Covid-19 hat fast in jeder Hinsicht verändert, wie die Welt funktioniert. Regierungen bezahlen Menschen, um zu Hause zu bleiben. Vermieter fordern die Mieter auf, zuerst Mietgelder zu verwenden, um andere Rechnungen zu begleichen. Und Texas sagt dem Öltitan Saudi-Arabien: "Egal, wenn ihr eure Produktion nicht drosselt, werden wir es eben tun."
Nach 40 Jahren in denen sie forderten, dass die Saudis und die Organisation der erdölexportierenden Länder ihre Ölhähne jederzeit voll aufgedreht lassen und so viel Rohöl wie möglich pumpen, bitten die Vereinigten Staaten Riad und die OPEC nun, das Gegenteil zu tun. Wenn nicht, sind sie bereit, ihre eigenen Ölfelder zu schließen.
An der Spitze der amerikanischen Initiative steht niemand anderes als Texas, der US-Bundesstaat, mit der größten Menge an Kohlenwasserstoffproduktion und -reserven.
Pioneer Natural Resources (NYSE:PXD) und Parsley Energy (NYSE:PE) - zwei der führenden Rohölproduzenten in Texas - bitten die Aufsichtsbehörden im Bundesstaat um ein Notfalltreffen, um Förderbeschränkungen zu beraten, da ein zusammenbrechender Ölmarkt einen Großteil der Industrie mit in den Abgrund zu reißen droht.
In einem fünfseitigen Brief, der von den Geschäftsführern beider Unternehmen unterzeichnet und mit Bloomberg News geteilt wurde, hieß es, die Unternehmen hätten spätestens am 13. April ein virtuelles Treffen mit der dreiköpfigen texanischen Eisenbahnkommission (Texas Railroad Commission, TRC) angeregt. Ryan Sitton, einer der TRC-Kommissare, sagte am Montag, die Regulierungsbehörde werde bei ihrer nächsten Sitzung die Beschränkungen der Ölförderung erörtern.
Die TRC und Sitton sind in letzter Zeit in den Nachrichten, seit das Wall Street Journal erstmals berichtete, dass Texas plant, Ölquoten für seine Produzenten festzulegen. Wenn ja, wäre es die erste Beschränkung, die der Bundesstaat seinen Ölfirmen seit den 1970er Jahren auferlegt. Damals löste die Überproduktion durch Texas das berüchtigte arabische Ölembargo aus.
In einem Artikel im Journal vom 19. März hieß es, mehrere Führungskräfte der Ölindustrie in Texas hätten sich an die TRC gewandt, um in den aktuellen Markt einzugreifen. Immerhin war Texas die ursprüngliche Inspiration für das Modell der OPEC, die globalen Ölpreise durch Produktionskontrollen zu beeinflussen.
Auslöser für Beschränkungen?
Aber schon vor dem Journal-Bericht gab es seit Februar Aufsehen über eine Bloomberg-Story über einen von Sitton erstellten Bericht zum Abfackeln von Erdgas, der als Katalysator für die Kommission dienen könnte, die Branche in die Schranken zu weisen.
Gas ist ein Nebenprodukt der Rohölproduktion und sein Abfackeln ist zu einer der schlimmsten Nebenwirkungen des Schieferölbooms in Texas geworden.
Wie Bloomberg in seinem Interview mit Sitton notierte, werden riesige Mengen an Gas aus Ölquellen im Permischen Becken abgefackelt, weil es keine Pipelines für den Abtransport gibt. Während der Druck zur Eindämmung der Praxis zunimmt, bedeutet eine Angebotsschwemme, niedrige US-Gaspreise und die Entfernung zu Schlüsselmärkten für Heizbrennstoffe bedeutet, dass das Nebenprodukt der Rohölproduktion für Entdecker im Staat wenig Wert hat.
Sitton ging am 20. März noch einen Schritt weiter, hielt eine Telefonkonferenz mit OPEC-Generalsekretär Mohammed Barkindo ab und twitterte jubelnd danach, dass er zum nächsten Treffen des Kartells im Juni eingeladen worden sei. "Wir sind uns alle einig, dass ein internationales Abkommen getroffen werden muss, um die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten, wenn wir uns von COVID-19 erholen", fügte er hinzu.
Drei Vorstöße
Das alles ist Geschichte. Jetzt zur Gegenwart: Der ursprüngliche Antrag auf TRC-Intervention war der erste Vorstoß in Texas die Produktion zu senken. Sittons Anruf bei Barkindo war der zweite. Der gemeinsame Brief von Pioneer und Parsley an die TRC und das bevorstehende Treffen der Regulierungsbehörde zur formellen Erörterung der Angelegenheit werden der dritte sein.
Es bestehen jedoch Zweifel, ob Texas der Aufgabe gewachsen ist, die nächste OPEC zu werden.
Am selben Nachmittag, an dem Sitton aufgeregt über seinen Anruf bei Barkindo twitterte und im Juni - sofern Covid es zulässt - nach Wien fliegen wird, um das Kartell zu treffen, goss der TRC-Vorsitzender Wayne Christian kaltes Wasser auf die Pläne für die Kommission, Polizei für Ölquoten zu spielen. Er sagte in einer Erklärung:
"Während ich offen bin für alle Ideen zum Schutz des Wirtschaftswunders in Texas, habe ich als konservativer Vertreter des freien Marktes eine Reihe von Vorbehalten gegen diesen Ansatz."
