Frankfurt (Reuters) - Aufgeflammte Übernahmefantasien in der deutschen Energiebranche haben die europäischen Börsen am Dienstag nicht aus ihrer Lethargie gerissen.
"Die Sitzung der US-Notenbank lähmt derzeit die Investoren rund um den Globus", sagte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. Der Dax schloss kaum verändert bei 11.988,79 Punkten und der EuroStoxx50 gab um 0,5 Prozent auf 3399,43 Zähler nach. An der Wall Street sanken Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 um bis zu 0,6 Prozent.
Die Aktien von RWE (DE:RWEG) stiegen dagegen um 6,5 Prozent auf 14,62 Euro. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge denkt der französische Stromkonzern Engie über eine Offerte für die RWE-Ökostromtochter Innogy nach. Engie rutschten daraufhin in Paris um 1,3 Prozent ab. "Für RWE ist ein Verkauf sicher eine Überlegung wert", sagte ein Börsianer. Der Energiekonzern verzichtete auf ein erneutes Bekenntnis, langfristig mindestens 51 Prozent an Innogy halten zu wollen.
Vor diesem Hintergrund stiegen Innogy um bis zu 8,2 Prozent - so viel wie noch nie seit dem Börsengang im Herbst 2016. Zum Handelsschluss lagen sie allerdings nur noch 4,3 Prozent im Plus bei 34,87 Euro. Einem französischen TV-Sender zufolge ist Engie doch nicht an Innogy interessiert. Die ebenfalls im Nebenwerte-Index MDax notierten Titel von Uniper markierten mit 14,78 Euro ein Rekordhoch und schlossen 2,7 Prozent höher bei 14,44 Euro. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sagte zu Berichten über ein Interesse seiner Firma an der E.ON-Kraftwerkstochter. "Wir überprüfen alle Optionen." E.ON (DE:EONGn) notierten 0,4 Prozent im Plus.
HOCHZEIT VON VW (DE:VOWG) UND FIAT? - ÖLPREIS-VERFALL DRÜCKT FÖRDERER
Auch im Automobilsektor trieben Fusionsfantasien die Kurse. Die Aktien von Fiat Chrysler (MI:FCHA) drehten an der Mailänder Börse ins Plus, nachdem Volkswagen-Chef Matthias Müller gesagt hatte, er stehe einem Zusammenschluss mit dem italienisch-amerikanischen Konkurrenten offen gegenüber. Fiat konnten ihre zwischenzeitlichen Kursgewinne aber nicht halten und schlossen 0,3 Prozent im Minus. VW verloren sogar 1,9 Prozent.
Unter Verkaufsdruck gerieten auch die Ölkonzerne, nachdem der Preis für die Ölsorte Brent aus der Nordsee um bis zu 2,1 Prozent auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 50,25 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen war. Dem Exportkartell Opec zufolge sind trotz der Einigung vom November auf eine Förderbremse die weltweiten Lagerbestände gestiegen. In Europa büßten BP (LON:BP), OMV (DE:OMVV), Shell (DE:RDSa) und Total (PA:TOTF) bis zu 2,4 Prozent ein. An der Wall Street verloren Chevron und Exxon Mobil (NYSE:XOM) bis zu 1,7 Prozent.
WIE SCHNELL STRAFFT DIE FED DIE GELDPOLITISCHEN ZÜGEL?
Hauptgesprächsthema auf dem Börsenparkett war allerdings die Zinsentscheidung der US-Notenbank am Mittwoch. Da eine Anhebung des Schlüsselsatzes als ausgemachte Sache gilt, warteten Investoren auf Hinweise, ob die Fed die geldpolitischen Zügel dank der starken US-Konjunktur schneller anzieht als bislang gedacht. "Genau dort liegt die Gefahr", warnte Carsten Mumm, Chef-Analyst der Privatbank Donner & Reuschel. "Sollte die Fed zu schnell agieren, könnte sie die Wirtschaft lähmen und US-Präsident Donald Trump wäre sicher nicht begeistert." Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, legte dennoch um 0,2 Prozent zu. Im Gegenzug verbilligte sich der Euro um etwa einen Viertel US-Cent auf 1,0639 Dollar.
Entspannt blickten Börsianer dagegen auf die Parlamentswahl in den Niederlanden. Die harte Haltung der dortigen Regierung im Streit um Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker scheine der Partei VVD des Ministerpräsidenten Mark Rutte mehr zu helfen als der rechtspopulistischen PVV von Geert Wilders, schrieben die Analysten der Rabobank in einem Kommentar. Da zudem niemand mit Wilders koalieren wolle, sei der Einzug des Europa-Kritikers in die niederländische Regierung sehr unwahrscheinlich, betonte Helaba-Analyst Ulf Krauss.