und Genussmittel „nur“ um 2,5 % gegenüber dem Vorjahresmonat.

Komponenten der Inflation im Euroraum
(Quelle: Eurostat)

Kernrate mit deutlichen Abstand
Damit liegt die Inflationsrate nun knapp über der Zielmarke der EZB von knapp unter, aber nahe 2 %. Jedoch beträgt das Preisniveau im Euroraum nach Abzug von Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak nur +1,1 % gegenüber dem Vorjahr, nach +0,9 % im Vormonat. Und diese sogenannte Kernrate ist es, wonach die Währungshüter ihre Geldpolitik ausrichten. Wie man sieht, ist hier der Abstand zur Zielmarke noch deutlich größer, weswegen die Geldpolitiker auch noch nicht zum Handeln gezwungen sind.

Fazit
Das Wachstum der Eurozone liegt zwar leicht unter den Erwartungen, aber dafür ist die Konjunkturentwicklung insgesamt noch sehr positiv: Die Wirtschaft wächst halt nur etwas langsamer. Durch die daraus resultierende sinkende Arbeitslosigkeit steigt die Kaufkraft der Konsumenten und treibt so die Inflation näher an das Ziel der EZB. Eigentlich passt derzeit also alles.

Dies ist vermutlich auch der Grund, warum sich die Finanzmärkte völlig unbeeindruckt von den jüngsten Daten zeigen und die Kurse tendenziell sogar zulegen konnten. Ich konnte die überzogene Panikmache der Medien vor einer Eskalation des Handelsstreits von Anfang an nicht verstehen. Entsprechend riet ich auch dazu, die Sache nüchtern zu betrachten und keine Verunsicherung aufkommen zu lassen. Diese Ansicht wurde auch von den aktuellen Kursentwicklungen, insbesondere an den Aktienmärkten bestätigt.

Diese dürften auch in den kommenden Monaten vom anhaltenden Wirtschaftswachstum unterstützt werden. Jedoch scheint die fundamentale Bewertung einiger Werte nicht gerade günstig zu sein und auch die saisonal schwache Phase kommt immer näher. Somit ist das weitere Kurspotential wohl etwas begrenzt. Deshalb dürfte sich die von mir bereits vor Monaten erwartete Seitwärtstendenz auf hohem Niveau auch in den kommenden Wochen weiter durchsetzen.

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Ihr
Sven Weisenhaus

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