Prinzipiell ist die Auffassung, dass es am Finanzmarkt Zufälle gibt, äußerst fragwürdig. Aussagen, wie „Ich wusste nicht“, „Ich konnte nicht“, „Das war anders gemeint“, kommen dann meist von Leuten, die sich an anderer Stelle mit Expertise brüsten. Das beste Beispiel ist mein Artikel vom 06. Juni 2022 (Janet Yellen: „Ich hatte Unrecht“!), wo es um ebensolche Aussagen der nordamerikanischen Finanzministerin geht. Das Rätsel, welchem ich mir heute widme, ist das der vorerst gescheiterten Twitter-Übernahme seitens des Tesla-CEOs, Elon Musk. Meine Mutmaßung ist, dass Elon Musk von vorneherein kein Interesse am Kauf von Twitter (NYSE:TWTR) hatte, sondern ihn andere Motive antrieben.
Es ist international mittlerweile üblich, dass die Vergütung von Vorstandsmitgliedern immer mehr vom Festgehalt abkommt und stattdessen verschiedene Modelle von variabler Vergütung eingesetzt werden. Dabei gibt es etliche Modelle, wie man Vorstände vergütet: Discounted Shares, Phantom Shares Plan, Restricted Stock Options und vieles mehr. Im Gegensatz zum herkömmlichen Festgehalt sind variable Vergütungsmodelle an Ziele oder Konditionen gebunden. Werden diese erfüllt, wird ausgezahlt. Bei der Vergütung mit Unternehmensanteilen setzt man zudem einen weiteren Leistungsanreiz, denn wenn sich das Unternehmen und der Aktienkurs gut entwickelt, bekommt man ja auch mehr Geld.
Variable Vergütung durch Unternehmensanteile wird oftmals auch mit gewissen Strukturen versehen, um noch mehr Performance aus der Arbeit der Vorstandsmitglieder herauszuholen. Dabei ist der Fokus das langfristigere Handeln der Vorstände. Nehmen wir mal ein Beispiel: sogenannte Phantom Shares Plans sind Vergütungsabkommen zwischen Unternehmen und Vorstandsmitglied, wo man ausgehend vom aktuellen Aktienpreis eine gewisse Summe festlegt. Das Vorstandsmitglied bekommt keine Aktien, jedoch wird die Wertentwicklung der festgelegten Summe simuliert. Wenn der Kurs also nach 4 Jahren um 70% gestiegen ist, bekommt das Vorstandsmitglied eben 70% mehr von der festgelegten Summe. Dasselbe funktioniert auch bei normalen Stock Option Plans, bei denen tatsächlich Aktien transferiert werden. Entsprechend legt man in solchen Abkommen auch fest, wie groß der Rahmen der Wertentwicklung ist, was Sperrfristen sind, in denen man diese Vergütung nicht bekommt.
In der Regel dürfen Vorstände in den ersten 3 Jahren nach Amtsantritt keine solchen Optionen einlösen. Einige Unternehmen erfordern erst 3-jährige Amtszeiten, bevor man überhaupt in solche Vergütungsmodelle fällt. Jedenfalls gibt es aber auch eine Frist, bis wann die Vergütung gezahlt wird. Somit kann man diese Aktien, ob nun simuliert oder echt, nicht einfach lebenslänglich halten – auch Elon Musk nicht. Er muss diese Aktien loswerden, denn sonst verfallen sie. Und selbstverständlich wird Elon Musk keine Milliarden in den Sand setzen, sondern seine Aktienvergütung durch den Verkauf einlösen, zumal der Tesla-CEO seit 2018 ohnehin keine feste Vergütung mehr bekommt, sondern nur noch Aktien seines Unternehmens.
Und jetzt versuchen Sie mal ein paar Millionen Aktien als Chef der Firma unter die Leute zu bringen, ohne eine Massenpanik, beziehungsweise Massenverkäufe, zu provozieren. Schwierig. Was aber, wenn die Anleger schon erwarten, dass ein Verkauf kommt und nicht in Panik verfallen? Sie wissen, worauf ich hinaus möchte. Es könnte sein, dass Elon Musk die Twitter-Übernahme als Vorwand genommen hat, um seine Aktien aus seinem Vergütungsplan verkaufen zu können, ohne seine Anleger zu beunruhigen, da diesen ja einleuchten wird, dass er Geld für den Kauf von Twitter braucht. Nach dem Twitter-Deal verkaufte Elon Musk tatsächlich über $8.5 Milliarden an Tesla-Aktien (NASDAQ:TSLA).
Wenn das stimmen sollte, so ergeben auch frühere Großverkäufe Sinn. Am 6. November 2021 hatte Elon Musk auf Twitter seine Follower gefragt, ob er 10% seiner Tesla-Aktien verkaufen sollte. Erwartungsgemäß fiel die Antwort positiv aus. Etwas mehr als einen Monat später, am 28. Dezember, verkaufte Musk dann Tesla-Aktien im Wert von $16.4 Milliarden – mit der Begründung, dass seine Twitter-Fans dies so wollten. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass seine Begründung stimmt. Aber der Schachzug ist genial, denn mit solchen Mitteln reagiert der Kurs nur auf die Masse wieder auf dem Markt erhältlichen Aktien, zieht aber keine Scharen von Panikverkäufen nach sich, da der Verkauf ja antizipiert wurde. Dass beim Twitter-Deal auch nicht alles so ist, wie es scheint, liegt also nahe.
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