Nun ist es also passiert – Griechenland ist pleite. So sieht es zumindest der europäische Rettungsschirm (EFSF), der am vergangenen Freitag formell den Zahlungsausfall Griechenlands festgestellt hat. Griechenland hätte bis zum vergangenen Dienstag, den 30. Juni, einen Kredit in Höhe von 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen müssen, tat dies aber nicht.
Griechenland und IWF – neuer Eintrag in die Geschichtsbücher
Dass ein entwickeltes Land seine Kredite beim Internationalen Währungsfonds nicht bedient, ist in der 70-jährigen Geschichte des IWF noch nie vorgekommen. Und Athen steht noch mit mehr als 30 Milliarden Euro beim IWF in der Kreide, was auch für diese Institution und das internationale Finanzsystem keine Peanuts sind. Bisher musste der Fonds lediglich kleinere Summen abschreiben, als zum Beispiel Länder wie Somalia oder Simbabwe (2001) ihren Schuldendienst einstellten. Milliardenbeträge hingegen blieben bislang noch nie unbezahlt.
Griechenland könnte nun im Extremfall seine Mitgliedschaft im IWF verlieren. Zunächst wird aber eigentlich erst eine Mahnung bzw. Zahlungserinnerung verschickt, denn formell ist Griechenland bislang „nur“ in Zahlungsverzug geraten. Da die Athener Regierung aber vor dem 30. Juni bereits einen Antrag auf nochmalige Verschiebung der Zahlungsfrist gestellt hatte, muss darüber im IWF zunächst entschieden werden.
IWF und EFSF können keine Hilfsgelder mehr auszahlen
Zudem lief ebenfalls am 30. Juni um Mitternacht das zweite Hilfsprogramm für Griechenland aus, weil sich Gläubiger und Schuldner nicht einigen konnten. Damit dürfen inzwischen weder der IWF noch der Rettungsschirm EFSF weitere Hilfsgelder auszahlen. Dabei wären noch knapp 19 Milliarden Dollar eines bis März 2016 laufenden IWF-Hilfsprogramms „in der Pipeline“, die in den kommenden Monaten zur Auszahlung anstünden. Wie der EFSF am Freitag in Luxemburg mitteilte, verlangt er auf Vorschlag seines Chefs Klaus Regling jedoch nicht die unmittelbare Rückzahlung der bereits gewährten Hilfskredite. Diese könnte Griechenland aber sowieso nicht leisten, denn das Land steht beim EFSF mit 145 Milliarden Euro in der Kreide.
Wie es nun weitergeht, ist völlig offen
Dass es zu dieser Situation kommen könnte, darauf hatten wir Sie hier an dieser Stelle mehrfach hingewiesen (siehe zum Beispiel „Graccident noch an diesem Wochenende?“ oder „Griechenlands Schuldenkrise – „Graccident‘‘ spätestens am Dienstag?“). Völlig unklar ist, wie es nun weiter geht. Fakt ist lediglich, dass die Griechen am heutigen Sonntag über ihr eigenes Schicksal bestimmen dürfen. Es wird ein Referendum abgehalten in dem es darum geht, ob die Athener Regierung das zuletzt von den Geldgebern gemachte Angebot über neue Milliardenhilfen gegen Spar- und Reformauflagen annehmen soll - oder eben nicht. Das Kuriose daran ist, dass dieses Angebot seit dem Ablauf des 30. Juni eigentlich gar nicht mehr gilt. Vom Ausgang des Referendums werden die weiteren Schritte abhängen. In Umfragen ließen sich im Vorfeld jedoch keine klaren Tendenzen ausmachen. Bis 19 Uhr griechischer Zeit (18 Uhr in Deutschland) wird abgestimmt, die erste offizielle Prognose soll circa zwei Stunden später veröffentlicht werden.
Börsen dürften relativ gelassen bleiben
Abgesehen von einem größeren Kursrutsch am Montag der vergangenen Woche blieben die Börsen bislang relativ gelassen. Auch am morgigen Montag könnte es wieder eine stärkere Kursbewegung geben, abhängig vom Ausgang der Abstimmung in Griechenland. Doch auch dieses Mal erwarten wir keine weitergehenden Auswirkungen an den Finanzmärkten. Einerseits ist eben nicht klar, wie es mit Griechenland weitergeht, egal wie das Abstimmungsergebnis lautet, andererseits dürften die realwirtschaftlichen Auswirkungen überschaubar sein.
