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Die EZB nach der Draghi-Ära: Ist BuBa-Chef Weidmann dem Amt überhaupt gewachsen?

Veröffentlicht am 29.05.2019, 09:50
EUR/USD
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Der Startschuss ist offiziell gefallen im Rennen, wer Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) folgen wird, wenn seine Amtszeit am 31. Oktober zu Ende. Und es scheint, als sei der Deutsche Jens Weidmann als erster gestartet.

Als die Regierungschefs der Europäischen Union sich am Dienstag zusammensetzten, um die Verteilung der Spitzenjobs der Gemeinschaft im Fahrwasser der Wahlen zum Europaparlament zu diskutieren, hat der ‘Wirtschaftsrat’ der Christdemokraten—ein Gesprächsforum, in dem Konzepte mit den Unterstützern der Partei aus der Wirtschaft besprochen werden—sprach sich lautstark für Weidmann aus. Sein Präsident Werner Bahlsen hat die derzeitige Geldpolitik als indirekte Subvention für Italien kritisiert und gesagt, dass “es absolut notwendig ist, dass es in der Zinspolitik zu einer Wende kommt.”

Auch wenn der Name von Bundeskanzlerin Angela Merkel nirgendwo auf der Unterstützungserklärung zu finden war, ließ es kaum Zweifel daran, dass das größte Land der Eurozone beabsichtigt darum zu kämpfen, die deutsche Währung—den Euro—einem Deutschen anzuvertrauen, 20 Jahre nachdem die Deutsche Mark aufgegeben wurde.

Für viele wird das keine willkommene Nachricht sein. Es ist kaum eine Übertreibung zu sagen, wäre die Eurozone in den letzten acht Jahren nach Weidmanns erklärten geldpolitischen Prinzipien geführt worden, dann gäbe es keine EZB-Präsidentschaft mehr, um die gestritten werden könnte. Das Projekt der Gemeinschaftswährung wäre explodiert, da die Weigerung faktisch Italiens Staatsschulden zu garantieren, das Land in die Pleite getrieben und zur Wiedereinführung der Lira gezwungen hätte.

Stattdessen versprach der damalige Bankpräsident Mario Draghi zu tun “was auch immer notwendig ist, um den Euro zu verteidigen,” und setzte dieses Versprechen mit einer Serie unkonventioneller geldpolitischer Ansätze um, die ein deflationäres Desaster für die Region abwenden konnten.

Weidmann hat nie seine Opposition gegen den Anleihekaufmechanismus aufgegeben, den Draghi zur Abwehr jener Krise geschaffen hatte, die sogenannten “Outright Monetary Transactions” (vorbehaltlose geldpolitische Geschäfte). Er widersetzte sich auch der quantitativen Lockerung, die Draghi und sein belgischer Chefvolkswirt Peter Praet in 2015 in der EZB durchsetzen konnten und die der Eurozone ein respektables Wirtschaftswachstum brachte, bis zum Konjunkturabschwung des vergangenen Jahres.

All dies scheint den Präsidenten der Deutschen Bundesbank auf die falsche Seite der Geschichte zu stellen und macht ihn im Rest des Währungsraums wenig beliebt. Und das liegt nicht nur daran, dass die Konzepte, denen er sich entgegenstellt, in den letzten sieben Jahren funktioniert haben, was sie zu mehr als Schnellschüssen macht. Und es suggeriert auch einen hartleibigen Konservatismus und Starrheit, die der nächste EZB-Präsident sich nicht leisten werden können.

Wie Lucrezia Reichlin, eine frühere Forschungsdirektorin bei der EZB, in einem neueren Beitrag für Project Syndicate schrieb:

“Im Fall eines erneuten Abschwungs suggeriert der begrenzte Fiskalspielraum einiger Länder verbunden mit der Abwesenheit gemeinsamer Stabilisierungsinstrumente, dass die EZB die unkonventioneller Geldpolitik noch weitertreiben muss, als sie es schon getan hat.”

Als der Handelskrieg zwischen den USA und China an Schärfe gewinnt, gibt es ein zunehmendes Risiko, dass die EZB den nächsten Abschwung mit ihrem Leitzins ohnehin schon auf 0% (und dem Einlagenzins auf -0,4%), was ihr kaum Raum zur Unterstützung der Konjunktur mittels der Geldpolitik lässt. Versuche die Zinssätze weiter zu kappen, birgt das Risiko, mehr Stress im ohnehin schon schwachen Bankensystem zu schaffen, als dieses verkraften kann. Ähnlich würde eine Wiederaufnahme der quantitativen Lockerung bald in die EZB-Limits bei Käufen von Staatsschulden laufen.

