Investing.com - Die rasant steigenden Energiepreise begeistern derzeit die Finanzmärkte. Anleger, die rechtzeitig auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind, konnten enorme Gewinne einfahren. Und ein Ende des Anstiegs bei Öl, Gas und Kohle ist noch nicht absehbar.
Der Energiemarkt als Ganzes bleibt aufgrund der steigenden Nachfrage und der begrenzten Produktion angespannt. Der Bedarf nimmt aus zwei Gründen. Erstens führen der Wintereinbruch und die sinkenden Temperaturen zu einem Anstieg des Energieverbrauchs. Zweitens erhöht die Wiedereröffnung einiger Wirtschaftszweige, die zuvor wegen gesundheitlicher Restriktionen nur eingeschränkt in Betrieb waren, die Nachfrage.
Einem aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge "wird die weltweite Gasnachfrage im Jahr 2021 voraussichtlich um 3,6 Prozent steigen, bevor sie sich in den folgenden drei Jahren auf eine durchschnittliche Wachstumsrate von 1,7 Prozent abschwächt... Bis 2024 dürfte die Nachfrage um 7 Prozent über dem Vorkrisenniveau liegen."
S&P Global glaubt außerdem, dass der Trend zu Elektrofahrzeugen (EVs) die weltweite Erdgasnachfrage weiter ankurbeln dürfte.
Auf der anderen Seite bleibt das Angebot aufgrund von Engpässen in der Beschaffungskette, ausgelöst durch die Folgen der Pandemie, aber auch wegen Produktionsstörungen, wie im Fall von Öl, eingeschränkt. Und als Krönung des Ganzen hat die OPEC+ entgegen den Erwartungen der Analysten beschlossen, die Produktion nicht wesentlich zu erhöhen, was zu einem für den Rest des Jahres noch engeren Ölmarkt führen dürfte.
Aber auch das aggressive Drängen der Politik (insbesondere in Europa) - die sich scheinbar keine Gedanken darüber macht, wie der normale Bürger am Ende seine Energierechnungen überhaupt noch begleichen soll - auf deutlich mehr regenerative Energien wie Wind- und Wasserkraft, Solar oder Geothermie zu setzen, verschärft die Lage am Energiemarkt noch zusätzlich.
Während der Preisanstieg bei Öl, Gas und Kohle für Händler und kurzfristig orientierte Investoren eine gute Sache ist, wirkt er sich negativ auf die Wirtschaft aus. Analysten machen sich daher bereits Sorgen über die langfristigen Auswirkungen eines solchen Anstiegs auf die Stärke der wirtschaftlichen Erholung.
Die Energiemärkte im Reich der Mitte
China befindet sich in einer epischen Energiekrise, weshalb in mehreren Regionen des Landes bereits mit der Rationierung von Energie begonnen wurde. Diese Maßnahme hat zwar vollständige Stromausfälle verhindert, aber dafür viele Probleme für die Industrie und die Wirtschaft im Allgemeinen mit sich gebracht.
Die direkten Folgen für die Fabriken liegen in einem Produktionsrückgang. Damit einhergehend ist eine weitere Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Die direkten Folgen für die Fabriken liegen in einem Produktionsrückgang. Dies geht mit einer weiteren Verlangsamung des Wirtschaftswachstums einher. In der Konsequenz haben die Analysten bereits den Rotstift angesetzt und ihre BIP-Prognose für die Weltwirtschaft nach unten korrigiert.
Hinzu kommen die Auswirkungen auf das weltweite Produktangebot. China ist trotz des Aufstiegs in den letzten Jahren zur Weltmacht noch immer die Werkbank der Welt und versorgt den Globus mit allen Arten von Konsumgütern. Folglich führt die Drosselung der Produktion in chinesischen Fabriken zu einem geringeren Angebot. Diese Produktknappheit treibt die Inflation in die Höhe. Die steigende Inflation wiederum könnte zu einer Straffung der Geldpolitik führen und somit das Tempo des Wirtschaftswachstums weiter bremsen.
Indien im Brennpunkt
Übrigens ist China nicht der einzige asiatische Riese, der sich mit einer Energieknappheit herumschlägt. Auch Indien befindet sich am Rande einer Krise. Die meisten indischen Kohlekraftwerke weisen extrem niedrige Kohlebestände auf. Der Grund: die Wirtschaft befindet sich auf Erholungskurs, was die Stromnachfrage anheizt. In Indien gilt weiterhin ein Kohleanteil an der Stromerzeugung von 70 Prozent.
Laut der Societe Generale (PA:SOGN) dürfte eine mögliche Stromkrise unmittelbare Auswirkungen auf Indiens aufkeimende wirtschaftliche Erholung haben, die stärker von der Industrie als von Dienstleistungen getragen wird.
Nach Regierungsangaben wiesen am 6. Oktober 80 Prozent der 135 indischen Kohlekraftwerke Vorräte für weniger als 8 Tage auf, und mehr als die Hälfte besaß gerade einmal Reserven für zwei Tage oder weniger.
Zum Vergleich: In den letzten vier Jahren lag der durchschnittliche Kohlevorrat der Kraftwerke laut S&P Global bei etwa 18 Tagen.
Die indischen Wärmekraftwerke waren auf die Verbrauchsspitze in diesem Sommer schlichtweg nicht vorbereitet, als sich die Wirtschaft von einer zweiten Corona-Welle erholte. Zur gleichen Zeit zogen die Kohlepreise an und die Lieferzeiten verlängerten sich sowohl im Inland als auch im Ausland. Indien ist der drittgrößte Kohleimporteur der Welt und das, obwohl es über enorme Kohlereserven verfügt.
Parallel dazu nahm der Anteil anderer Energiequellen an der Stromerzeugung wie Wasserkraft, Gas und Kernkraft ab. Analysten zufolge war die ungleichmäßig verteilte Monsunzeit einer der dafür verantwortlichen Faktoren. Der Mangel an Niederschlägen in einigen Gebieten wirkte sich negativ auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft aus. Weitere Gründe waren der starke Anstieg der Gaspreise und Wartungsarbeiten in den Kernkraftwerken.
Der indische Energieminister Raj Kumar Singh hat Berichten zufolge davor gewarnt, dass die Stromknappheit bis zu sechs Monate andauern könnte. Mit dem Beginn der Festivitäten in Indien in diesem Monat, in der der Verbrauch tendenziell am höchsten ist, könnte die Nachfrage nach Strom weiter zunehmen.
Indiens Behörden bemühen sich jedoch, die Ängste vor einem Versorgungsengpass zu zerstreuen. Das Kohleministerium erklärte am Sonntag, dass das Land über genügend Kohle verfüge, um den Bedarf der Kraftwerke zu decken, und dass die Befürchtungen einer Unterbrechung der Stromversorgung "unbegründet" und "falsch" seien.
Doch angesichts des geringen Angebots und der hohen Nachfrage muss mit Auswirkungen auf die Wirtschaft gerechnet werden. "Angesichts der massiven Abhängigkeit Indiens von der Wärmekraft könnten die inländischen Kohleversorger ihre Lieferungen an Wärmekraftwerke auf Kosten von Industrien wie Stahl, Zement usw. umleiten. In jedem Fall wird es zu einem kurzfristigen Rückgang der Aktivität kommen."
Die nachlassende Wirtschaftstätigkeit in diesen beiden asiatischen Giganten dürfte sich angesichts ihrer Stellung als wichtige globale Exportnationen erheblich auf das Weltwirtschaftswachstum und die Inflation auswirken.