Dieser Artikel erschien zuerst auf Nebenwerte Online
Die Bundesregierung spekuliert mit der Wiedereinführung der Umweltprämie im nächsten Jahr. Noch gibt es hierfür keine gesicherte Finanzierungsgrundlage, dennoch hofft der deutsche Automobil-Sektor auf eine dringende Kehrtwende in der aktuellen Energiewende-Politik. Denn während deutsche Hersteller eine teure Doppelstrategie mit Verbrennern und E-Mobilität fahren, drängen chinesische Anbieter mit Vehemenz auf die EU-Märkte. Die Einführung von Importzöllen wird die üppigen Margen dabei nur geringfügig verringern und schadet auch der im Ausland produzierten europäischen Modellpalette. Aktuelle Studien zeigen für das Jahr 2030 immer noch eine Lithium-Unterdeckung der Weltmärkte von mindestens 40 %. Nun beginnt ein Wettlauf, wer den schnellsten Minenaufbau leisten kann. Kann sich der Hype von 2021 wiederholen?
Zurück ins Jahr 2021 – kommt nun ein neuer Lithium-Hype?
Wer die Energiewende zu Ende denkt, braucht Lithium. Denn das weiße Metall ist ein zentraler Rohstoff für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien, welche in E-Mobilen und anderen elektrischen Geräten verwendet werden. Da Nordamerika, insbesondere die USA, den Übergang zu Elektrofahrzeugen (EVs) beschleunigt, steigt der Bedarf an Lithium erheblich. Diese Aussage bekommt insbesondere mit einem Wahlsieg der Demokratin Kamala Harris ein besonderes Gewicht, denn sie wird die IRA-Projekte ihres Vorgänger Bidens sicher fortführen.
Neben den nach wie vor gesuchten Verbrenner-Fahrzeugen, bauen große Automobilhersteller wie General Motors (NYSE:GM) oder Ford (NYSE:F) ihre Produktionskapazitäten für EVs beständig aus, der E-Visionär Tesla (NASDAQ:TSLA) ist aber in den USA mit über 30 % Marktanteil noch führend. Insgesamt bleibt der Lithiumbedarf hoch, auch wenn die Verkaufszahlen aktuell etwas stocken. Nicht zu vergessen, bleibt Lithium neben EVs auch unverzichtbar für Energiespeichersysteme, welche im Bereich erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft eingesetzt werden. Diese Batterien helfen, Strom aus diesen Quellen zu speichern, was zur Stabilisierung des Stromnetzes beiträgt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert.
Nordamerika strebt an, die Abhängigkeit von Lithium-Importen, insbesondere aus China, zu reduzieren. Es gibt große Bestrebungen, mehr inländische Produktionskapazitäten aufzubauen und den Abbau von Lithium in den USA und Kanada perspektivisch zu fördern. Dies ist ein Teil der Strategie, sichere Lieferketten für kritische Rohstoffe zu gewährleisten. In geopolitisch unsicheren Zeiten bleibt der Zugang zu diesem Rohstoff ein Muss! An den Spotmärkten ist der Preis im September unter 70.000 Yuan pro Tonne gefallen, im Oktober mehren sich jedoch die positiven Vorzeichen. In der letzten Woche wurden wieder 75.000 Yuan erreicht. Steht der Markt nun vor einer Wiederbelebung?
