Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0916 (05:04 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0901 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 134,67. In der Folge notiert EUR-JPY bei 147,00. EUR-CHF oszilliert bei 0,9746.
Märkte unter leichtem Druck, USD gewinnt Boden
Die Finanzmärkte bleiben nervös. Gestern nahm die Risikoaversion in überschaubarem Maße zu. Aktienmärkte standen unter leichtem Druck. Rentenmärkte profitierten von dieser Entwicklung. Der USD konnte Boden gutmachen.
Neue Sorgen kamen von der US-Regionalbankfront nach Verlautbarungen von PacWest, dass die Einlagen Anfang Mai um 9,5% sanken. Aber auch die Entwicklung der US-Arbeitslosenerstanträge, die auf dem höchsten Niveau seit Januar 2022 liegen (siehe Datenpotpourri) und die Fissuren am US-Arbeitsmarkt andeuten, sorgten für Risikoaversion. Das Thema US-Schuldenlimit wirkte zunächst belastend, dann jedoch entlastend dank Hoffnungswerten auf eine Lösung.
Westliche Finanzmarktteilnehmer sind weiter nicht bereit, die Divergenz der wirtschaftlichen Entwicklung zu Lasten des Westens und insbesondere zu Gunsten Asiens ex Taiwan zu diskontieren. Diese Divergenz ist nicht nur Realität in der Konjunkturentwicklung, sondern sie ist ebenso im Sektor der Strukturdaten (Aristoteles) zu Lasten des Westens augenfällig. Diskontieren unsere Märkte zukünftige "Cash-Flows" oder agieren "politisch korrekt"?
Am Kapitalmarkt kam es zu weiteren Renditerückgängen. 10 jährige Bundesanleihen rentieren heute früh mit 2,22% (Tief gestern 2,18%) nach 2,29% am Vortag. 10 jährige US-Staatsanleihen werfen aktuell eine Rendite in Höhe von 3,37% ab. Gestern lag die Eröffnung bei 3,44%. Das gestrige Renditetief wurde bei 3,35% markiert.
Der USD konnte gestern gegenüber dem EUR an Boden gewinnen. Zutiefst wurde EUR/USD bei 1,0901 gehandelt. Hoffnungen auf eine Lösung des US-Schuldendilemmas mögen dabei negative Aspekte von der Wirtschaftsdatenfront als auch dem Regionalbankenthema überlagert haben. Die edlen Metalle kamen als Konsequenz des USD-Appetits an den Devisenmärkten unter Verkaufsdruck. Das galt allen voran für Silber mit einem Einbruch um gut 5%. Gold verlor dagegen gegenüber dem USD "nur" 1%.
Deutschland: Investitionsdilemma
Laut einer Studie von Ernst & Young ist die Zahl ausländischer Investitionsvorhaben per 2022 gegenüber 2021 um 1% gesunken und liegt jetzt auf dem Niveau von 2013. Seit 2017 kommt es kontinuierlich zu Rückgängen.
Ernst & Young führt die Entwicklung auf einen Verlust an Attraktivität auf der Kostenseite zurück, vor allen Dingen für Industrieunternehmen. Aber auch bei Forschung, Entwicklung und digitalen Innovationen seien andere Standorte besser aufgestellt. Auch belaste die Bürokratie. In der Europa-Studie war Frankreich Spitzenreiter. Frankreich hat sich latent reformiert (Umfang circa 1% des BIP nach Defizitkrise, Analogie zu Schröder Reformen). Die Zahl der Investitionsvorhaben legte in Frankreich per 2022 um 3% und per 2021 um 24% zu.
Kommentar: Wir haben in diesem Report und anderen öffentlichen Auftritten seit Jahren auf den Zusammenhang Strukturreformen (Aristoteles), Investitionen, Kapitalstock und Zukunftsfähigkeit verwiesen. Die deutsche Politik handelte diesbezüglich umfassend ignorant. Diese Verweise, diese Darstellungen der Zusammenhänge waren und sind Mahnungen als auch Angebote für eine verantwortungsvolle und auf die Zukunft ausgerichtete Steuerung dieses Landes, um Zukunftsfähigkeit zu erlangen. Die verfügbaren Zahlen sind harte Fakten des "normativ Faktischen" und sprechen für sich selbst. Sie sind wie ein Schulzeugnis ...
