Dieser Artikel erschien zuerst auf Nebenwerte Online
Trotz herber Verluste der grünen Parteien bei der EU-Wahl steht die Energiewende weiterhin im Fokus der Politik. Auch in den USA hat die Administration von Joe Biden mit ihrem Inflation Reduction Act (IRA) die grundlegenden Voraussetzungen für Investitionen in die Elektrifizierung und den Klimaschutz gelegt. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben sich die ehemaligen Vorteile der Globalisierung gerade für Europa ins Gegenteil verwandelt. Heute muss der alte Kontinent ohne günstige Energie aus Russland auskommen, auch das gute Verhältnis zu China droht unter den anhaltenden geopolitischen Verwerfungen zu leiden. Damit steht die Liefersicherheit in wichtigen Metallen und Vorprodukten für die rohstoffabhängige Industrie Europas erneut in Frage. Zeit für Politiker und Ökonomen die wichtigsten Bestandteile der kritischen Rohstoffe-Liste vor der eigenen Haustür zu suchen. Wo liegen die Chancen für Anleger?
Energiewende 2.0 – Der Rohstoff-Boom steht erst am Anfang
In einer Welt mit größter geopolitischer Instabilität suchen industrielle Produzenten nach einer gesicherten Versorgung mit strategischen Metallen. Als strategisch wird dabei alles bezeichnet, was bei veränderter Versorgungslage oder politischen Machtverschiebungen nicht mehr in ausreichendem Maße beschafft werden kann. Die Corona-Pandemie 2020 bis 2022 war ein Vorgeschmack auf die fragilen Lieferketten, wenn weltweit eskalierende Konflikte auf die Rohstoff-Verteilung wirken. Deswegen wird die Energiewende kein einfaches Unterfangen, das weiß man mittlerweile auch in Berlin. Wer gänzlich auf fossile Energieversorgung verzichten möchte, muss enorme Investitionen tätigen. Die alternativen Technologien stehen zwar schon im Raum, ihre technische Herstellung bis hin zur Netzanbindung ist aber kompliziert und erfordert Ressourcen. Alle Staaten weltweit versuchen in unterschiedlichem Maße, das Thema GreenTech auf den Weg zu bringen. Was es hierfür dringend braucht, sind günstige Energie- und Metall-Rohstoffe. Die Europäische Kommission hat die Liste kritischer Rohstoffe gerade erst verlängert. Sie ist ein Gradmesser für das Versorgungsrisiko der europäischen Wirtschaft. Im Ergebnis gelten die Batterierohstoffe Kupfer und Nickel neben Graphit, Lithium und Kobalt als kritisch. Der Bericht betont ausdrücklich die hohe Bedeutung dieser Rohstoffe und Materialien für die Elektrifizierung. Vor allem im Zeitraum von 2025 bis 2040 sieht die Kommission Engpässe auf dem Kupfermarkt, denn jährlich müssten in etwa 6 Kupfer-Bergwerke neu an den Start gehen, um den wachsenden Bedarf zu decken. Es verbleibt daher die Vermutung, dass der im Herbst 2023 gestartete Rohstoff-Boom bis weit ins nächste Jahrzehnt anhalten könnte.
Der Bergbauriese Rio Tinto (LON:RIO) (LSX: RIO1 WKN: 852147 ISIN: GB0007188757) sieht für die chinesischen Märkte bereits heute eine Stagnation in der Stahlproduktion, deshalb setzt der Konzern auf andere Wachstums-Zonen wie z.B. Indien, Vietnam, Indonesien und Brasilien. Rio Tinto hat für die nächsten Jahre erhebliche Investitionen in Höhe von jährlich 7 bis 10 Mrd. EUR im Bergbau geplant. Ein bedeutender Schwerpunkt liegt auf dem Simandou-Projekt in Guinea, das als eines der größten unerschlossenen Eisenerzvorkommen der Welt gilt. Weitere bedeutende Projekte umfassen die Kupfermine Oyu Tolgoi in der Mongolei, die voraussichtlich ab 2028 jährlich 500.000 Tonnen Kupfer liefern wird. Der australische Konkurrent BHP (ASX:BHP) Group (ASX: BHP WKN: 850524 ISIN: AU000000BHP4) will sich nachhaltiger aufstellen und stark in die Energiewende investieren. Die Australier haben sich dazu verpflichtet, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren und die Nachhaltigkeit in allen seinen Betrieben zu verbessern. Dazu gehören erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien und Initiativen zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Das Unternehmen konzentriert sich weiterhin auf seine Kernrohstoffe, zu denen Eisenerz, Kupfer, Nickel und Kalidünger gehören. Das Unternehmen strebt an, ein Schlüsselakteur im globalen Rohstoffsektor zu bleiben, indem es seine Aktivitäten an die sich wandelnden Bedürfnisse der Industrie und der Gesellschaft ausrichtet. Sowohl Rio Tinto als auch BHP sind gute Standardwerte mit solider Ausschüttung und einer breiten Sektor-Abdeckung.
