Die USA haben seit Beginn des Krieges mit Russland vor drei Jahren mehr als 120 Mrd. USD in die Ukraine investiert. Doch mit der neuen Regierung in Washington kommt diese Unterstützung nun zum Stillstand.
Das Weiße Haus kündigte diese Woche an, dass weitere Militärhilfen vorerst ausgesetzt werden. Präsident Donald Trump will erst prüfen, ob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich ernsthaft um Friedensverhandlungen mit Russland bemüht.
Diese Entscheidung setzt die Ukraine unter erheblichen Druck. Westliche Offizielle gehen davon aus, dass das Land ohne zusätzliche US-Hilfen noch bis Mitte 2025 über genügend Waffen verfügt, um das derzeitige Tempo der Kämpfe aufrechtzuerhalten.
Als Reaktion darauf treffen die europäischen Staats- und Regierungschefs entschlossene Maßnahmen. Sie treiben eine beispiellose Welle von Militärausgaben voran – eine Entwicklung, die bereits spürbare Auswirkungen auf die globalen Märkte hat.
Deutschland übernimmt die Führung bei der Erhöhung der Militärausgaben
Als größte Volkswirtschaft Europas steht Deutschland an vorderster Front der Bemühungen, die Militärausgaben aufzustocken. Bundeskanzler Friedrich Merz hat bekräftigt, dass seine Regierung „alles tun wird, was nötig ist“, um die Ukraine zu unterstützen. Er hat sogar angekündigt, das Grundgesetz zu ändern, um die Verteidigungsausgaben von den strengen Haushaltsregeln des Landes auszunehmen.
Die Märkte haben positiv auf diese Entwicklung reagiert. Deutsche Aktien legen zu: Der DAX Index ist seit Jahresbeginn um mehr als 22 % gestiegen, während der S&P 500 einen Rückgang von über 2 % verzeichnete.
Auch der Euro hat sich von seinen jüngsten Tiefstständen erholt und seine Verluste seit den US-Präsidentschaftswahlen im November wettgemacht.
EU stellt 840-Mrd.-USD-Plan zur Stärkung der Verteidigung vor
Auch andere europäische Länder verstärken ihre militärischen Bemühungen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte am Mittwoch in einer Fernsehansprache eindringlich, dass Europa bereit sein müsse, die Ukraine auch ohne Unterstützung der USA zu verteidigen. Er machte deutlich, dass ein Nachgeben gegenüber Russland nur dessen Aggression befeuern würde:
"Wer kann glauben, dass Russland vor der Ukraine Halt macht? Russland ist zu einer Bedrohung für Frankreich und Europa geworden – und wird es auch bleiben."
Die tschechische Regierung kündigte unterdessen an, ihren Verteidigungshaushalt bis 2030 von derzeit 2 % auf 3 % des BIP zu erhöhen.
Als Reaktion darauf präsentierte Brüssel einen beispiellosen 840-Mrd.-USD-Plan, um die militärische Bereitschaft auf dem gesamten Kontinent zu stärken. Die Europäische Kommission legte in dieser Woche einen Rahmen fest, um Ressourcen in einem noch nie dagewesenen Umfang zu mobilisieren.
Der Großteil der Mittel soll aus direkten nationalen Ausgaben stammen, da sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf verständigt haben, die Haushaltsregeln zur Begrenzung der Staatsdefizite vorübergehend auszusetzen. Zudem werden zusätzliche Gelder in Form von Darlehen bereitgestellt, um Länder bei der Modernisierung ihrer Verteidigungsindustrie zu unterstützen.
Eine Analyse der europäischen Forschungsinstitute Bruegel und Kiel schätzt, dass Europa für eine wirklich unabhängige Abschreckung gegenüber Russland jährlich mindestens 250 Mrd. USD in die Verteidigung investieren müsste. Dies würde den Einsatz Zehntausender zusätzlicher Soldaten, die Anschaffung Tausender neuer Panzer und Schützenpanzer sowie eine massive Ausweitung der Produktion von Langstreckendrohnen und anderen modernen Militärtechnologien erfordern.