Unter den Tabus die vielleicht gebrochen werden müssen ist das gegenwärtige Inflationsziel der EZB von “unter aber nahe 2%”, das wie Reichlin argumentiert, seinen Bias nach unten verlieren muss.

Diese Wortwahl war in den 1990ern nur deswegen gefunden worden, um die Deutschen zu versichern, dass die EZB genauso hart gegen die Inflation vorgehen werde, wie die Bundesbank, aber es hat die Zentralbank angehalten, die Hälfte ihrer Existenz damit zu verbringen, die falsche Gefahr zu bekämpfen, während Trends wie Automatisierung, Digitalisierung und Chinas Integration in die Weltwirtschaft intensiven und andauernden Abwärtsdruck auf die Preise geschaffen haben.

Paradoxerweise könnte die Notwendigkeit von mehr Radikalität genau der Grund sein, der Weidmann zur besten Wahl für das Amt macht. Es ist so gut wie sicher, dass der nächste Konjunkturabschwung die EZB zwingen wird, Dinge zu tun, die in Deutschland extrem unpopulär sein werden, wer ist also besser als ein Deutscher geeignet deren Notwendigkeit zu vertreten?

Abgesehen könnte die Präsenz eines Deutschen im Spitzenjob helfen, das größte sichtbare Risiko für die Stabilität des Euros abzuwenden – eine Konfrontation mit Italien über seine Haushaltsdefizite und Staatsschulden. Matteo Salvini, der stellvertretende Ministerpräsident des Landes und auch sein Innenminister, erklärte am Dienstag seine Absicht, die EZB alle Staatsschulden garantieren zu lassen. Er dürfte damit bei Team Weidmann und Luis de Guindos abblitzen. Letzterer ist der ehemalige Finanzminister Spaniens und dient derzeit als EZB-Vizepräsident. Er hatte in seinem letzten Job die undankbare Aufgabe gehabt, ein Sparprogramm durchzusetzen.

Mal abgesehen davon, dass die Nominierung abgeschlossen sein muss, wenn Draghis Amtszeit ausläuft, steht bei dem Prozess nichts sicher. Wer immer den Job bekommt, wird die Pflicht übernehmen, das Überleben des Euros zu garantieren. Dank Draghis Einfallsreichtums wird der vierte EZB-Präsident mehr Werkzeuge als jeder seiner Vorgänger zur Verfügung haben, um mit möglichen Schocks fertig zu werden. Er oder sie wird sie alle brauchen—und womöglich noch ein paar neue hinzuerfinden müssen.

Weitere mögliche Kandidaten für Mario Draghis Nachfolge sind:

1. Francois Villeroy de Galhau, Präsident der Bank von Frankreich

Pro: relevante Erfahrung

Contra: Frankreich hat schon einen EZB-Präsidenten gestellt (Jean-Claude Trichet, von 2003 bis 2011)

2. Benoit Coeure, EZB-Ratsmitglied

Pro: international hochgeschätzt für seine Arbeit bei der Leitung der EZB-Marktabteilung

Contra: Franzose, und seine achtjährige Amtszeit ist nicht erneuerbar

3. Sylvie Goulard, stellvertretende Gouverneurin der Bank von Frankreich

Pro: Erfahrung in Zentralbankleitung und EU-Institutionen, als hochrangiges Mitglied des Parlamentsausschusses für wirtschaftliche und geldpolitische Angelegenheiten; Frau

Contra: Französin; im Rang hinter Villeroy; Präsident Macron mag Wahl seiner Verbündeten Margrethe Vestager zur Präsidentin der EU-Kommission zur obersten Priorität machen

4. Olli Rehn, Gouverneur der finnischen Zentralbank

Pro: Als EU-Wirtschaftskommissar mit Erfahrung in Eurokrisen; jüngste Vorschläge zum Überdenken des geldpolitischen Rahmenwerks der EZB zeigt Verständnis für künftige Herausforderungen

Contra: Verantwortung für schlechte Politikentscheidungen und Präsentationen der Rettungsmaßnahmen nach der Krise, besonders die Weigerung, den Staatsbankrott Griechenlands zur Kenntnis zu nehmen

4. Erkki Liikanen, früherer Gouverneur der finnischen Zentralbank

Pro: Erfahrung als EZB-Ratsmitglied und EU-Kommissar; tiefes Verständnis von Europas Banksektor

Con: Alter (68J)

5. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank

Pro: Herkunft (würde den Nordeuropäern einen Platz im Spitzenmanagement der EZB geben, angesichts dessen, dass Vizepräsident De Guindos spanisch ist); Frau

Contra: Mangel an Erfahrung im obersten Management oder Politik

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