Griechenland ist pleite und niemanden stört es. So könnte man das Abstimmungsverhalten der Griechen beim Referendum und die Reaktionen der Börsen darauf wohl am treffendsten beschreiben.
Leidensfähige Griechen
Obwohl den Griechen nicht mehr nur sprichwörtlich das Geld ausgeht, sondern die Automaten tatsächlich nur noch maximal 60 Euro pro Konto ausspucken, haben sich die Menschen in dem krisengeplagten Land hinter ihre Regierung gestellt. In dem Referendum (Volksbefragung) vom vergangenen Sonntag sprachen sich mehr als 61 % gegen die Spar- und Reformforderungen der Euro-Partner und des IWF aus. Damit ist ein „Graccident“ sehr viel wahrscheinlicher geworden.
Dass die Griechen in einer derartigen Mehrheit den Reformkurs ihrer Geldgeber ablehnen, damit hatte wohl niemand gerechnet. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 62,5 % und damit klar über der erforderlichen Mindestbeteiligung von 40 %. Nun dürfte es spannend werden, ob es damit zum „Grexit“ kommt oder die Bürgervertreter der anderen Euro-Länder vor den Griechen einknicken.
Tsipras könnte seine Macht nach dem Referendum überschätzen
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras jedenfalls will, nun mit seinem Volk im Rücken und damit aus seiner Sicht gestärkt, über die Schulden neu verhandeln. Um dem nicht im Wege zu stehen, trat sein Finanzminister Varoufakis am Montag überraschend zurück. Sein Nachfolger ist der bisherige griechische Vize-Außenminister Euklides Tsakalotos.
Doch die neuen Verhandlungen dürften allein dadurch nicht leichter werden, da diese nun auf Basis einer völlig neuen Grundlage zu führen sind. Und es besteht die Gefahr, dass Tsipras seine Macht nach dem Referendum überschätzt. Im Grunde haben sich die Griechen gegen den Euro entschieden und Reisende soll man nicht aufhalten, könnten sich die Euro-Partner denken und von ihrer Position nicht abrücken.
Märkte bleiben gelassen
In einer ersten Marktreaktion zeigten sich die Anleger schockiert, doch die Börsen nehmen die Entwicklungen inzwischen schon viel gelassener. Im Vergleich zum Montag der Vorwoche fielen die anfänglichen Kursverluste vorgestern schon deutlich geringer aus. Ein „Grexit“ kann niemanden mehr schocken, weil man sich inzwischen schon längst auf dieses mögliche Szenario eingestellt hat.
Hängepartie könnte sich noch über Wochen hinziehen
Allerdings ist ein „Grexit“ damit keineswegs sicher. Es wird erneute Verhandlungen geben, die nun vor einem völlig neuen Hintergrund stattfinden. Damit setzt sich für die Märkte das Warten auf eine endgültige Entscheidung fort. Und diese Hängepartie könnte sich noch über Wochen hinziehen. Für kurzfristige Anleger und Trader ist dies eine Katastrophe – wir können es aber leider nicht ändern.
Fast täglich werden wichtige Entscheidungen gefällt
Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten trafen sich am Dienstag, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Vor diesem Euro-Gipfel reiste Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits am Montag nach Paris, um sich mit ihrem französischen Amtskollegen Francois Hollande zu verständigen.
Ebenfalls schon am Montag berieten die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) darüber, wie man die Notfallkredite (ELA) für die griechischen Banken durch die dortige Zentralbank weiter behandelt. Das Gesamtvolumen der ELA-Kredite liegt seit Ende der vorvergangenen Woche bei rund 89 Mrd. Euro und wurde zuletzt nicht weiter aufgestockt.
Den griechischen Banken könnte daher schon in wenigen Stunden das Geld ausgehen. Dann könnten sie nicht mal mehr die aktuellen 60 Euro täglich auszahlen. Doch ob sich die EZB davon beeindrucken lässt, ist nach dem “Nein“ fraglich. Im Gegenteil: Die EZB hat damit einen weiteren Grund, sogar die alten Hilfskredite zu streichen.
Fazit zur Griechenland-Krise
Die Karten wurden quasi neu gemischt. Wer allerdings nun das bessere Blatt auf der Hand hat, bleibt abzuwarten. Tsipras scheint siegessicher, doch es kann sehr gut sein, dass das „Nein“ der Griechen zu einem „Nein“ der restlichen Europäer führt und Griechenland zukünftig ohne finanzielle Hilfen auskommen muss.
Im Grunde hat sich nach dem vergangenen Wochenende noch nicht viel geändert. Vieles kann passieren, nichts muss. Und niemand weiß genaues und keiner kennt die Zukunft. Daher gilt es nun Ruhe zu bewahren und die Entwicklung abzuwarten.
Sommermonate machen die Sache für Anleger nicht leichter
Wie wir bereits schrieben, setzt sich für die Märkte das Warten auf eine endgültige Entscheidung fort. Und diese Hängepartie könnte sich noch über Wochen hinziehen. Zumal wir nun tief in die Sommermonate eintauchen, die sowieso als schwankungsarm und als durch Fehlsignale geprägt gelten. Für kurzfristige Anleger und Trader ist dies eine Katastrophe.
Wir können es aber leider nicht ändern, wir können Sie aber möglichst unbeschadet durch diese Zeiten geleiten. Dies ist und bislang mit unserem „Geldanlage Premium Depot“ relativ gut gelungen. Im Vergleich zum DAX konnten wir zuletzt auf eine schöne Outperformance blicken.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage
Sven Weisenhaus
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 08.07.2015)