Weltwirtschaft - Besser als ihr Ruf
Laut IWF führt ein Preisrückgang bei Rohöl um 30 Prozent zu einer durchschnittlichen Wachstumssteigerung in den Industrieländern um 0,8 Prozentpunkte. Da der Ölpreis seit Juni um 45 Prozent gefallen ist, sind 2015 unter sonst gleichen Bedingungen noch höhere Wachstumsimpulse zu erwarten.
Die US-Wirtschaft bleibt robust: Die neue US-Wirtschaftsdoktrin - Reindustrialisierung und Wiederbelebung als Exportnation - kommt immer mehr zum Vorschein.
Die Emerging Markets werden zukünftig geringere Wachstumsraten zeigen, da sie verstärkt auf nachhaltiges, weniger dynamisches binnenkonjunkturelles Wachstum setzen. Insbesondere China kommt immer mehr in der Realität sich normalisierender Wachstumsraten an. Diese Entwicklung ist aber zu begrüßen. Ansonsten würde die chinesische Konjunkturblase mit massiven Kollateralschäden für die Weltwirtschaft platzen.
Russland - Vor der Staatspleite?
Die derzeitige wirtschaftliche Misere Russlands ruft Erinnerungen an die Rubel-Krise 1998 wach. Die Sanktionen des Westens - die die USA noch ausweiten wollen - entfalten zunehmend ihre verheerende Wirkung. Der seit Jahresbeginn gegenüber US-Dollar und Euro um über 40 Prozent verfallene Rubel - drastische russische Leitzinserhöhungen und Währungsinterventionen haben bislang keine wirkliche Trendwende eingeleitet - die galoppierende Inflation und der Einbruch der Energiepreise, der aufgrund der Rohstoffabhängigkeit des russischen Staatshaushalts insbesondere schmerzt, haben das Risiko einer erneuten Staatspleite auf mittlerweile 32 Prozent erhöht.
Von einer massiven russischen Rezession bzw. einer Staatspleite, die auch auf Osteuropa negativ ausstrahlt, ist zunächst die europäische Kreditwirtschaft betroffen, die im Extremfall bis Ende 2015 einen Ausfall von russischen Auslandskrediten in Höhe von gut 200 Mrd. US-Dollar verkraften müsste.
Kein Land ist so nachhaltig von der Wirtschaftsmisere Russlands betroffen wie Deutschland. Nach einem erwarteten deutschen Exporteinbruch nach Russland in 2014 um gut 20 Prozent könnte sich dieser 2015 schätzungsweise auf 50 Prozent beschleunigen. Vor allem Branchen wie Maschinenbau und Autoindustrie werden in Mitleidenschaft gezogen. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte 2015 insofern um 0,25 Prozentpunkte fallen.
Das größte Risiko wäre eine geopolitische Eskalation, da Präsident Putin mit dem wirtschaftlichen Rücken an der Wand steht. Eine hohe diplomatische Kunst der Marke „Leben und leben lassen“ insbesondere der deutschen Bundesregierung ist hier gefragt. 2015 werden wir wohl zunächst weiter politische Börsen haben, die offensichtlich keine kurzen Beine haben.
Euro-Konjunktur - Neue Schulden braucht das Euro-Land
Ein schwacher Konsum und eine verhaltene Investitionstätigkeit bremsen die wirtschaftliche Dynamik in der Eurozone deutlich. Abhilfe sollen schuldenfinanzierte, von der EZB zinsgünstig gehaltene Konjunkturprogramme schaffen, die seitens des EU-Kommissionspräsidenten Juncker und des Wirtschafts- und Währungskommissars Moscovici längst die höheren Weihen erhalten haben. Immerhin scheint diese Vision der künstlichen Konjunkturbefruchtung eine Stabilisierung des Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Eurozone oberhalb der Expansion anzeigenden Schwelle zu begünstigen.
Euro-Krise - Reloaded?
Nach den zu erwartenden griechischen Neuwahlen im Februar 2015 könnte Umfragen zufolge eine Euro-kritische Regierung ins Amt kommen. Insofern sind bis zum Wahltag zwischenzeitliche Euro-Krisensymptome möglich. Einmal gewählt, wird die neue griechische Regierung jedoch moderatere Töne anstimmen, um keine Ächtung Griechenlands in der Eurozone und an den Finanzmärkten mit dann schweren wirtschaftlichen Kollateralschäden zu riskieren. Daneben wird die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF mit z.B. Verlängerungen der Schuldenlaufzeiten und abgemilderten Spar- und Reformforderungen Entgegenkommen zeigen, damit Griechenland nicht zum ersten fallenden Stein in einer Dominokette wird, an deren Ende der Zerfall der Eurozone stehen könnte.
EZB - Die Bazooka kommt tatsächlich zum Einsatz
Die EZB wird im nächsten Jahr mit Staatsanleihenaufkäufen - QEE (Quantitative Easing Eurozone) - beginnen. Der entsprechende Beschluss könnte bereits auf der ersten oder zweiten EZB-Sitzung im nächsten Jahr fallen.
Die Abwendung einer - auch im Hinblick auf Griechenland - erneuten Euro-Staatsschuldenkrise und grundsätzlich die Bekämpfung von Deflationstendenzen werden als Argumente für dieses unkonventionelle geldpolitische Instrument genannt.