Europäische Rüstungshersteller verzeichnen Rekordgewinne
Diese Welle an Verteidigungsausgaben hat eine starke Rallye bei europäischen Rüstungsaktien ausgelöst, da Investoren auf eine anhaltend hohe Nachfrage nach militärischer Ausrüstung setzen.
Rüstungsunternehmen zählen in diesem Jahr zu den Top-Performern an den globalen Aktienmärkten. Die Aktien des italienischen Leonardo SpA (BIT:LDOF) und des französischen Thales (EPA:TCFP) sind um 85 % gestiegen, während die britische BAE Systems PLC (LON:BAES) ein Plus von fast 50 % verzeichnete.
Die deutsche Rheinmetall AG (ETR:RHMG), ein führender Hersteller gepanzerter Fahrzeuge und Artilleriesysteme, hatte ihren Wert bis Donnerstag mehr als verdoppelt. Am Freitag gab die Aktie jedoch nach, nachdem Berichte auftauchten, dass Russlands Präsident Wladimir Putin möglicherweise zu einem Waffenstillstand bereit sei.
Russlands militärische Verluste steigen
Europas militärische Aufrüstung erfolgt zu einer Zeit, in der Russlands Fähigkeit, sich langfristig im Krieg zu behaupten, zunehmend in Frage gestellt wird. Während Moskau im Bereich der nuklearen Abschreckung weiterhin einen strategischen Vorteil hat – mit geschätzten 5.580 nuklearen Sprengköpfen, mehr als jedes andere Land – haben seine konventionellen Streitkräfte erhebliche Verluste erlitten.
Auch wirtschaftlich steht Russland vor großen Herausforderungen. Mit einem BIP von rund 2 Bio. USD ist die russische Wirtschaft im Vergleich zur EU, deren Gesamtwirtschaftsleistung auf 20 Bio. USD geschätzt wird, nur ein Bruchteil davon. Ebenso fällt die russische Bevölkerung von etwa 145 Millionen Menschen deutlich hinter die 450 Millionen Einwohner der EU zurück.
Zudem hat das Land seit 2022 eine massive Abwanderung erlebt: Hunderttausende von Russen sind geflohen – die größte Emigrationswelle seit der bolschewistischen Revolution. Dies verschärft den ohnehin angespannten Arbeitskräftemangel und belastet die wirtschaftliche und militärische Leistungsfähigkeit weiter.
Auf dem Schlachtfeld hat Russland nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums schätzungsweise über 875.000 Soldaten verloren. Diese hohen Verluste, kombiniert mit den anhaltenden westlichen Sanktionen, haben Russlands langfristige militärische Position möglicherweise verwundbarer gemacht, als es auf den ersten Blick erscheint.
China erhöht Verteidigungsausgaben angesichts wachsender Spannungen im Pazifik
Das Wettrüsten beschränkt sich nicht nur auf den Westen. China hat angekündigt, seine Militärausgaben in diesem Jahr um 7,2 % zu steigern, um seine militärische Präsenz und seinen Einfluss im pazifischen Raum weiter auszubauen.
Unterdessen steht Taiwan unter wachsendem Druck, seinen Verteidigungshaushalt weiter zu erhöhen, um einer möglichen Invasion durch Peking entgegenzuwirken. Auch Japan sieht sich verstärktem internationalen Druck ausgesetzt, mehr in seine Verteidigung zu investieren. Die japanische Regierung betont jedoch, dass sie sich von ausländischen Regierungen keine Vorgaben zu ihrem Verteidigungsetat machen lassen wird.
Investoren verfolgen die Entwicklungen genau
Mit Washingtons wachsendem innenpolitischen Fokus verändert sich die globale Sicherheitsordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg bestand. Europa steht nun vor der Herausforderung, mehr Verantwortung für die eigene Verteidigung zu übernehmen.
Die Auswirkungen dieses Wandels sind bereits an den Finanzmärkten spürbar, wie ich bereits dargelegt habe. Für Investoren ist dies meiner Einschätzung nach kein kurzfristiger Trend, sondern eine grundlegende Neuordnung der globalen Verteidigungslandschaft.
Wie die Geschichte zeigt, folgt der Markt, wenn Staaten ihre Militärausgaben priorisieren – ein Muster, das sich auch in der aktuellen Entwicklung widerspiegelt.