Investing.com - Die Ölpreise suchten heute im europäischen Handel eine klare Richtung. Dabei wog der Markt die Anzeichen für einen unerwartet starken Rückgang der US-Rohöllagerbestände und eine Verknappung des Angebots gegen die Befürchtung weiter steigender Zinssätze ab.
Aus dem Protokoll der Juni-Sitzung der US-Notenbank ging gestern hervor, dass fast alle Mitglieder der Fed weitere Zinserhöhungen in den kommenden Monaten befürworten.
Der Kraftstoffverbrauch scheint in den USA in der reiselastigen Sommersaison derzeit anzuziehen. Auch die Rohölexporte der USA sind gestiegen, um die Versorgungslücke zu schließen, die durch die drastischen Produktionskürzungen seitens der OPEC, vor allem Saudi-Arabiens, entstanden ist.
Aktuell notiert das an der ICE gehandelte Barrel der Sorte Brent Öl 0,2 % im Minus bei 76,47 USD, während das an der Warenterminbörse NYMEX in New York gehandelte Rohöl der Sorte West Texas Intermediate kaum verändert bei 71,77 USD pro Barrel liegt.
US-Rohöllagerbestände schrumpfen die dritte Woche in Folge
Die Daten des American Petroleum Institute zeigen, dass die US-Rohöllagerbestände in der Woche bis zum 30. Juni um fast 4,4 Millionen Barrel abgenommen haben. Marktexperten hatten eine Abnahme um 1,8 Millionen Barrel erwartet. Somit sind die Lagerbestände in den USA so stark gesunken wie seit Ende Mai nicht mehr.
Und die offiziellen Daten der Energy Information Administration, die heute veröffentlicht werden, deuten auf einen ähnlichen Trend hin.
Der kontinuierliche Rückgang der US-Rohöllagerbestände hat die Hoffnung genährt, dass die Ölnachfrage in den USA während der reiselastigen Sommersaison steigt. Die etwas uneinheitlichen Angaben zu den Benzinvorräten, dem wichtigsten Kraftstoffprodukt des Landes, haben diesen Optimismus jedoch gedämpft.
Dennoch halfen die Anzeichen für eine Verknappung des Angebots den Märkten, über die hektischen Signale der Fed und die schwachen Wirtschaftsindikatoren des weltweit größten Ölimporteurs China hinwegzusehen.
Sowohl Saudi-Arabien als auch Russland hatten zu Wochenbeginn längere und tiefgreifendere Förderkürzungen in Aussicht gestellt, um die Rohölpreise zu stützen.
Schwache China-Aussichten belasten die Rohölmärkte
Eine Reihe aktueller Wirtschaftsdaten aus China zeigt derweil, dass die Wirtschaftstätigkeit im größten Ölimporteur der Welt weiterhin unter Druck steht. Damit haben sich die Erwartungen seitens des Marktes für einen chinesischen Wirtschaftsaufschwung noch in diesem Jahr nahezu erledigt.
Für zusätzliche Anspannung sorgt eine mögliche Eskalation des Handelskriegs zwischen den USA und China, nachdem Peking die Ausfuhr wichtiger Materialien für die Chipherstellung in die USA beschränkt hat. Die Märkte befürchten nun Vergeltungsmaßnahmen durch die US-Regierung, die den Welthandel und die Wirtschaftstätigkeit weiter verunsichern könnten. Eine solche Entwicklung würde sich wiederum negativ auf die Ölnachfrage auswirken.
Die wirtschaftliche Schwäche Chinas in Verbindung mit der Angst vor steigenden US-Zinsen hat die Hoffnungen auf eine Erholung der Ölnachfrage in diesem Jahr weitgehend zunichtegemacht. Die Rohölpreise liegen auf Jahressicht immer noch rund 10 % im Minus.