GreenTech-, HighTech- und Rüstungsunternehmen sind heute die größten Abnehmer von strategischen Metallen. Wie schnell die Börse politische Stimmungslagen verarbeitet, sieht man an der Korrektur der deutschen Parade-Energiewende-Titel Siemens (ETR:SIEGn) Energy und Nordex. Binnen weniger Stunden waren die Werte um bis zu 15 % abverkauft worden. Die Logik dahinter: Ein Rechtsruck in Europa könnte die Klimaziele aufweichen oder sogar die Verbrenner-Technologie wieder aus dem Keller holen. Neue Windräder scheinen in diesem Szenario eher unwahrscheinlicher.
Siemens Energy (FRA: ENR WKN: ENER6Y ISIN: DE000ENER6Y0) war der Shooting-Star unter den GreenTech-Titeln in den letzten 12 Monaten. Mit einer fulminanten Rally vervierfachte sich der Kurs von 6,40 auf rund 25,80 EUR. Fundamental konnte man wegen der gelösten Probleme bei der spanischen Windtochter Siemens Gamesa (BME:SGREN_OLD) nun endlich durchatmen. Um den Konzern etwas schlanker zu machen, verkaufen die Münchener nun ihre Indiensparte Siemens Gamesa Renewable Energy für etwa 1 Mrd. USD. Trotz aller Euphorie häuften sich aber zuletzt die negativen Kommentare der Analysten. JP Morgan und Bernstein sind mit Kurszielen von 13 bzw. 15 EUR weiterhin skeptisch, Goldman Sachs (NYSE:GS) hingegen hatte zuletzt sein Target (NYSE:TGT) von 32,70 EUR bestätigt. Aktuell versprühen die Münchner einiges an Zukunftsmusik. Der Konzern plant gegen Ende des Jahrzehnts eine Windturbine herzustellen, die um Faktoren leistungsstärker sein soll als die derzeit größte Turbine. Die Anleger bleiben offensichtlich am Ball, das Wochen-Tief bei 22,40 EUR war schnell wieder vergessen.
Beim Windräder-Konkurrenten Nordex (FRA: NDX1 WKN: A0D655 ISIN: DE000A0D6554) war der Wahl-Abverkauf nach fast 10 % Korrektur bis auf 13,05 EUR zum Stillstand gekommen. Die Aktie hat seit Jahresanfang aber bereits 50 % zulegen können, Gewinnmitnahmen sind da nichts Ungewöhnliches. Fundamental geht es den Hamburgern wieder viel besser wie in den letzten 2 Jahren. Im ersten Quartal konnte man den Verlust unter dem Strich von 214,8 Mio. auf 13,1 Mio. EUR senken. Der Umsatz stieg von 1,22 auf 1,57 Mrd. EUR und die EBIT-Marge verbesserte sich um 14 Prozentpunkte auf Plus 0,4 Prozent. Die Prognose für 2024 wurde von Nordex bestätigt. Erwartet wird ein Umsatz zwischen 7,0 und 7,7 Mrd. EUR sowie eine EBITDA-Marge zwischen 2 und 4 Prozent. Ob das reicht, den üppigen Kursgewinn bis zum Jahresende zu halten? Auf einem AfD-Wahlplakat ist aktuell zu lesen: „Keine neuen Windräder in Deutschland!“. Die AfD war in Ostdeutschland klarer Wahlsieger und erreichte hinter der Union eine Platzierung weit vor den Ampelparteien. Über die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen entscheiden die Länder-Regierungen und hier stehen im Osten die Wahlen vor der Haustür. Der aktuelle Auftragsboom bei Nordex könnte also bald flacher verlaufen.