Es wurde Zeit erkauft und genutzt
Staaten, Banken und Unternehmen hatten genug Zeit, um sich auf die Situation vorzubereiten. Die griechische Wirtschaft macht lediglich rund 2 % der europäischen aus und der Anteil der Exporte nach Griechenland an den Gesamtexporten beträgt in keinem Euroland, abgesehen von Zypern, mehr als 0,5 %. Die Kreditverflechtungen wurden mittlerweile deutlich verringert und die Bankenstresstests haben zu einer gestärkten Eigenkapitalbasis bei den Geldhäusern geführt. In vielen ehemaligen Krisenstaaten bessert sich die wirtschaftliche Lage zusehends. Durch die harte Verhandlungshaltung dürften gegebenenfalls die Wähler in anderen Ländern sehr genau überlegen, wie sie bei der nächsten Wahl (Spanien, Portugal) abstimmen. Sicherlich wollen sie nicht das Schicksal der Griechen teilen, vor allem wenn es zum Grexit kommt. Die Ansteckungsgefahren könnten also gebannt sein. Und letztlich haben wir ja noch die EZB, die kurzfristig intervenieren kann.
Im Grunde könnte man sagen, dass in den vergangenen 5 Jahren auch viel richtig gemacht wurde. Durch Rettungsmaßnahmen wurde Zeit erkauft und diese mehr oder weniger sinnvoll genutzt.
Griechenland zwingt weiterhin zum Stillstand
Damit hat sich zwar in den vergangenen Tagen einiges getan, für die Finanzmärkte ist die Situation aber nahezu unverändert: positive und negative Meldungen zu Griechenland werden die Kurse noch eine Weile in die eine oder andere Richtung treiben, übergeordnet dürften die Kurse aber möglicherweise in einer Seitwärtstendenz bzw. Wartestellung bleiben. Und so dürfte der Frust bei vielen Anlegern weiter zunehmen, weil die ausbleibende endgültige Lösung bzw. die ungewisse Zukunft zum Stillstand zwingt.
Hoffen auf Klarheit
Bereits in den Sonntagsausgaben der vergangenen beiden Wochen schrieben wir: „Neben einigen stärkeren Kursbewegungen hat sich an der Gesamtsituation in dieser Woche nichts geändert. […] Wir brauchen also dringend neue Impulse, damit sich an den Märkten, außer einem teilweise wilden Hin und Her, endlich wieder neue Trends etablieren.“ In der Ausgabe vor einer Woche hieß es zudem: „Hoffen wir, dass es bis Dienstag eine für alle ökonomisch sinnvolle Lösung gibt und die Kurse dann endlich wieder steigen – oder fallen – Hauptsache es gibt wieder handelbare Trends.“ Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Und so geht das Warten leider weiter.
Fazit
Eine schnelle Lösung wird es in keinem Fall geben. Wenn die Griechen mit „Ja“ stimmen, dann wird die aktuelle Regierung, glaubt man ihren Aussagen, zurücktreten. Neuwahlen könnten dann anstehen. Dann müssten mit der neuen Regierung die Verhandlungen aufgenommen werden. Anschließend müssten Reformen umgesetzt und Gesetze verabschiedet werden, und letztlich könnten dann neue Hilfsgelder fließen. Lautet die Antwort der Griechen „Nein“, dann muss Griechenland sehr wahrscheinlich eine neue, eigene Währung einführen. Man hat aber bislang nicht den Eindruck gewinnen können, als sei die aktuelle Regierung dazu in der Lage. In den sechs Monaten ihrer Amtszeit wurde wenig umgesetzt. Entsprechend dürfte es auch hier schleppend vorwärts gehen.
Und Entsprechend bleibt auch das Fazit unverändert: „Jegliche Kursbewegungen, die wir in dieser Woche gesehen haben, und alle Prognosen, die man daraus ableiten könnte, wären schon wieder Makulatur, wenn sich […] gravierende Änderungen im Schuldenstreit ergeben würden. Entsprechend muss man derzeit einfach sehr defensiv agieren.“
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage
Sven Weisenhaus
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 05.07.2015)