"Erstens arbeitet Texas nicht im luftleeren Raum", sagte er. "Wenn wir unser Öl rationieren, gibt es keine Garantie dafür, dass andere Nationen oder sogar Staaten diesem Beispiel folgen. Aus praktischer Sicht hat die Eisenbahnkommission seit über vierzig Jahren kein Öl rationiert. Wir haben keine Mitarbeiter in der Agentur, die Erfahrung mit diesem Prozess haben und unsere IT-Fähigkeiten zur Abwicklung dieses Prozesses sind bestenfalls begrenzt."
Genau wie Christian teilen nicht alle die Begeisterung, die Pioneer, Parsley und Sitton für Kürzungen haben. Der Branchenverband American Petroleum Institute hat den Plan kritisiert, während Mike Wirth, CEO des Ölriesen Chevron (NYSE:CVX), eine Zusammenarbeit rundweg abgelehnt hat: "US-Unternehmen können sich nicht auf Kürzungen der Ölproduktion abstimmen", sagte Wirth.
Aber welche Wahl haben US-Produzenten? Die Ölsorte West Texas Intermediate fiel am Montag auf ein 18-Jahrestief von 19,27 USD, als sich die Nachfragezerstörung durch COVID-19 mit dem Produktions- und Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland zu einem perfekten Sturm für US-Ölproduzenten verbinden.
Goldman Sachs (NYSE:GS) schätzt, dass die Rohölnachfrage in dieser Woche 26 Millionen Fass am Tag oder 25% unter der Norm liegen wird.
Von NOPEC zu "Ja, OPEC!"
Vor etwas mehr als einem Jahr spielte der US-Kongress noch mit zwei Gesetzesvorlagen, die jede Art von Mengenbegrenzungen bei Öl - einschließlich der jetzt von Pioneer, Parsley und Sitton geplanten - illegal gemacht hätten.
Der No Oil Producing and Exporting Cartels Act (NOPEC) wurde ausgearbeitet, um die OPEC wegen ihrer Aktivitäten zu verklagen, während der DASKA (Defending American Security From Kremlin Aggression Act) die Russen von ähnlichen Maßnahmen abhalten sollte. Beide Gesetzentwürfe wurden auf dem Höhepunkt der Marktschwankungen von 2018 ausgearbeitet, als Präsident Donald Trump bestrebt war, die US-Tankstellenpreise vor den Zwischenwahlen im November im Zaum zu halten.
Aber jetzt, sagen Analysten, wenn WTI bis zum Jahresende nicht auf 40 US-Dollar ankommt - und viele glauben nicht, dass dies der Fall sein wird - könnten 30% oder mehr der US-Ölfirmen zusammenbrechen, trotz aller Kürzungen bei den Investitionsausgaben, Exploration oder Produktion.
Die einzige Erlösung für die Bohrfirmen von Texas bis North Dakota könnte von einem Rückgang der saudischen Produktion kommen. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint das Königreich bereit zu sein, seine Produktion in den kommenden Wochen um satte 30% zu steigern, um bis Ende April einen Rekordwert von 12,3 Millionen Fass am Tag zu erreichen. Es hat auch die Vorstöße der Trump-Administration zurückgewiesen, seine Meinung zu ändern.
Tatsächlich wird jeder, der den saudi-russischen Kampf um Marktanteile versteht, wissen, dass beide die US-Ölfirmen dezimieren wollen, die in den letzten drei Jahren 4 Millionen Fass Rohöl pro Tag an Kapazität hinzugefügt haben, um die USA mit einer Förderung von 13 Mio Fass am Tag zum weltweit führende Produzenten.
In der gleichen Zeit setzte Riad im Rahmen der OPEC+-Initiative fleißig Produktionskürzungen durch, während der Kreml bei seinen Verpflichtungen schwänzte. Jetzt wird ernst gemacht und nichts anderes als ein KO - mit US-Bohrfirmen auf der Matte und den Saudis mit ausgestreckten Armen über ihnen - wird genügen.
Niemand kommt unbeschadet davon
Dies bedeutet nicht, dass die Saudis und Russen nicht durch die Apokalypse am Ölmarkt und ihre Aktionen, die dazu beigetragen haben, geschädigt werden. Riad, das für ein ausgeglichenes Budget einen Ölpreis in Höhe von 80 US-Dollar benötigt, will die Investitionen des staatlichen Ölgiganten Saudi Aramco (SE:2222) gegenüber den 32,8 Milliarden US-Dollar in 2019 um bis zu 25% senken.
Moskaus eigener Ölriese Rosneft (MCX:ROSN) verkauft inzwischen einige Vermögenswerte, um seine Finanzen zu sichern. Es wird auch erwartet, dass Russland unter einem Einbruch der Nachfrage nach seiner Uralsorte leidet, einer schweren Rohölmischung aus dem Ural, Westsibirien und Povolzhye, mit der die Herstellung von Benzin teurer ist als mit Brent.
Solche Probleme könnten letztendlich die beiden Riesen dazu zwingen, dem gesunden Menschenverstand nachzugeben und die Produktion zumindest etwas zu reduzieren.
"Es wird keine klaren Gewinner geben. Im Moment ist jeder für sich und Angebotsreduzierungen werden durch die Preise erfolgen", sagte Olivier Jakob von der Schweizer Ölrisikoberatung Petromatrix.
Energy Intelligence, ein in New York ansässiges Beratungsunternehmen, stimmt dem zu und sagt: "Die Fundamentaldaten beim Öl, die destabilisierten Finanzmärkte und die Aussicht auf eine tiefe Rezession treiben die Teilnehmer unausweichlich zu einem Management des Marktes zurück."
Also eine OPEC 2.0 in Houston? Das dürfte interessant werden.