Strategische Metalle aus Serbien – Electrum Discovery (TSXV:MED) macht sich auf den Weg
Wenn es um den Ausbau der Förderung wichtiger Metalle geht, blicken große Bergbaukonzerne auf interessante Liegenschaften in der Nähe ihrer eigenen Schürfstätten. Ein genauerer Blick sollte deshalb auf den serbischen Explorer Electrum Discovery Corp. (TSXV: ELY, WKN: A401HN, ISIN: CA28616D1087) gerichtet werden. Der Rohstoffreichtum des Landes hat sich längst bis in die höchste Politik herumgesprochen. Auch wenn die EU-Aufnahmeverhandlungen wegen andauernder Unruhen im Kosovo und einer Russland-Nähe des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić nicht so recht vorankommen, bemühen sich wohl alle ranghohen Europa-Politiker um eine schnelle Annäherung.
Im Grunde kommt es den Verantwortlichen wohl auf die enormen Rohstoff-Reserven des Landes an. Damit verbunden ist natürlich das europäische Bestreben, die Rohstoff-Abhängigkeit von Ländern außerhalb der EU zu senken. Bei der Beschaffung von LNG-Gas aus Katar hatte die Menschenrechtsfrage keine Rolle gespielt, warum also in Serbien? Gleichwohl steht die EU diesmal nicht so unter Handlungsdruck, wie nach dem unmittelbaren Wegfall der Öl- und Gaslieferungen aus Russland in 2022. Eine deutliche Beschleunigung könnte sich seit dem letzten Besuch des chinesischen Präsidenten XI im Mai 2024 ergeben, denn der „enge Partner“ der Serben hatte wiederum 28 Mrd. EUR an Fördergeldern im Gepäck. China hat in den vergangenen Jahren bereits Milliarden Euro an Krediten und Investitionen für Serbien bereitgestellt, vor allem im Bergbau und der Infrastruktur. Serbien wiederum bekennt sich zur „Ein-China-Politik“, die eine Anerkennung von Taiwan ausschließt. Mit diesem Zugeständnis liegt Belgrad aber überhaupt nicht auf der Linie der EU oder den USA.
Trotzdem kommt in den Abschluss eines Handelsabkommens zwischen Serbien und der EU wohl endlich Bewegung. Für die Chefin Dr. Elena Clarici wäre das womöglich der Startschuss für ein Vorankommen des kleinen Explorers Electrum Discovery. Sie agiert aus ihrem Heimatland Serbien und kann für das Projekt „Bambino“ im Bezirk „Timok West“ schon hoffnungsvolle Daten zu Kupfer und Gold-Anomalien bereitstellen, die im Fall von Kupfer industriell verwertbare Gehalte von 0,32 bis 2,85 % zeigen. Das ca. 126 Quadratkilomter große Explorationsgebiet Timok East liegt in Ostserbien etwa 250 km von der Hauptstadt Belgrad entfernt. Serbien ist schon heute der zweitgrößte Kupferproduzent Europas, das Potenzial ist aber noch weitgehend unerschlossen. Naturgegeben ist das südosteuropäische Land deutlich kleiner als die klassischen Rohstoff-Länder China, Australien oder Kanada. Damit wird die Erschließung von Mineralvorkommen aber deutlich erleichtert, denn wichtige Bohrgeräte oder Verarbeitungsanlagen müssen nicht über 1000nde von Kilometern befördert werden.
Der Bergbau in Serbien blickt auf eine lange Historie zurück: Viele Jahrzehnte lang war die staatliche Kupfer-Gold-Mine „RTB Bor“ der größte Bergbaubetrieb des Landes. Das lokale Bergbaurecht ist auf der Höhe der Zeit und verschafft Minenbetreibern eine hohe Sicherheit. Die staatliche Nettoschmelzrendite von 5 % gilt in der Branche vor dem Hintergrund der gut ausgebauten Infrastruktur als sehr moderat. Rohstoffriesen wie BHP, Dundee Precious Metals, Rio Tinto, Zijin Mining (HK:2899) und Co. haben sich bereits gut in Stellung gebracht. Der Kampf um die interessanten Liegenschaften sollte sich mit der EU-Annäherung nochmal verschärfen. Denn jeder Bergbaubetrieb sucht nahe Abnehmer und sichere Liefer-Relationen. Mit insgesamt 63,3 Mio. emittierten Aktien ist Electrum Discovery derzeit nur mit rund 2,8 Mio. EUR bewertet. Wenn ein „Großer“ an die Tür klopft, ist der Neubewertungs-Zug wohl schnell abgefahren.
