Nach einer sehr imposanten Erholung in den letzten Wochen droht die Rallye an der Wall Street ins Stocken zu geraten, zumal die Sorgen über den Zustand der Weltwirtschaft weiter um sich greifen.
Bevor wir den Makro-Hintergrund erörtern, werfen wir noch kurz einen Blick auf den Tageschart des S&P 500 Future:
Der US-Leitindex hat seinen langfristigen gleitenden Durchschnitt erreicht, konkret den einfachen 200-Tage-Durchschnitt um 4310. Der gleitende Durchschnitt neigt nach unten, woraus sich ganz objektiv ableiten lässt, dass der langfristige Trend bärisch ist. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Index sich etwas über diese Glättungslinie bewegt, aber ich würde auf eine schnelle Rückkehr darunter oder die Bildung einer klar bearishen Kerze achten.
Neben dem 200-Tage-Durchschnitt verläuft in diesem Dunstkreis auch eine abwärts gerichtete Trendlinie, die auf dem aktuellen Niveau ins Spiel kommt. Darüber hinaus befindet sich auch das 61,8% Fibonacci-Retracement bei 4361 in nicht allzu weiter Entfernung. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Märkte nach einem Top oder einer Bodenbildung ein tiefes Retracement vornehmen. Oftmals reicht die Gegenbewegung bis etwa zum 61,8 oder 78,6 Fib-Level.
Vor dem Hintergrund der nicht so rosigen Konjunkturlage besteht die Gefahr, dass es bei den aktuellen Kursen zu Gewinnmitnahmen auf der Long-Seite kommt, was wiederum zu einer gewissen Schwäche des Index führen könnte. Gleichzeitig nimmt auf diesem Niveau aber auch das Risiko eines aggressiven Verkaufsdrucks zu. Wenn Sie also nicht bereits long sind, würde ich mit Neuengagements in US-Aktien so lange vorsichtig sein, bis wir zumindest eine gewisse Bodenbildung und Konsolidierung sehen.
Obwohl es in dieser Woche nicht besonders viele Daten gab, war der starke Einbruch des Empire State Manufacturing Index, einschließlich des Teilindex für den Auftragseingang, ein deutliches Zeichen der Schwäche. Der Fokus heute liegt auf den US-amerikanischen Einzelhandelsumsätzen. Nicht nur in den USA sind die Anleger über eine Rezession besorgt. Deutschland und andere große Länder der Eurozone stecken mitten in einer Energiekrise. Die Wachstumssorgen in China traten in dieser Woche ebenfalls in den Vordergrund, nachdem am Montag einige enttäuschende Daten zu den Einzelhandelsumsätzen, der Industrieproduktion und den Anlageinvestitionen veröffentlicht wurden.
Nun kann man sich natürlich nie ganz sicher sein, und es lässt sich nur schwer sagen, ob wir uns immer noch in einem Bärenmarkt befinden. Wenn ja, dann entspricht die derzeitige Erholung der großen US-Börsenindizes (rund 20 %) dem Durchschnitt früherer Bärenmarktrallyes. Wenn man sich also an das Drehbuch der Vergangenheit orientiert, dann droht als nächstes eine größere Bewegung nach unten. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass die Abwärtsbewegung zwangsläufig genau hier und jetzt beginnen wird. Aber in Anbetracht der oben genannten Punkte befinden wir uns möglicherweise kurz davor. Noch dazu sind die Bewertungen immer noch nicht niedrig genug, um auf das Ende des Bärenmarktes zu spekulieren, insbesondere angesichts des schwachen makroökonomischen Hintergrunds.
Außerdem hat die Verkleinerung der Fed-Bilanz gerade erst begonnen. Und Stand heute wissen wir, dass die Zinsen in naher Zukunft weiter steigen werden, und zwar nicht nur in den USA. In Großbritannien hat die Inflation heute überraschend um mehr als 10 % zugelegt, was uns daran erinnert, dass es sich hierbei um ein globales Problem handelt. Da die Weltwirtschaft kränkelt und sich fast alle großen Zentralbanken noch immer im Straffungsmodus befinden, herrschen für die Aktienmärkte alles andere als ideale Bedingungen.
Disclaimer: Der Autor ist derzeit in keines der in diesem Artikel erwähnten Instrumente investiert.