BYD und Nio – Gekommen um zu bleiben
Der chinesische Elektroauto-Hersteller BYD geht von einer Absatzsteigerung in Deutschland innerhalb der nächsten Monate aus. Wie BYD-Europachefin Stella Li in einem Interview mit der FAZ in der letzten Woche vollmundig verkündete, soll schon im dritten Quartal mit einer höheren Verkaufsdynamik zu rechnen sein, nachdem die Wachstumsraten in den Sommermonaten hinter den Erwartungen zurückblieben. Zum genauen Verkaufsziel machte sie keine Angaben, allerdings wurde die Eintrittsschwelle über 25.000 EUR festgelegt. Auch VW hatte zu Beginn des Jahres angekündigt, im Jahr 2026 ein leistbares E-Fahrzeug in diesem Einstiegsbereich anzubieten. Stark in der Kritik stehen die neu festgelegten EU-Importzölle auf chinesische E-Autos, die schon ab nächsten Monat greifen könnten. Immerhin hatte Deutschland gegen die Beschlüsse sein Veto eingelegt. BYD „Build your Dreams“ (FRA: BY6; WKN: A0M4W9; ISIN: CNE100000296) stört die 17 Prozent-Schelte kaum, denn schon ab Ende 2025 wird der chinesische Hersteller den Markt aus seinem ungarischen Werk beliefern – völlig zollfrei! Den Schaden haben aber die europäischen Kunden, weil sie für die E-Mobilität deutlich mehr zahlen müssen als anderswo. Die bisherigen Bemühungen, den deutschen Markt zu erobern, liefen für BYD hingegen bis jetzt ernüchternd. Wegen der schwachen Verkaufszahlen trennte sich BYD jüngst sogar von seinem Deutschland-Importeur Hedin und baut den Vertrieb nun in Eigenregie auf.
Die BYD-Aktie (F:1211) konnte seit den Tiefs um 24 EUR um etwa 50 % zulegen, das liegt aber vor allem an der China-Hausse, die seit Mitte September festzustellen ist. Von der steilen Aufwärtsbewegung konnte auch das chinesische StartUp NIO (NYSE:NIO) (NASDAQ: NIO; WKN: A2N4PB; ISIN: US62914V1061) profitieren. Seit dem letzten Tief im August bei 3,33 EUR verdoppelte sich der Kurs nahezu auf über 6,50 EUR. Der schnell wachsende Hersteller konnte zum 11.Oktober die Auslieferung seines 600.000 Autos feiern, in 2023 waren es insgesamt gerademal 160.000 Stück. Ein wichtiger Schritt für NIO ist hierbei die Integration seiner Submarke Onvo. Onvo wurde im vergangenen Mai erstmals präsentiert. Die Auslieferung des Onvo L60, einem Elektro-SUV mit einer 60-kWh-Batterie, begann in China Ende September. Innerhalb weniger Tage wurden über 800 Einheiten in rund 60 Städten verkauft. Die Onvo-Stromer können auch die Batterietauschstationen der dritten und vierten Generation von Nio nutzen. Ein wesentlicher Vorteil des Batterietauschs liegt laut NIO darin, dass Kunden von technologischen Fortschritten profitieren können. So können Nutzer eines sechs Jahre alten Nio ES8 mit einer 70-kWh-Batterie, welche ursprünglich eine Reichweite von über 350 Kilometern bot, heute eine 150-kWh-Batterie mieten, um die Reichweite auf über 700 Kilometer zu erhöhen. Das Angebot ist in Europa regulatorisch noch nicht nutzbar, soll aber bald zugelassen werden. Vielleicht ist das der Startpunkt für einen weiteren Anstieg der NIO-Aktie. Die BYD-Aktie hat mittlerweile die mittleren Kursziele der Analysten erreicht, hier bieten sich Gewinnmitnahmen an.
VW und Mercedes – Mit einer Doppelstrategie aus dem Loch
Der Wolfsburger Automobilgigant Volkswagen (ETR:VOWG) (XETRA: VOW3; WKN: 766403; ISIN: DE0007664039) ist in 2024 völlig aus dem Tritt gekommen. Im dritten Quartallieferte der Konzern weltweit 2,18 Mio. Fahrzeuge aller Marken aus, 7,1 % weniger als im Vorjahr. Damit fiel der Rückgang noch einmal deutlich stärker aus, als im bereits schwachen Vorquartal. Vor allem Asien verhagelte die Bilanz, dabei maßgeblich die sinkenden Absätze in China. Im für VW wichtigsten Teil gingen die Auslieferungen um 15 % nach unten, in den übrigen Ländern Asiens sogar um ganze 23 % und in Westeuropa immerhin um 7 Prozent. Zuwächse in Amerika, Afrika und Nahost konnten das bei weitem nicht ausgleichen.
Besonders schwach mit minus 16 % schnitt der Premiumbereich von Audi ab. Im Ringen mit BMW (ETR:BMWG) und Mercedes um Platz eins der Premium-Hersteller ist Audi damit weit abgeschlagen. Selbst Porsche (ETR:P911_p) kam auf 7 % Minus, hier überraschte der Einbruch in China um 29 % im Vergleich zum Vorjahr. Einen deutlichen Dämpfer gab es erneut bei den Stromern, nur 189.400 konnten weltweit abgesetzt werden, rund 10 % weniger als im Vorjahr. Einen neuen Schub soll den E-Autos nun eine bereits angekündigte Rabattaktion geben. VW hat den Preis für den runderneuerten ID.3 ab Oktober gesenkt und bietet ihn bis Ende des Jahres gegenüber dem bisherigen Einstiegspreis von 37.000 EUR zum Aktionspreis von knapp unter 30.000 EUR an. Nun macht sich die EU-Regulatorik negativ bemerkbar. Denn VW ist auf einen höheren Stromer-Anteil angewiesen, um das ab 2025 gültige strengere CO2-Flottenziel zu erreichen. Sonst drohen herbe Strafzahlungen, die die Konzernmarge weiter negativ belasten, VW will in den nächsten 5 Jahren 30.000 Arbeitsplätze vor allem in Deutschland abbauen und bis zu 3 Werke komplett schließen. Die Aktie ist mit 15 % Jahresverlust ein Spiegelbild der Wolfsburger Misere.
Beim Premium-Hersteller Mercedes-Benz (ETR:MBGn) (Xetra: MBG; WKN: 710000; ISIN: DE0007100000) sieht die Lage nur marginal besser aus.Die Stuttgarter haben in Q3 insgesamt 594.600 PKWs und Vans verkauft, das liegt immerhin über dem Niveau des Vorquartals. Eine verbesserte Produktverfügbarkeit schlug hier zu Buche, wenngleich das Interesse an den Elektroautos der Marke um 31 % unter den Zahlen von 2023 lag. Getrieben vom US-Markt stieg der Absatz von Plug-in-Hybriden immerhin weltweit um 10 %, China blieb mit einem Minus von 12 % deutlich hinter den Erwartungen zurück. Gefragt waren jedoch die AMG-Flaggschiffe, hier konnten 8 % mehr als im Vorjahreszeitraum abgesetzt werden. Anscheinend gibt es in diesem Segment eigene Marktgesetze, die vom allgemeinen Welttrend deutlich abweichen können. Denn während die E-Quote weltweit nur leicht steigt, punktet Mercedes eher mit den hochmotorisierten Verbrenner-Boliden sowie mit seinem gefragten G-Modell. Immerhin erhöhte sich der Absatz im Core-Segment sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4 % auf 301.000 Autos, Wie VW leistet sich auch Mercedes eine kostspielige Doppelstrategie. Mercedes kann aber wegen seiner gefragten Modellpalette auf gute Verbrenner-Absätze hoffen, während bei VW alle Segmente straucheln. Die im direkten Vergleich nur um 11 % rückläufige Mercedes-Benz-Aktie scheint daher auch wegen einer als konstant zu erwartenden Dividenden-Politik wesentlich attraktiver. Ohne die zu erwartenden Restrukturierungskosten zeigen die Hersteller aktuell ein 2024e KGV von 3,5 bzw. 5,9. Vielleicht haben wir hier die Tiefpunkte bei den Kursen schon gesehen.
Chariot Corporation – Beschleunigungsprogramm in Wyoming
Denkt man an die regulatorischen Flottenvorgaben in der EU und einen möglichen Wahlsieg von Kamala Harris, so könnten die niedrigen Lithium-Preise in den nächsten Monaten schon wieder schnell Geschichte sein. Zum einen mangelt es an neuen Minenbetrieben, zum anderen haben sich die großen Hersteller wegen des Preisverfalls auf niedrigere Kapazitäten eingestellt. In Nordamerika hat man die Zeichen der Zeit erkannt und entwickelt die heimischen Projekte weiter. Im Fokus stehen Lithium, Kupfer und Seltenen Erden, sie belegen auch vorderste Plätze in der Liste strategischer Metalle. In das Fadenkreuz geraten nun die Liegenschaften in Oregon, Nevada und zuletzt sogar Wyoming.
Das australische Unternehmen Chariot Corp. (ASX: CC9; WKN: A3EWMX, ISIN: AU0000294498) kann in diesem Zusammenhang gute Fortschritte und einen Strategiewechsel vermelden. Besonderes Interesse erweckt nun das Projekt Black Mountain in Wyoming. Denn das Management sieht aktuell von der Erkundung einer groß angelegten Ressource ab und prüft die Einrichtung einer kleineren „Pilotmine“. Der Zweck ist klar: Mit einer schnellen Produktion, können die Australier erste Abnahmeverträge aushandeln und sich über die erzielbaren Cashflows langsam in den Markt integrieren. Geplant ist, schnell Spodumenkonzentrat zu produzieren und an bestehende Lithiumhydroxid-Raffinerien im Südwesten der USA zu liefern. Da die Vererzung im Projekt „Black Mountain“ bereits oberflächennah verfügbar ist, kann die Pilotanlage im Tagebau realisiert werden. Wyoming hat sich zuletzt einen Namen gemacht, weil die dortige Regierung schnelle Genehmigungen für kleine Bergwerke erteilt. Die Behörden arbeiten schlank und führen selbst die Umweltprüfungen sehr effizient durch. Die Vorgehensweise unterscheidet sich von den oftmals langwierigen und kapitalintensiven Genehmigungen in Europa oder Kanada.
Die ersten Bohrungen sollen alsbald starten, schon in den kommenden Monaten plant Chariot den Abschluss des Phase-2-Bohrprogramms. Ein JORC 2012-Bericht soll schon nach wenigen Monaten verfügbar sein, denn mit einer definierten Ressource kann es in den Abnehmerverhandlungen zügig vorangehen. Die nötige Finanzierung ist schon in Angriff genommen worden, auch kümmert man sich bereits um das nötige Fachpersonal unter Zuhilfenahme lokaler Steinbruchbetreiber. Die lokale Demonstrationsanlage kann kleinere Mengen verarbeiten, Chariot spart dadurch einen Teil der Transportkosten zu den entfernt liegenden Großanlagen. Insgesamt versucht das Management um CEO Shanthar Pathmanathan mit einem modularen Aufbau den Kapitalaufwand so gering wie möglich zu halten und schnell durchzustarten.
Der Kurs des australischen Explorers hat sich in nur 2 Wochen von 0,07 auf 0,14 EUR verdoppelt. Blickt man auf den angesprungenen Aktienkurs der großen Hoffnung Lithium Americas (NYSE:LAC) (TSE: LAC; WKN: A3ERHF, ISIN: CA53681J1030) so scheint der Markt in den schnellen Bemühungen der kleinen Chariot einen potenziellen Beitrag zur Rohstoff-Sicherung Nordamerikas zu wittern. Alles deutet darauf hin, dass sich die Lithium-Welle aus dem Jahr 2021 wegen der großen Unsicherheiten bezüglich möglicher Produktionsdefizite bis 2030 nochmal wiederholen könnte. Ein Engagement in mehreren Titeln verleiht dem Depot die nötige Stabilität, die Chariot Corporation winkt mit einer sensationell günstigen Bewertung von nur 30 Mio. AUD.
Fazit
Die Sicherung von strategischen Rohstoffen ist in der heutigen geopolitischen Gemengelage zur Chefsache einer jeden Regierung geworden. Die EU zaudert nach wie vor mit der Genehmigung wichtiger Bergbau-Ansiedlungen. In den USA und Kanada ist die Vorgehensweise pragmatischer und auf die Sicherung zukünftiger Lieferketten ausgerichtet. Die E-Mobilität ist weltweit in Gang gesetzt und wird v.a. aus China befeuert. Es ist mathematisch ableitbar, wann die derzeitige Lithium-Förderung der enorm steigenden Nachfrage unterliegt. Wenn die langfristigen Kontraktpreise drehen, werden die Spotmärkte leergekauft. Für manche Lithium-Aktien ist der Startschuss bereits im September 2024 erfolgt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Rohstoff-Sektor im Bereich wichtiger Batteriemetalle erneut stark aufwerten muss. Eine Streuung über Sektoren und Regionen senkt das Portfolio-Risiko.