Dieser Artikel wurde ursprünglich heute in englischer Sprache veröffentlicht.
Als die Öl-Futures am vergangenen Donnerstag um 5 Prozent eingebrochen waren, fanden Analysten schnell den Schuldigen: OPEC und ihre Produktionskürzungen, die das Überangebot nicht eindämmen konnten. Die wahren Schuldigen allerdings sitzen ganz woanders.
- Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Vereinbarung von OPEC-Staaten und unabhängigen Produzenten über eine Drosselung ihrer Förderungsmengen spekuliertenFinanzinstitute und Hedgefonds darauf, dass die weltweiten Lagerbestände viel schneller schmelzen würden als sie es bisher getan haben. Ihre Enttäuschung führte zu einem Absturz der Ölpreise.
- Die Schieferölproduktion erholte sich nicht unmittelbar nach der Aufnahme der Produktionskürzungen. In den vergangenen zwei Monaten wurden jedoch in ergiebigeren Schieferölregionen mehr DUCs (nicht fertiggestellte Bohrtürme) fertiggestellt und nahmen ihre Produktion auf. Dieser Produktionsanstieg macht sich jetzt bemerkbar und übt einen Abwärtsdruck auf den Ölmarkt auf. Aktuell hat die Schieferölindustrie ein höheres Produktionspotenzial als konventionelle Ölförderung, allerdings wird sie sich bald mit höheren Dienstleistungs- und Produktionskosten auseinandersetzen müssen.
- Die Benzinnachfrage in den USA stieg um weniger an als zu dieser Jahreszeit üblich. Angaben der EIA zufolge ist der Benzinverbrauch aktuell um 250.000 bpd niedriger als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Auf der anderen Seite gingen mit dem Preisrückgang beim Rohöl auch die Benzinpreise zurück. Angesichts der bevorstehenden Sommersaison werden die US-amerikanischen Autofahrer bald nachfüllen wollen. Falls nicht, dürfte dies den Preis weiter nach unten treiben.
- Eine Panik unter den Spekulanten führte am Donnerstag zum Handel von 520 Mio. Barrels an Rohöloptionen. Es war die dritthöchste Menge seit Beginn der Aufzeichnungen. Zeitweise wurden 7.000 Kontrakte pro Minute gehandelt, üblicherweise sind es nur einige Hundert. Der plötzliche Volumenanstieg wurde durch Spekulationen angeheizt, was den Einbruch der Preise weiter vertiefte.
Und nun? Die Hoffnung liegt nun wieder auf der Fortsetzung der Produktionskürzungen der OPEC und ihrer unabhängigen Partner. Tatsächlich führt Saudi-Arabien die Initiative diesbezüglich an. Seit dem plötzlichen Einbruch in der vergangenen Woche konnten sich die Preise nicht wieder erholen. Stattdessen schwanken sie.
Die Tatsache, dass die großen Ölfirmen, darunter ExxonMobil (NYSE:XOM) und Chevron Corporation (NYSE:CVX) im April die Erwartungen in Bezug auf Quartalsergebnisse übertroffen haben, ist ein trügerisches Erfolgszeichen. Exxon erholte sich, nachdem es im Vorquartal Vermögenswerte abgeschrieben hatte und Chevron wurde gefördert durch den Verkauf weniger produktiver Anlagen. Der Großteil der Gewinne ist auf Kostenreduzierungen und Abstoßen von Anlagen zurückzuführen, die den Ölfirmen langfristig schaden könnten. Es ist nicht, wie berichtet wurde, ein Zeichen für eine Wende auf dem Ölmarkt.
Wichtige Faktoren, die beobachtet werden sollten, sind: Benzinnachfrage in den USA im Sommer, Stromnachfrage am Persischen Golf im Sommer, Schieferölproduktionskosten, Offshore-Produktion im Golf von Mexiko und in den brasilianischen Pré-Sal-Gebieten sowie vor allem die politischen Unruhen in Venezuela. Diese Faktoren könnten sich noch weit stärker auf den Ölpreis auswirken als das OPEC-Treffen.