Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,1750 (06:23 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1720 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 105,28. In der Folge notiert EUR-JPY bei 123,69. EUR-CHF oszilliert bei 1,0730.
Die Nerven der optimistischen Marktteilnehmer werden zunehmend Stress ausgesetzt. Die normative Kraft des Faktischen beginnt sie einzuholen. Die Corona-Lage verschärft sich global ex Asien. Regionale Lockdowns nehmen zu. Gesellschaft und Wirtschaft wird wieder eingeschränkt. Das US-Hilfspaket kommt laut US-Finanzminister voraussichtlich auch nicht vor der Wahl. Rezessionsrisiken steigen laut dem Institut IMK in Deutschland.
USA immer aggressiver
Smarte Beobachter und der Sache (und nicht Drittinteressen) verpflichtete Analysten erkennen, dass die US-Regierung immer aggressiver wird.
Der US-Politikstil macht deutlich, dass es US-Selbstverständnis ist, dass US-Recht internationalem Recht gleichkommt. Das ist ein totalitärer Anspruch, der bar jeden Respekts gegenüber anderen Nationen und Kulturen ist. Dieser Anspruch verträgt sich auch nicht ansatzweise mit der UN-Charta.
Die häufige Basierung der eklatanten Maßnahmen auf angeblichen Grundlagen der Erhaltung der „Nationalen Sicherheit“ ist grotesk, denn das ist kein definierter Rechtsbegriff. Diesbezüglich stellen sich übrigens US-Verfassungsfragen, denen aus welchen Gründen auch immer nicht nachgegangen wird. Bei TikTok wurden mit dieser Methode Eigentumsrechte im angeblichen Kernland des Kapitalismus verletzt. Dieser Begriff der „Nationalen Sicherheit“ ist beliebig.
Damit besteht für internationale Geschäftsteilnehmer ein beliebiges Rechtsrisiko in den USA und bei Verwendung des Zahlungsmittels USD.
Sind die Rechtsrisiken in China oder Russland vor diesem Hintergrund größer oder kleiner? Sind die Rechtsrisiken in China und Russland berechenbarer als in den USA? Missbrauchen die USA nicht das Thema Wirtschaft/Unternehmen nach Belieben (siehe Drohung gegen deutsche Autobauer), um willfähriges politisches Verhalten dritter Länder zu erpressen? Ich wäre erfreut, darüber wissenschaftliche Studien zu sehen.
Das nonchalante Schweigen oder zaghafte Monieren im Westen zu diesem offenen Kulturbruch in der westlichen Welt wirft Fragen über das Selbstverständnis unserer westlichen Eliten ex USA auf.
Implizit erfordert die US-Politik einen Schulterschluss im Rest der Welt (=86% des Welt-BIP, 96% der Weltbevölkerung), um dieser Politik ein Ende zu setzen.
Kommen wir zu den neuesten Fakten:
- Die USA haben internationale Finanzinstitutionen davor gewarnt, mit Verantwortlichen für die Niederschlagung der Proteste in Hongkong Geschäfte zu machen, ansonsten drohten Sanktionen.
- Die Alibaba (NYSE:BABA) Tochter Ant Group (China) soll nach dem Willen des US-Außenministeriums mit Sanktionen belegt werden. Die Ant Group sollte diesen Monat an die Börse gebracht werden und wartet seit geraumer Zeit auf eine Genehmigung. Hintergrund der Pläne des US-Außenministeriums ist es, US-Investoren von Geboten beim Börsengang abzuhalten.
Diese Fakten, nicht Narrative (!), sollten für jedes europäische Unternehmen mit US-Geschäft verdeutlichen, welchen Risiken man sich in den USA mit Nutzung des USD aussetzt!
„Blunami“: Ein neues US-Narrativ:
Wegen ihrer wirtschaftsfreundlicheren Haltung sind die US-Republikaner von Finanzmärkten favorisiert. Diverse Marktteilnehmer setzen aber mittlerweile Hoffnungen auf einen Sieg der Demokraten. Das Problem höherer Steuersätze würde mehr als ausgeglichen durch die Möglichkeit eines Konjunkturpakets in der Größenordnung von 5 Billionen USD (bisherige Forderung der Demokraten 2,2 Billionen USD). In Anspielung auf die Parteifarbe der Demokraten sprechen die Narrativgeber von einem "Bluenami", einem "Blauen Tsunami".
