Kommentar Markus Thöny, Head of Swiss Fixed Income bei Lombard Odier Investment Managers
Die anhaltende Inflation in Verbindung mit Rezessionsängsten hat die Befürchtungen einer globalen Stagflation angefacht. Die Weltwirtschaft sieht sich mit coronabedingten Versorgungsproblemen, einem Krieg in der Ukraine, einhergehend mit der Beeinträchtigung der Weizenproduktion, höheren Lebensmittelpreisen, steigenden Metall- und Rohstoffpreisen und einem Energiepreisschock konfrontiert. Wird dieses Konglomerat an schlechten Nachrichten das Wachstum verringern und eine Stagflation auslösen? Dass die ohnehin schon hohe Inflationsrate weiter zunimmt, lässt sich auch auf zwei Ereignisse zurückführen. Zum einen die Erschütterungen, die durch die Covid-Krise ausgelöst wurden: Sie betrafen in erster Linie die Lieferketten, beinhalteten aber auch eine Steigerung der Nachfrage infolge massiver staatlicher Anreize. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat den Inflationsdruck weiter verschärft und zu höheren Lebensmittel-, Energie- und Rohstoffpreisen geführt, während die Handelssanktionen den anhaltenden Druck auf die Lieferketten verstärken.
Die Schweizer Wirtschaft erwies sich immun gegen den ersten, durch Covid ausgelösten Schock. Beginnt aber nun, dem globalen Muster steigender Preise zu folgen. So steigt die Gesamtinflation des Schweizer Verbraucherpreisindex an. Für SNB-Verhältnisse so hoch, dass die Preise über der Definition der Bank von Preisstabilität liegen.
Krisenwährung Schweizer Franken
Stimmungsschwankungen und Risikoaversion aufgrund geopolitischer Risiken haben zu Käufen von Safe-Haven-Währungen in der Schweiz geführt und den Franken an den Devisenmärkten erheblich gestärkt. Bei einer fortgesetzten Eskalation des Krieges könnte es zu weiteren Käufen des Franken als Safe-Haven-Währung geben. Das zentrale, wahrscheinlichere Szenario ist, dass sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auf lokaler Ebene dauerhaft hinzieht, ohne dass es zu weiteren größeren wirtschaftlichen Störungen auf globaler Ebene kommt. Die Verbindung zwischen dem starken Franken und der Inflation ist signifikant. Ein Großteil der Schweizer Inflation wird importiert, was bedeutet, dass die Aufwertung der Währung die Auswirkungen des weltweiten Preisanstiegs in der Schweiz in den kommenden Monaten mildern dürfte. Die Verhinderung einer Überbewertung des Frankens ist ein zentrales Anliegen der SNB-Politik.
Parität als Wachstumsbremse
Anfang März hat der Schweizer Franken die Parität gegenüber dem Euro durchbrochen. Das dämpft zwar den Inflationsdruck, wirkt sich aber auch auf die Wachstumsaussichten der Schweiz aus. Schließlich veranlasst eine schwankende Währung die Unternehmen, sich bei Investitionen und F&E zurückzuhalten, was wiederum das Wachstum beeinträchtigt. Der Markt ist optimistisch, dass die Zuflüsse in den Franken mit der Dauer des Konflikts abebben werden, was zu der Annahme führen könnte, dass der Bruch der Parität eine einmalige Sache war. Es deuten sich jedoch weitere hohe Bewertungen des Franken an, so dass In Zukunft die Parität durchaus wieder durchbrochen werden dürfte. In Anbetracht der auffälligen Währungsschwankungen ist auch der große Unterschied zwischen dem nominalen und dem realen Wechselkurs zu beachten, wie in Abbildung 1 dargestellt. Der nominale Wechselkurs hat sich erhöht, um die Divergenz der Inflation widerzuspiegeln. Im Gegensatz dazu ist der reale Wechselkurs (der von Inflationsunterschieden unabhängig ist) deutlich stabiler geblieben.
Abbildung 1: Nominaler vs. realer effektiver CHF-Wechselkurs
Wenig wirtschaftliche Verbindungen zu den Konfliktparteien
Die Handelsverflechtungen der Schweizer Wirtschaft mit Russland und der Ukraine könnten durch die derzeitige Krise beeinträchtigt werden. Die potenziellen Auswirkungen dürften, wenn überhaupt, einen langfristigen Effekt haben, da die betroffenen Wirtschaften nicht stark miteinander verwoben sind. Der gesamte Handel mit Russland und der Ukraine macht weniger als 1% des Schweizer BIP aus. Deswegen gehen wir nicht davon aus, dass sich die Handelssanktionen speziell auf die Schweizer Wirtschaft auswirken werden, auch wenn der bereits erwähnte Inflationsdruck durch Rohstoffe und Energie weiter besteht.
SNB hebt Prognosen an
Auf ihrer März-Sitzung beschloss die SNB, im Gegensatz zu EZB und Fed, die expansive Geldpolitik beizubehalten. Gleichzeitig warnt sie vor der anhaltend hohen Bewertung des Frankens und erklärte, sie werde die Entwicklungen an den Hypothekenmärkten weiterhin beobachten.
Dennoch haben sich auch einige Dinge geändert. Erstens toleriert die SNB einen stärkeren nominalen Wechselkurs und scheint weniger an den Devisenmärkten zu intervenieren, um den Franken zu schwächen. Zweitens akzeptiert die SNB derzeit eine Inflation, die über ihrer eigenen Definition der Preisstabilität von 2 % liegt. In der Tat hat die SNB ihre Inflationsprognosen deutlich erhöht und geht davon aus, dass die Inflation in diesem Jahr einen Höchststand von knapp über 2 % erreicht, bevor sie in den Jahren 2023 und 2024 wieder zurückgeht. Die aktuelle Prognose ist etwa dreimal so hoch wie die Vorhersage der Bank vom Juni 2020, die für 2022 einen VPI von 0,2 % vorsah, wie in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: SWISS VPI: aktuell und SNB-Prognose