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Keine EZB-Spezialbehandlung für Italien

Veröffentlicht am 19.09.2018, 09:24

Dass EZB-Draghi Fragen zu Italien und dessen Finanzierungsperspektiven bekommen würde, war vor der Pressekonferenz nach dem Zentralbankratstreffen am letzten Donnerstag zu erwarten.

Überraschend war, wie klar er herausstellte, dass Italien bei seiner Haushaltspolitik nicht auf besondere Finanzierungsunterstützung der EZB bauen dürfte. Es sei nicht die Aufgabe der EZB die Staatsfinanzierung unter allen Umständen sicherzustellen, stattdessen würden Investoren das neue Budget beurteilen. Auch signalisierte er, dass die Wiederanlage von zukünftig zurückgezahlten Anleihen im Besitz der europäischen Zentralbanken weiterhin nach dem Kapitalschlüssel verteilt würden – das heisst, es würden auch zukünftig nicht überproportional viele italienische Anleihen erworben. Stattdessen würde er erwarten, dass sich Italien an die europäischen Regeln hält.

Genau das hat die italienische Regierung aber nicht immer klar signalisiert. Mal scheint sie den Konflikt mit Brüssel zu suchen und pocht auf die Umsetzung der teuren Wahlversprechen wie des bedingungslosen Grundeinkommens, deutlicher Steuersenkungen oder der Rücknahme der Rentenreform, mal verspricht sie keine übermässige Defizitausweitung. Klar erscheint lediglich, dass die Finanzmärkte relativ schnell über die Nachhaltigkeit des Haushaltsvorschlages mit fallenden oder steigenden Renditen italienischer Anleihen urteilen werden; in jedem Fall schneller und entscheidender, als die EU-Kommission, die vermutlich Anfang November, den am 15. Oktober fälligen Budgetvorschlag kommentieren wird. Die Kommission wird sodann Vorschläge machen, die die einzelnen Länder implementieren können, aber nicht müssen, wenn sie ihrem Budget formell im Dezember Gesetzeskraft verleihen. Bis zu Sanktionen wäre es aber noch ein sehr weiter Weg.

Wirklich kritisch sahen die letzten italienischen Haushalte nicht aus. Mit schöner Regelmässigkeit konnte die Regierung Primärüberschüsse erzielen – d.h. sie wies abgesehen von den Zinszahlungen auf bestehende Schulden einen mindestens ausgeglichenen Haushalt auf. Da die italienische Wirtschaft gleichzeitig Leistungsbilanzüberschüsse produzierte, bleibt die aggregierte Nettoverschuldung des privaten und öffentlichen Sektors im Ausland bei moderaten 15% des Bruttoinlandsproduktes. Das bedeutet auch, dass der mit rund 130,7% des BIP verschuldete Staat hauptsächlich bei den eigenen Haushalten und Banken in der Kreide steht. Dies reduziert für jede Regierung massiv den Anreiz sich mittels eines Zahlungsausfalls wieder finanzielle Luft zu verschaffen. Die von manchen Beobachtern geäusserte Befürchtung, die italienische Wirtschaft könnte mit einem Zahlungsausfall, Euro-Ausstieg und Nicht-Begleichung von Target2-Salden glaubhaft drohen, halten wir daher für übertrieben. Sicherlich ist das Verhältnis von Schulden zu BIP zu hoch, solange dies allerdings stabil bleibt, liefert es keine akute Bedrohung.

Potenziell beunruhigend ist an der italienischen Verschuldung allerdings das Verhältnis von Zinszahlungen zu nominalem Wachstum. Dieser sogenannte Schneeballeffekt, bestimmt, ob die Schuldenquote, also das Verhältnis von Schulden zu nominalem BIP, ansteigt oder fällt. Bei einem exklusive Zinszahlungen ausgeglichenen Haushalt – also einem Primärsaldo von null – steigen die Schulden genau um die Zinszahlungen an. Wenn das nominale BIP prozentual um genau die gleiche Summe ansteigt wie die Schulden, bleibt die Schuldenquote konstant. Steigt das nominale BIP kräftiger an, fällt die Schuldenquote sogar. Bei Italien ist dies allerdings nicht der Fall. Es ist sogar das einzige Land in der Währungsunion gewesen, das 2017 einen positiven Primärsaldo benötigte, um die Schuldenquote konstant zu halten. Schuld daran sind kaum die zu hohen Zinsen. Dank EZB-Kaufprogrammen und Niedrigzinspolitik sind sie extrem niedrig. So sank der Anteil am des BIP, den Italien zur Zinszahlung aufwenden muss in den letzten Jahren kontinuierlich. Noch 1996 lag er bei 10%, 2003 bei 5% und inzwischen lediglich bei 2,8%. Grund für den negativen Schneeballeffekt war vielmehr das extrem schwache Wachstum Italiens. So lag das Produktivitäts- und das Potenzialwachstum in Italien in den letzten Jahren deutlich unter dem Währungsunionsdurchschnitt und unter dem von Spanien, das mühsame Strukturreformen durchgeführt hatten.

Besser wird es nicht. Die bislang immer weiter gefallenen Marktzinsen haben seit Sommer gedreht. Gelingt es der italienischen Regierung nicht die Finanzmärkte zu beruhigen, sodass sich die Risikoaufschläge für italienische Anleihen zurückgehen, werden auch die durchschnittlichen Kuponzahlungen bald wieder anziehen. Unseren Simulationen zufolge kann die italienische Schuldenquote bei 130% des BIP konstant gehalten werden, wenn der Durchschnittszins und das nominale Wachstum 2% betragen. Steigt allerdings der Zinssatz auf durchschnittlich 4% an, müsste bereits ein Primärüberschuss im Staatshaushalt von auf Dauer 2,5% erwirtschaftet werden. Ökonomisch möglich ist das, politisch dürfte es aber vor allem für populistische Regierungen zunehmend schwierig werden.

Wir halten eine begrenzte fiskalpolitische Stimulierung der italienischen Wirtschaft nicht per se für problematisch. Sie sollte allerdings innerhalb der europäischen Regeln und investiven statt konsumtiven Charakter haben, somit das Wachstumspotenzial fördern. Die bisherigen Ankündigungen der italienischen Regierung machen wenig Hoffnung, zumindest das Überraschungspotenzial ist damit klar auf der positiven Seite.

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