In diesem Narrativ gibt es viele Konjunktive. Der Versuch, jedwedes Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen für die Kapitalmärkte schön zu schreiben, ist offensichtlich. Das mag ein smartes Marketing sein. Es lässt jedoch viele Fragen offen, die essentiell sind. Würden derartige Summen analog zu den bisherigen Hilfspakten konsumtiv verschwendet oder investiv genutzt? Die Wahrscheinlichkeit weiter konsumtiver Verwendung ist hinsichtlich der Historie der letzten 12 Jahre als ausgeprägt zu definieren. Nachgehend schauen wir auf Defizitlagen gemäß IWF-Prognosen.
IWF: Staatsschulden markieren neuen Höchstwert
Die Staatsverschuldung wird laut IWF-Prognose 2020 ein Rekordhoch erreichen. Der Schuldenstand werde sich Ende 2020 voraussichtlich auf knapp 100% der Wirtschaftsleistung summieren (2019: 83% des Welt-BIP).
Der Zuwachs geht auf die in der Coronavirus-Krise massiv gestiegenen Ausgaben bei parallel einbrechender Konjunktur zurück. Mittelfristig seien die Perspektiven nicht schlecht. Laut IWF wird sich der Schuldenstand bis 2025 bei rund 100% stabilisieren.
Vor allem in reicheren Staaten haben die Regierungen mit Hilfsprogrammen auf Corona reagiert. Bis zum 11. September 2020 waren es laut IWF-Zählung 11,7 Billionen USD, was 12% des globalen BIP entspricht. Der IWF empfiehlt, die Hilfen nicht zu früh zu beenden. Sie müssten 2021 fortgesetzt werden, um die erwartete Konjunkturerholung zu unterstützen.
Und Russland liefert in der Gesamtbetrachtung 2020/2021 die besten Strukturwerte. Lediglich 7,9% des BIP an Neuverschuldung bei einer BIP-Kontraktion in Höhe von 1,3%. Die USA liefern bei einer BIP-Kontraktion von 1,2% einen Defizitaufbau in Höhe von 27,4% des BIP! In China ergibt sich ein BIP von +10,1% bei einem Defizit von 23,7%.
Wo liegt die Zukunft? Ja, konjunkturell und strukturell im Osten! Realisiert das die Politik in Kontinentaleuropa?
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Hinsichtlich der zunehmenden Verwerfungen in der Corona-Lage ex Asien ist bei der Bewertung vergangenheitsbezogener Daten (Phase bis September) Vorsicht geboten. Bei aller Freude über positive Datensätze, beispielsweise der Industrieproduktion der Eurozone per August (siehe unten), gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass sich die aktuelle und zukünftige Lage derzeit hinsichtlich regionaler Lockdowns insbesondere für den Dienstleistungssektor, der für mehr als 60% der westlichen Wirtschaftsleistung steht, verdunkelt. Schwächt sich der Dienstleistungssektor ab, wirkt das auch zeitlich verzögernd auf den produzierenden Sektor.
Eurozone: Industrieproduktion setzt positiven Akzent
Die Industrieproduktion stieg per Berichtsmonat August im Monatsvergleich um 0,7% (Prognose 0,8%). Der Vormonatswert wurde von 4,1% auf 5,0% Wachstum revidiert, so dass das Zweimonatsergebnis positive Akzente setzte.
Im Jahresvergleich sank die Industrieproduktion nach zuvor -7,1% (revidiert von -7,7%) um 7,2% (Prognose 7,2%).
In den Niederlanden sank die Arbeitslosenquote per September von zuvor 4,6% auf 4,4%.
USA: Ein wenig mehr Preisinflation
Die Erzeugerpreise verzeichneten per September im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,4% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,3%. Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 0,4% (Prognose 0,2%) nach zuvor -0,2%.
China: Disinflationäre Tendenzen steigen
Die Verbraucherpreise stiegen per September im Jahresvergleich um 1,7% (Prognose 1,8%) nach zuvor 2,4%.
Die Erzeugerpreise verzeichneten per September einen Rückgang im Jahresvergleich um 2,1% (Prognose -1,8%) nach zuvor -2,0%.
Japan: Dienstleistungssektor schwächelt im August
Der Index für den Dienstleistungssektor sank per August im Monatsvergleich um 1,3% nach zuvor +1,1% (revidiert von +0,4%).
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in dem Währungspaar EUR-USD impliziert. Ein Überwinden der Widerstandszone bei 1.1850 – 80 eröffnet neues Aufwärtspotential.
Bleiben Sie gesund, viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH
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