Die Erwartungen der Märkte waren hoch, die EZB wusste sie aber sogar zu übertreffen. Experten waren im Konsens davon ausgegangen, dass die Notenbank eine weitere Senkung des Bankeneinlagensatzes um 10 Basispunkte auf minus 0,40 Prozent sowie ein um rund 15 Milliarden Euro höheres monatliches Volumen der Anleihekäufe beschließen wird. Einige skeptische Naturen hatten dabei gewarnt, dass diese hohen Erwartungen enttäuscht werden könnten, was entsprechende Kursreaktionen zur Folge hätte. Doch die EZB schnürte ein Paket, das direkt ein ganzes Bündel an Maßnahmen enthielt.
Das Maßnahmenpaket der EZB
Getroffen wurden die Markterwartungen, indem ab dem 16. März 2016 einerseits der Einlagensatz wie erwartet von minus 0,30 auf minus 0,40 Prozent gesenkt und andererseits das QE-Programm ab April 2016 von monatlich 60 auf 80 Mrd. US-Dollar aufgestockt wird. Letzteres war bereits ein wenig mehr als der Konsens erhofft hatte. Völlig übertroffen wurden die Erwartungen aber, weil die EZB auch noch überraschend den Leitzins von 0,05 auf 0,00 Prozent und den Ausleihungssatz von 0,30 auf 0,25 Prozent senkt. Daneben wurde der Katalog der kaufbaren Wertpapiere erweitert. Nun zählen auch auf Euro lautende Investment-Grade-Anleihen von Unternehmen (ohne Banken) im Euro-Währungsgebiet zu den Vermögenswerten, die bei regulären Ankäufen zugelassen sind. Zudem wird das Limit für den maximalen Anteil an einzelnen Anleihechargen von 30 auf 50 Prozent erhöht. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es auch noch weitere vier gezielte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LTRO II) jeweils mit einer Laufzeit von vier Jahren, beginnend im Juni 2016.
Darum griff die EZB so tief in die Trickkiste
Auf der Pressekonferenz begründete EZB-Chef Mario Draghi die beschlossenen Maßnahmen mit einer Reduzierung der Wachstums- und Inflationserwartungen. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum wurde für 2016 von 1,7 auf 1,4 Prozent und für 2017 von 1,9 auf 1,7 Prozent gesenkt, die Inflation werde 2016 statt 1,0 nur 0,1 Prozent und 2017 statt 1,6 mit 1,3 Prozent etwas weniger betragen. Die nun beschlossenen Maßnahmen würden der gesunkenen Wachstumsdynamik entsprechen, so Draghi.
EZB löste Kurskapriolen aus
An den Börsen löste das Maßnahmenbündel der Währungshüter zunächst ein Kursfeuerwerk in die erwartete Richtung aus, dann kam es aber zu Gewinnmitnahmen und einer Trendumkehr in quasi sämtlichen Märkten. Der Grund für die Kurskapriolen: Zuerst sagte Draghi, weitere Zinssenkungen seien möglich, nur um die neuen Zinssenkungsfantasien dann wenig später direkt wieder im Keim zu ersticken.
Weitere Zinssenkungen möglich, aber derzeit unwahrscheinlich
Während der Verlesung der Pressemitteilung äußerte er zudem den Satz, dass „die Zinsen für längere Zeit auf diesem oder niedrigerem Niveau“ verbleiben werden. Dies wurde zunächst dahingehend interpretiert, dass weitere Zinssenkungen möglich seien. Entsprechend stark entwickelte sich der DAX und entsprechend schwach der Euro – zunächst jedenfalls. Auf Nachfrage der Reporter räumte Draghi nämlich ein, dass die Zinsen nicht beliebig weit gesenkt werden könnten, ohne negative Folgen für Banken zu haben. Damit wurden die gerade erst hervorgerufenen neuen Zinssenkungsphantasien bereits wieder erstickt und die Märkte drehten.
Buy the rumour, sell the facts!
Getreu dem klassischen Börsenmotto „Buy the rumour, sell the facts!“ (Kaufe das Gerücht, verkaufe die Fakten!) waren die Aktien- und Anleihenkurse in Erwartung neuer geldpolitischer Maßnahmen bis zur EZB-Zinsentscheidung am vergangenen Donnerstag angestiegen und dann dramatisch zurückgefallen, als die Fakten auf dem Tisch lagen.
Dramatisches Hin und Her im DAX
Der DAX schoss in den ersten Minuten nach Bekanntgabe der historischen Zinsentscheidung zunächst um rund 270 Punkte nach oben (grüner Pfeil) und verfehlte mit einem Hoch bei 9.995,84 Punkten die magische 10.000er Marke nur um Haaresbreite. Anschließend sackte der Kurs noch während der Pressekonferenz dramatisch ab (gegen 15:10 Uhr binnen drei Minuten um fast 200 Punkte auf zwischenzeitig nur noch 9.725 Punkte).
Am Ende ging es mit dem Index vom Tageshoch bis zum Xetra-Schlusskurs satte 500 Punkte abwärts. Und im Späthandel wurde sogar noch zwischenzeitig die 9.400er Marke unterschritten, bevor sich die Notierungen am späten Abend etwas und am folgenden Tag deutlich erholen konnten.
Spiegelbildliche Entwicklung im EUR/USD
Im Euro war es umgekehrt (siehe folgender Chart). Der Wert des EUR/USD sackte zunächst binnen Sekunden steil ab (roter Pfeil), nur um sich bereits während der Pressekonferenz noch stärker zu erholen.
Trendumkehr nach Kursfeuerwerk nicht überbewerten!
Man sollte die charttechnischen Signale, die an solchen Tagen generiert werden, zunächst nicht überbewerten. Die Entwicklung in den kommenden Tagen ist entscheidender. Die Anleger müssen die Zinsentscheidung und die Aussagen Draghis verdauen und bewerten. Dann wird sich zeigen, für welche Richtung sich die Märkte endgültig entscheiden. Welche Kursmarken es dabei zu beachten gilt, erfahren Sie auf www.geldanlage-brief.de
(Quelle: Geldanlage-Brief vom 13.03.2016)
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Sven Weisenhaus