Deutschland: Steuerernüchterung
Die jüngste Steuerschätzung für die Jahre 2023 -2027 liefert herbe Einschnitte. Gegenüber der Schätzung aus dem letzten Herbst wird mit 148,7 Mrd. weniger Staatseinnahmen gerechnet. Laut Finanzminister Lindner läge das maßgeblich daran, dass der Staat den Bürgern und Betrieben jährlich 34 Mrd. EUR zurückgäbe (Inflationsausgleichsgesetz, Jahressteuergesetz).
Kommentar: Die Einlassungen Lindners belegen, dass die Steuerschätzung maßgeblich veränderte Gesetzgebung, aber nicht das Investitionsdilemma und das Standortdilemma diskontieren. Das Risiko ist erheblich, dass zukünftige Steuerschätzungen vor diesem Hintergrund negatives Überraschungspotential bergen. Das sind die potentiellen Folgen, wenn man "Aristoteles" ignoriert!
Schuldenlimit: Gespräche auf nächste Woche vertagt
Wenige Wochen vor einem drohenden Zahlungsausfall der USA sind die Gespräche der Demokraten und Republikaner über die Anhebung des Schuldenlimits vertagt worden. US-Präsident Biden und der Präsident des US-Repräsentantenhauses McCarthy, wollen sich Anfang kommender erneut treffen. Im Hintergrund laufen die Gespräche laut Insidern auf vollen Touren. Die Republikaner wollen elementaren Forderungen unter anderem in der Haushaltskonsolidierung und in der Energiepolitik mit einer Einigung rechtlich verankern.
Der Streit zwischen Republikanern und Demokraten über eine Anhebung des Schuldenlimits in den USA stellt ein Risiko für die US-Wirtschaft, aber auch die Weltwirtschaft dar. US-Präsident Biden warnte vor einer US-Rezession, sofern es keine Einigung gäbe.
Kommentar: Das Thema Erhöhung des Schuldenlimits ist grundsätzlich problematischer als in der Vergangenheit. Das hat maßgeblich damit zu tun, dass die Wahl des republikanischen Kongressführers McCarthy nach den "Midterm Elections" nur ermöglicht wurde, weil im Vorwege seiner Wahl innerparteilich thematische Zugeständnisse gemacht wurden, die jetzt auf dem Forderungskatalog der Republikaner stehen.
Die aktuelle Intensität der Gespräche impliziert, dass auf Sachebene Fortschritte erzielt werden. Diese Entwicklung hatte gestern zum Ende der Börsensitzung unterstützend gewirkt.
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Eurozone: CPI-Daten zweiter Reihe ohne Einfluss
Irland: Die Verbraucherpreise nahmen per Berichtsmonat April im Jahresvergleich um 7,2% nach zuvor 7,7% zu. Es war der geringste Anstieg seit April 2022. Portugal: Die Verbraucherpreise legten per Berichtsmonat April im Jahresvergleich um 5,7% nach zuvor 7,4% zu. Es war der geringste Anstieg seit März 2022.
UK: Leitzinserhöhung um 0,25%
Erwartungsgemäß erhöhte das MPC der Bank of England den Leitzins um 0,25% auf 4,50%. Sieben der neun Mitglieder stimmten für den Zinsschritt, Zwei Mitglieder votierten für die Beibehaltung des Satzes von 4,25% analog zur vorherigen Sitzung. Die Tendenz geht in Richtung weiterer Zinserhöhungen (Analogie zu EZB).
USA: Arbeitslosenerstanträge auf Höchststand seit 01/2022
Die Erzeugerpreise stiegen per Berichtsmonat April im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%) nach zuvor -0,4 (revidiert von -0,5%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 2,3% (Prognose 2,4%) nach zuvor 2,7%. Es war der geringste Anstieg seit Januar 2022.
Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich in der Berichtswoche per 6. Mai 2023 auf 264.000 (Prognose 245.000) nach zuvor 242.000. Es war der höchste Wochenwert seit Januar 2022.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0700 – 1.0730 negiert dieses Szenario.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe
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