von Robert Zach
Investing.com - Die einen schwören darauf, die anderen verachten es: So oder so - Gold ist immer wieder in aller Munde, vor allem in Krisenzeiten. Mit dem Ausbruch des Coronavirus hat sich der Goldpreis auf den höchsten Stand seit Dezember 2012 verteuert. Wirklich vorwärts gekommen, ist das gelbe Metall in den letzten Monaten aber nicht.
Seit Mitte Januar hat es "nur" um 4,4 Prozent zugelegt und dabei entwickelte sich das Virus in China zur Epidemie und breitete sich schließlich weltweit aus. Mittlerweile haben sich weltweit mehr als 1 Millionen Menschen mit Covid-19 infiziert - und ein Abebben der Infektionswelle ist noch nicht absehbar.
Millionen von Jobs stehen auf der Kippe, so gesehen in den USA, wo in den letzten zwei Wochen fast 10 Millionen Menschen einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt haben. Am Freitag dann der offizielle US-Arbeitsmarktbericht, wo im März über 700.000 Stellen wegfielen und das, obwohl der Erhebungszeitraum nur bis 12. März reichte, also vor den am 20. März ergriffenen Lockdown-Maßnahmen, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen.
"Das ist nur die Spitze des Eisbergs", schrieb Wells Fargo Securities in ihrem Wochenausblick. "Durch die ergriffenen Maßnahmen, das Virus in Schach zu halten, gehen Millionen von Arbeitsplätzen verloren und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mehrheit der Konjunkturdaten beispiellos einbrechen werden", fügten sie hinzu.
Analysten rechnen mittlerweile damit, dass die Arbeitslosenquote in den USA in den nächsten Monaten auf bis zu 10 Prozent steigen könnte. Für den Beschäftigungsbericht im April schätzt Capital Economics ein Stellenminus von bis zu 10 Millionen - so viel wie noch nie zuvor. Das dürfte auf kurz oder lang den Konsum, der das Rückgrat der US-Wirtschaft bildet, belasten.
Die US-Großbank Morgan Stanley (NYSE:MS) erwartet angesichts der Corona-Krise den stärksten Wachstumseinbruch seit 1946. Das BIP dürfte um 5,5 Prozent schrumpfen, sagen die Analysten voraus. Im zweiten Quartal könnte die Wirtschaftsleistung sogar um 38 Prozent einbrechen.
Eine Krise also, die alle Boote hebt, aber irgendwie den Goldpreis nicht durch die Decke gehen lässt. Das kanadische Investmenthaus TD Securities erwartet sogar, dass es kurzfristig erneut zu panikartigen Gold-Verkäufen kommen könnte, ähnlich wie im März.
"Wir sind noch nicht über den Berg, denn unsere Stimmungsanalysen deuten darauf hin, dass die Furcht der Anleger vor der Pandemie nachgelassen hat", schrieben die Rohstoffexperten in einer Notiz.
Man liest ja immer wieder, dass der Goldpreis steigt, weil er von den Anlegern als ein sicherer Hafen genutzt wird. Das ist in diesen zugegebenermaßen ungewöhnlichen Zeiten aber nicht ganz korrekt.
Die Marktunsicherheit lässt sich in der Regel am Volatilitätsindex VIX ablesen. Dieser misst die erwarteten Schwankungen anhand der Optionen auf den S&P 500. Sind die Märkte extrem nervös, schießt der Index nach oben, was die vorherrschende Unsicherheit der Anleger wiederspiegeln soll. Während der VIX seit Ende Februar um knapp 190 Prozent (in der Spitze sogar um fast 400 Prozent) zulegte - was die extreme Angst der Anleger zeigte - fiel der Goldpreis um 2,75 Prozent und das, obwohl am Markt die Hölle los war. Von sicherem Hafen kann hier also nicht die Rede sein.
Das lag zum einen daran, weil viele Investoren Margin Calls angesichts des Abverkaufs der Aktienmärkte zuvor kommen mussten und daher Positionen in Gold verkauften. Ausdruck für Zwangsliquidierungen war auch die Ausweitung des Bid-Ask-Spreads am Goldmarkt. Aber auch der Run auf den US-Dollar, der nach wie vor anhält, drückte den Goldpreis zeitweise spürbar nach unten. Die hohe Nachfrage nach Dollars resultierte nicht aus den fundamentalen Rahmenbedingungen in den USA, sondern aus reiner Not der Unternehmen, die wegen Cashflow-Problemen Anlagen liquidieren mussten, um ihre Dollar-Schulden zu begleichen.
TDS argumentiert jetzt, dass Gold ein relativ hohes Beta gegenüber den Pandemie-Ängsten aufweise. Sobald die Angst der Anleger wieder zunimmt, könnte daraus ein panikartiger Abwärtsimpuls resultieren. Je höher das Beta, desto rabiater reagiert Gold, wenn die Stimmung am Markt wieder umschlägt und die Ängste zunehmen, so die Schlussfolgerung der Investmentbank.
TD Securities begründete die kurzfristigen Abwärtsrisiken im Edelmetall mit der Gefahr eines "höchst deflationären Impulses", der aus den Eindämmungsmaßnahmen der Regierungen resultieren könnte und somit "die Realzinsen (auf kurze Sicht) in die Höhe treiben" könnte.
"Gold und andere High-Beta-Assets sind daher dem Risiko einer weiteren panikartigen Verkaufswelle ausgesetzt", warnen die Analysten.
Mittel- und langfristig ist TD Securities aber immer noch positiv gegenüber Gold eingestellt. Dafür sollten sich aber die Liquiditätskonditionen normalisieren, die negativen Renditen bestehen bleiben und die Sorge vor Währungsabwertung zunehmen - dann könnte der Goldpreis in nicht allzu ferner Zukunft in Richtung 1.800 Dollar steigen, glaubt das Investmenthaus aus Kanada.
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