Mit dem alleinigen Ankauf von ABS-Papieren ist die von EZB-Chef Draghi angekündigte Liquiditätsausweitung um eine Billion Euro oder mehr binnen zwei Jahren ohnehin nicht darzustellen. Die Euro-Südstaaten, die für jede geldpolitische Konjunkturunterstützung dankbar sind, dürften den Widerstand der deutschen Bundesbank letztlich überstimmen.
Insofern werden 2015 die Renditen von Zinspapieren nicht nur weiter niedrig bleiben, sondern sogar noch weiter fallen. Erfolgt der Staatsanleihenaufkauf nach dem Beteiligungsschlüssel der einzelnen Länder an der EZB, profitieren deutsche Staatsanleihen hiervon in besonderem Maße. Die Renditen deutscher Staatsanleihen mit Laufzeiten bis zu vier Jahren sind bereits negativ. Renditen von 5-jährigen Staatspapieren könnten ebenso die Nullgrenze passieren und 10-Jahres-Renditen dürften auf 0,3 Prozent fallen.
Die US-Leitzinswende - Tut nicht wirklich weh
Die schlechte Nachricht zuerst: Die Fed wird die Zinsen 2015 erhöhen. Denn sie bekennt sich nicht mehr zu niedrigen Zinsen für einen „längeren Zeitraum“. Eine große Zinswende in den USA, die die Liquiditätshausse an den Aktienmärkten beendet, ist jedoch vom Tisch. Denn laut Fed-Präsidentin Yellen wird man sich mit Leitzinssteigerungen vor dem Hintergrund einer fallenden Inflation „geduldig“ zeigen. Zinserhöhungen im ersten Quartal schließt sie sogar gänzlich aus. Auch die Zins-Projektionen der Fed-Mitglieder für Ende 2015 sind entspannt: Sie wurden von 1,375 auf 1,125 Prozent herabgesetzt. Damit könnten die US-Wirtschaft und die Emerging Markets - die ansonsten unter Kapitalabzug leiden könnten - gut leben. Bei Leitzinsen unter der Inflationsrate kann man nicht von restriktiver Geldpolitik sprechen.
Insbesondere weiß Frau Yellen, dass eine zu scharfe Zinspolitik die Mutter aller Anlageblasen - die Anleihenblase - platzen lassen könnte. Das Weltfinanzsystem könnte irreparable Schäden davon tragen.
Währungen - Zwischen Dollar-Stärke und Abwertungswettlauf
Die wenn auch nur leichte Zinswende in den USA, das Ende weiterer Liquiditätszuführungen durch die Fed und die starke US-Wirtschaft einerseits sowie die Beibehaltung eines extrem zinsgünstigen Umfelds in der Eurozone, eine massive Liquiditätsausweitung der EZB und die vergleichsweise schwache Euro-Konjunktur andererseits sprechen für eine sukzessive Abwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar bis auf 1,14.
Unter den Exportnationen wird der Währungsabwertungswettlauf zunehmen. Japan und die Eurozone wollen ihre Währungen zur Stützung der heimischen Exportindustrie schwächen. Nach der Bank of Japan verfolgt auch die EZB über Staatsanleihenaufkäufe das Ziel der währungsseitigen Wettbewerbssteigerung. Konsequenz dieses Währungsabwertungswettlaufs ist eine weitere Abwertung von Yen und Euro zum US-Dollar.
Während die Dollar-Stärke für Japan und die Eurozone positive Auswirkungen hat, ist sie für die Schwellenländer, die zu annähernd 70 Prozent in Dollar verschuldet sind, eine reale Gefahr. So muss Brasilien über die Real-Abwertung etwa 20 Prozent mehr für die Bedienung seiner Dollar-Auslandsschulden als 2013 aufwenden. Eine fortgesetzte Dollar-Befestigung raubt ihnen Kaufkraft, so dass sie ihre Rollen als Weltkonjunkturlokomotiven weniger intensiv wahrnehmen könnten. Typische Exportländer wie Deutschland würden hierunter am meisten leiden.
Allerdings ist die behutsame zinspolitische Wende der Fed geeignet, den bisherigen Leitzinserhöhungsangst geschuldeten Währungsaufwertungsdruck des Dollars gegenüber den Schwellenländern enden zu lassen.
Ölpreisverfall - Für Industriestaaten hui, für Ölförderländer pfui
Bei weiter fallenden Ölpreisen steigt die Gefahr von Staatspleiten von öl- und gasfördernden Ländern. Saudi-Arabien benötigt einen Ölpreis von 94 und Venezuela und Ecuador sogar 118 bzw. 142 US-Dollar je Barrel für einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Mit einem aktuellen Ölpreis von ca. 60 US-Dollar drohen massive Unterfinanzierungen von Staatshaushalten und Unternehmenskrediten, aber auch von Wohlstandstransfers an die Bevölkerung.
Entsprechend hoch ist die Gefahr, dass Petrodollar-Staatsfonds im Extremfall reale und finanzwirtschaftliche Investitionen in der westlichen Welt konjunkturschädlich zurückfahren. Das könnten sie insbesondere dort tun, wo sie über die größten Buchgewinne verfügen: Bei Aktien und Staatsanleihen. Entsprechend groß wären die Verwerfungen an den Kapitalmärkten der Eurozone.
Aber auch hier macht sich eine verhaltene Zinserhöhungspolitik entspannend bemerkbar. Ein Ende der Aufwertung des US-Dollars gegenüber den Schwellenländer-Währungen stützt den Ölpreis, da sich beide Größen - historisch betrachtet - gegenläufig entwickeln.