Die Aktienmärkte haben gestern um 14:30 Uhr (MEZ) einen kräftigen Satz nach oben gemacht. Der Dow Jones Future sprang zum Beispiel aus dem Stand um rund 100 Punkte aufwärts und legte dann innerhalb der nächsten 40 Minuten um weitere 140 Zähler zu. Eine sinnvolle Begründung dafür sucht man allerdings vergebens.
Man könnte hinter dem Kurssprung die Konjunkturdaten vermuten, die um 14:30 Uhr veröffentlicht wurden. Zumal der zeitliche Zusammenhang eindeutig ist. Allerdings fielen diese fast ausnahmslos im Rahmen der Erwartungen aus:
Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe lagen bei 215.000, die Erwartungen bei 209.000, nach 202.000 in der Vorwoche. Eine derart geringe Abweichung und der moderate Anstieg sind kaum ein Grund für eine solche Kursreaktion. Zumal die Zahl der Erstanträge lediglich weiter um die 200.000er Marke schwankt, so wie es schon seit vielen Wochen zu beobachten ist. Der 4-Wochen-Durchschnitt liegt bei 212.500.
Viel wichtiger waren die Zahlen zum PCE-Preisindex. Denn dieses Inflationsmaß wird von der US-Notenbank aufmerksam beobachtet, um eine Entscheidung zukünftigen Geldpolitik treffen zu können. Doch hier wurden die Erwartungen exakt getroffen – mit einem Anstieg des Preisindex im Januar um 0,3 % zum Vormonat und um 2,4 % zum Vorjahr (Dezember: +0,1 % bzw. +2,6 %)…
… und einem Anstieg der Kernrate um 0,4 % zum Vormonat und um 2,8 % zum Vorjahr (Dezember: +0,1 % bzw. +2,9 %).
Außerdem trafen auch die persönlichen Ausgaben mit einem Anstieg um 0,2 % zum Vormonat die Erwartungen (Dezember: +0,7 %).
Lediglich die Einkommen stiegen mit +1,0 % deutlich stärker als erwartet (+0,4 %) und im Vormonat (+0,3 %).
Letzteres ist einerseits eine gute Nachricht, da höhere Einkommen einen höheren Konsum ermöglichen, was höheres Wirtschaftswachstum bedeuten würde. Andererseits ist es aber auch eine schlechte Nachricht, weil mehr Konsum auch die Inflation antreiben könnte. Und das würde gegen baldige Zinssenkungen sprechen.
Insgesamt kann man die Daten im Hinblick auf Zinssenkungsspekulationen also auch negativ werten. Daher verwundert es auch nicht, dass der Dow Jones kurz nach Beginn des offiziellen US-Handels sämtliche Gewinne abgab. Und dazu passt, dass der US-Dollar von den Daten nur begrenzt profitieren konnte. Im Vergleich zum japanischen Yen gab die US-Währung sogar leicht nach. Offenbar ist der Devisenmarkt wieder einmal rationaler, während sich der Aktienmarkt aus allen Nachrichten weiterhin nur die Rosinen rauspickt, um neue Gründe für weiter steigende Kurse zu finden. Das ist typisch für Übertreibungen.
USD/JPY löst das aufsteigende Dreieck nach unten auf
Interessanter finde ich daher die gestrige Kursentwicklung des USD/JPY. Denn der Wechselkurs ist – entgegen der idealtypischen Entwicklung – aus seinem aufsteigenden Dreieck nach unten ausgebrochen (siehe rote Ellipse im folgenden Chart) und somit nun klar an der oberen Linie des aktuellen Aufwärtstrendkanals gescheitert.
Das eigentlich bullishe Dreieck konnte seine Wirkung als trendfortsetzende Formation also nicht entfalten. Werden nun der Ausgangspunkt des Dreiecks bei 149,355 Yen und das Hoch vom 19. Januar bei 148,803 Yen deutlich und möglichst zügig unterschritten, haben Short-Positionen wieder sehr gute Aussichten. Denn dann könnte der Kurs innerhalb des Aufwärtstrendkanals wieder dessen untere Linie anlaufen.
Verbale Devisenmarkt-Intervention
Zudem bearishen Bruch des Dreiecks kam es übrigens nicht durch die Veröffentlichung der US-Konjunkturdaten um 14:30 Uhr. Stattdessen gewann der Yen schon deutlich früher an Stärke, als ein Ratsmitglied der Bank of Japan (BoJ), Hajime Takata (TYO:7312), sich dafür aussprach, dass die japanische Zentralbank mit der Diskussion zu Einzelheiten eines möglichen Ausstiegs aus ihrer ultralockeren Geldpolitik beginnen sollte. „Das Erreichen unseres Preisziels ist endlich in Sicht“, sagte Takata in einer Rede. Die Zentralbank müsse daher über flexible Maßnahmen diskutieren, einschließlich der Abschaffung der Renditekurvensteuerung und negativer Zinssätze.
Angesichts der kürzlich geäußerten Sorge des japanischen Finanzministers Shunichi Suzuki (TYO:7269) über die zu schnelle Wechselkursveränderung könnte man die Wortmeldung von Takata als verbale Devisenmarkt-Intervention werten. Auf eine solche Möglichkeit hatte ich erst vorgestern hingewiesen – und damit genau rechtzeitig (siehe „Auch die Yen-Schwäche ist eine Übertreibung“).
Nun macht eine Schwalbe aber noch keinen Sommer. Es bleibt abzuwarten, ob der Markt jetzt nachhaltig davon ausgeht, dass die BoJ relativ zeitnah tatsächlich eine Wende in der Geldpolitik einleitet. Aber es war ein Schuss vor den Bug der USD/JPY-Bullen. Es scheint, dass Japans Geduld mit der unerwünschten Entwicklung am Devisenmarkt endlich ist. Und es ist nicht das erste Mal, dass auf dem aktuellen Niveau interveniert wurde. Ich erinnere daran, dass es im 2022 zwei Mal gelungen war, den Wechselkurs durch Interventionen am Devisenmarkt deutlich zu drücken (siehe rote Ellipsen im folgenden Chart aus der Börse-Intern-Ausgabe vom 15.11.2022).
An spekulative Long-Positionen sollte man sich daher nun erst wieder herantrauen, wenn der gestrige Kursrutsch vollständig aufgeholt wird. Dann könnten die Anleger Zweifel an baldigen Zinsschritten haben und die Marke von 152 Yen doch noch erreichen wollen.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus