…scheint im Augenblick eine der meist gestellten Fragen der Anleger zu sein. Schauen wir zuerst auf die Crash-Argumente, gerne auch als Tribut an die apokalyptischen Reiter, die in den dunklen Jahresendmonaten ja immer besonders aktiv sind. Diese Crash-Propheten wissen natürlich, dass sich gerade in dieser lesereichen Zeit ihre mit viel Dramatik gewürzte Untergangsliteratur gut verkaufen lässt, nicht zuletzt als Geschenk für unter den Tannenbaum. Pecunia non olet.
Krisen, wohin der Anleger schaut
Ja, Krisen haben wir genug. Immerhin haben Ebola und der islamistische Terror zwar aktuell an Bedeutung verloren. Aber wer will hier ernsthafte Prognosen wagen. In der diplomatischen Handhabung des geopolitischen Konflikts des Westens mit Russland erkennt man auf beiden Seiten leider immer noch die Handschrift von Neandertalern. Nach Tauwetter in den Ost-West-Beziehungen sieht das nicht aus, eher nach einem langen sibirischen Winter. Und die Sanktionen beeinträchtigen nicht nur die russische, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Sie ist nicht teflonbeschichtet, Krisensymptome bleiben durchaus an ihr haften. Besonders irritiert reagieren deutsche Aktien auf die weniger dynamischen Wachstumsimpulse in China. Hat Deutschland es zu lange als Selbstverständlichkeit betrachtet, dass das Land der Mitte der ewige Jungbrunnen für unsere Exportindustrie ist?
Für Aktien kritisch wird ebenso die anstehende Zinswende in den USA gesehen. Bei Anlegern herrscht Angst vor einem besonders dramatischen Zinserhöhungszyklus. Deutlich steigende Leitzinsen der bedeutendsten Notenbank der Welt haben in der Vergangenheit auf Aktien eine ebenso fatale Wirkung gehabt wie eine Kaninchenplage auf Löwenzahn.
Schließlich löst auch die eurozonale Verfassung wohl kaum Glücksgefühle bei Aktienanlegern aus. Das deflationäre Siechtum in Euro-Süd und die damit verbundenen sozialpolitischen Schieflagen setzen dem Zusammenhalt der Euro-Gemeinschaft offenbar stark zu. Das klare, wenn auch inoffizielle Votum der wirtschaftsstarken Katalanen für eine Abspaltung vom Armenhaus Spanien spricht hier Bände. Und von einer bestimmten französischen Politikerin und ihrem protektionistischen Euro-zersetzenden Kurs will ich erst gar nicht sprechen. Der europäische Einheitsgeist war vor der tatsächlichen Einheit wohl deutlich größer.
Liebe Anlegerinnen und Anleger, es hat schon weit weniger Gründe für eine massive Aktienkurskorrektur gegeben. Steht der Aktien-Crash also schon vor der Tür?
Der zweite Blick ist der entscheidende
Ich rede nicht davon, dass wir keine Krisen haben. Aber man sollte sie einer tieferen Überprüfung unterziehen. Ja, China wächst weniger dynamisch. Und das ist auch gut so. Ansonsten würde die chinesische Bubble Economy immer größer und drohte zu platzen. China ist bestrebt, über die Öffnung seiner Kapitalmärkte für ausländische Investitionen und eine fortgesetzte Stärkung der Konsumnachfrage eine nachhaltig stabile, wenn auch weniger dynamisch wachsende Volkswirtschaft auf die Beine zu stellen. Diese Strategie verfolgen im Übrigen auch andere Schwellenländer wie Indien und Thailand. So verhindern diese Weltkonjunkturlokomotiven, dass sie einen Schnupfen bekommen, der in der westlichen Welt zu einer Lungenentzündung führte. Der deutschen Außenwirtschaft ist mit stabilen Exportchancen eher gedient als mit einem zunächst märchenhaften Exportrausch ohne längerfristiges Happy End.
Die wohl im Frühjahr 2015 startenden US-Zinserhöhungen kann man auch positiv als Beweis für eine deutlich erholte US-Wirtschaft werten: Es wird fundamental für die Aktienseite geliefert. Ich bin überzeugt, dass die Fed nie wieder eine so massive Zinswende wie zwischen 2004 und 2006 betreiben wird. Diese hätte die Finanzwelt über das ab 2008 folgende Bersten der Immobilienblase fast eliminiert. Heute darf die Anleihenblase - und das ist die Mutter und Großmutter aller Anlageblasen - nicht platzen. Dann wäre die Finanzwelt tatsächlich nicht mehr zu retten. Diese Gefahr besteht aber auch deshalb nicht, weil die zwei anderen großen Notenbanken EZB und Bank of Japan so viel Liquidität produzieren werden, dass sie die gesamte Weltwirtschaft zur Not durchfüttern könnten.
Die atemberaubenden Befreiungsschläge der EZB, die seit Mitte 2012 für Aktienfurore gesorgt haben, haben mittlerweile wie abgefahrene Winterreifen zwar an Wirkung eingebüßt. Zentralbankgeld allein macht eben nicht glücklich. Dennoch bleibt die globale Notenbankpolitik ein eng geknüpftes Fallnetz, das das Schlimmste für die Aktienmärkte immer wieder verhindern wird.
Aber es wäre doch eine regelrechte geldpolitische Verschwendung, wenn sich Mario Draghi umsonst für ultraniedrige Staatsanleiherenditen in der Eurozone ins Zeug gelegt hätte und diese nicht konjunkturell genutzt würden. Aber keine Sorge, sie finden für neue günstige Finanzierungen üppig Verwendung. Geld- und Finanzpolitik in Euroland arbeiten Hand in Hand. Mit diesem „Wachstumspakt“ päppeln wir die Euro-Wirtschaft schon wieder auf. Und dazu gibt Madame Lagarde, die Chefin vom Internationalen Währungsfonds, auch noch ihren finanz-moralischen Segen, indem sie vorschlägt, das einst strikte Maastricht-Stabilitätskriterium von 60 Prozent Staatsverschuldung zur Wirtschaftsleistung Richtung 100 Prozent zu „flexibilisieren“. Das Ganze hat zwar mit Stabilität so wenig zu tun wie Streuobstwiesen mit Zierrasen, jedoch werden sich die Aktienmärkte über diese künstliche Konjunkturbefruchtung freuen.
Für die deutsche Wirtschaft wäre es sehr zu empfehlen, wenn sich Herr Schäuble allmählich zu Herrn Spendäuble wandelte. Im Augenblick hat er die einmalige Chance, die alte, teilweise marode deutsche Infrastruktur zu den zinsgünstigsten Staatsschulden aller Zeiten großflächig auf Weltniveau zu heben. Andere Finanzminister anderer Euro-Länder würden sich die Finger danach lecken. Stattdessen träumt er davon, der erste Bundesfinanzminister seit 1969 zu sein, der keine neuen Schulden macht. Herr Schäuble, es geht nicht um Sie, sondern um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf globaler Ebene. Der wirtschaftlich Einäugige unter den Blinden in der Eurozone zu sein ist global betrachtet nur ein Trostpreis. Also sparen Sie nicht am falschen Ende. Aber vielleicht denken Sie ja noch einmal darüber nach. Nichts würde deutsche Aktien mehr freuen.
Ein Abfallprodukt der zinslockeren Geldpolitik ist ein sich abschwächender Euro. Das ist Wasser auf die Mühlen der Euro- Exportwirtschaft. Wie eine Zinssenkung wirken übrigens auch die aktuell günstigen Preise für die Energierohstoffe Öl und Naturgas. Das ist gut für die Margen der Unternehmen. Das ist gut für die Kaufkraft der Konsumenten. Und das ist gut für Aktien.
Überhaupt, warum sollten Aktien abgestraft werden, deren Dividenden deutlich mehr Rendite einfahren als Staatspapiere oder Festgeld?
Und schließlich, schaut man sich die Anlegerstimmung an, so haben wir es im Vergleich zu früheren prekären Börsenzeiten - Euro-Schuldenkrise, Lehman-Pleite oder Asien-Krise – trotz all der gegenwärtigen Krisensymptome mit einer vergleichsweise geringen Kursschwankungsbreite zu tun. Gemessen am aktuellen Volatilitätsniveau ist für die nächsten 30 Tage mit einer theoretischen Schwankungsbreite im DAX zwischen etwa 8.800 und 9.800 Punkten zu rechnen.
Liebe Anlegerinnen und Anleger, es fehlen insgesamt die Zutaten für einen Aktien-Crash. Im direkten Vergleich sind die Chancen auf eine Jahresend-Rallye deutlich größer als die Risiken eines Einbruchs. Die Crash-Propheten, diese apokalyptischen Reiter werden vom Pferd fallen. Aua!
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