Nel (OL:NEL) ASA versus Plug Power (NASDAQ:PLUG) – Die Norweger schlagen sich besser
Innerhalb der Energiewende spielt auch der Wasserstoff eine immer größere Rolle. Die bekannten Protagonisten Nel ASA und Plug Power stehen derzeit bei Börsianern wieder stark im Fokus. Denn während die Norweger Nel ASA (FRA: D7G, WKN: A0B733; ISIN: NO0010081235) seit einigen Wochen wieder sehr gut performen, gab es bei dem US-Unternehmen Plug Power (NASDAQ: PLUG, WKN: A1JA81; ISIN: US72919P2020) ein regelrechtes Auf und Ab der Emotionen.
Denn als das US-amerikanische Energie-Ministerium (DOE) am 14. Mai ein Garantie-Versprechen über ganze 1,66 Mrd. USD für den Bau von sechs Megawatt-H2-Fabriken ausrief, schoss der amerikanische Platzhirsch um ganze 80 % von 2,85 USD auf über 5,00 USD nach oben. Jedoch realisierten die Anleger schnell, dass es sich nur um eine BackUp-Linie handelte. Plug Power muss also erstmal die Gelder für das Gesamtinvestment einwerben und hängt noch von einigen Genehmigungen ab. Darüber hinaus möchte Senator John Barrasso, Mitglied im Ausschuss für Energie und natürliche Ressourcen, eine Sonderprüfung der Vergabe-Richtlinien einleiten. Denn er vermutet mögliche Interessenskonflikte bei Jigar Shah, dem Direktor des Büros für Darlehensprogramme. Weiter ist der Senator auch besorgt über die roten Zahlen, die laut CEO Andy Marsh noch bis 2026/2027 geschrieben werden sollen. Plug Power kommt wohl so schnell nicht aus dem Keller!
Während Plug Power Achterbahn fährt, kann der norwegische Wasserstoff-Pionier Nel ASA neu überzeugen. Denn der europäische Mitbewerber konnte sich binnen einer Handelswoche ebenso glatt auf 0,76 EUR verdoppeln. Der Grund: Über seine hundertprozentige Tochtergesellschaft NEL Hydrogen Electrolyser AS hat man eine Technologielizenzvereinbarung mit dem indischen Konzern Reliance Industries Limited abgeschlossen. Reliance ist Indiens größtes Privatunternehmen und bekommt damit die Möglichkeit, die alkalischen Elektrolyseure von NEL ASA in Indien zu produzieren und weltweit für den Eigenbedarf zu nutzen. Das spült den Norwegern ordentlich Lizenzgebühren in die Kasse. Nach über 75 % Kursverlust in den letzten 2 Jahren ist dies auch mal ein Lichtblick. Insgesamt befinden sich die Wasserstofftitel weltweit in einer Korrekturschleife – hier hat die Energiewende offensichtlich noch keine Traktion entwickeln können!
Fazit
Die Europäische Union hat ehrgeizige Klimaziele und plant, bis 2050 klimaneutral zu sein. Der „European Green Deal“ soll dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Auch die USA macht Mittel über den Inflation Reduction Act (IRA) locker. Das verschluckt enorme Ressourcen an Investitionskapital und bedarf einer großen Menge notwendiger Rohstoffe. Wer Klimaschutz möchte, muss den Bergbau akzeptieren. Investoren bekommen manchmal das Gefühl, dass Berlin die Determinanten des internationalen Rohstoff-Geschäfts noch nicht ganz verstanden hat. Denn wichtiger denn je scheint die strategische Umsetzung von Lieferabkommen, Staatsverträgen und attraktiven Fördermöglichkeiten für Unternehmen, die an der Sicherung der energetischen Versorgung partizipieren wollen. Für Europa heißt das viel mehr direkte Investitionen in Liegenschaften und Projekte, welche einen sicheren Rohstoffzugang ermöglichen. Mit riesigen Kupfervorkommen erscheint auch das Beitrittsland Serbien in einem ganz anderen Licht. GreenTech-Titel sind hochinteressant, bewegen sich aber in einem sehr anfälligen politischen Umfeld auf und ab. Aktuell scheint ein Investment in Rohstofftitel attraktiver zu sein, als bei den Abnehmern. Wir befinden uns in einem Angebotsmarkt!