FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 1. März 2012. Es ist geschafft. Mit dem neuen Supertender der EZB erhalten die Geschäftsbanken frisches Geld für drei Jahre und das nährt die Hoffnung auf weitere Kursgewinne. Doch Risiken im Finanzsystem gefährden die Börsenrallye. Und Bundesbank-Chef Weidmann weist jetzt auf einen weiteren Gefahrenherd hin. Immer mehr Risiken für den Aufschwung werden offenbart. Die Banken erhalten Doping-Mittel, die Börsen jubilieren und die Risiken wachsen dabei immer weiter. Wie lange kann das gut gehen?
Die EZB hat mit ihrem neusten Dreijahrestender zumindest die Geschäftsbanken glücklich gemacht. Mit über 500 Millairden Euro hat die Notenbank die Banken mit frischem Geld versorgt. Etwa die Hälfte davon, so wird geschätzt, wird für die Tilgung von Altkrediten verwendet. Der Rest des Geldes steht jedoch zur freien Verfügung. Die Hoffnung ist, dass ähnlich wie beim letzten Supertender Anfang Dezember, die Geldinfusion auch die Finanzmärkte in Wallung hält. Die Politik erhofft sich eine weitere Stabilisierung der Anleihemärkte und die meisten Anleger erhoffen sich, dass auch noch etwas für den Aktienmarkt übrig bleibt. EZB-Chef Mario Draghi erhofft sich mit der langfristigen Ausgabe von Billigkrediten in erster Linie aber eine verbesserte Liquiditätslage des Bankensystems. Alles in allem sind große Erwartungen mit dem EZB Geld verknüpft. Und sollte nichts dazwischen kommen so müssten die Finanzmärkte davon weiter profitieren, womit einer Fortsetzung der Rallye nichts mehr im Wege steht. Wenn eben nichts dazwischen kommt!
Ob diese Wünsche in Erfüllung gehen, hängt nicht nur von der monetären Strategie der europäischen Notenbank ab. Auch die Konjunkturentwicklung wird mächtig Einfluss auf die weitere Entwicklung haben. Gute Daten aus den USA und Deutschland haben zuletzt die Hoffnung -mit einem 'Blauen Auge' davonzukommen- geweckt. Doch für eine genaue Analyse sollte unsere Aufmerksamkeit dem gesamten Organismus, dem gesamten Finanzsystem gelten. Nicht nur einzelnen Organen. Wir sollten besonders nach den verdeckten Risiken suchen. Denn die Gefahren, die aus der Schuldenkrise für das gesamte Finanzsystem entstanden sind, sind nur teilweise bekannt. Beispielsweise wurde über die Risiken die durch Kreditausfallversicherungen (CDS) entstehen bereits viel diskutiert, ohne aber einen Überblick oder gar ein konkretes Ergebnis zur Eindämmung der Risiken zu erzielen.
Aber zumindest sind wir uns der Gefahr mittlerweile bewusst. Eine weitere Gefahr geht von Target-Krediten der Notenbanken aus. So sind die Schulden der Südeuropäer und die Bürgschaften, mit denen beispielsweise Deutschland dafür gerade steht, bekannt. Aber nicht so bekannt ist, dass beispielsweise die Bundesbank ebenfalls beträchtliche Forderungen an die Notenbanken von Krisenländern hat. Bereits seit einigen Wochen warnt Hans Werner Sinn vom ifo-Institut vor einer riesigen Schieflage der Bundesbank. Wodurch könnte diese Schieflage entstehen? Vereinfacht gesagt leihen sich auch die Notenbanken untereinander im Rahmen der Geldschöpfung Geld. Bis 2007 ergaben sich daraus auch keinerlei Probleme, denn Forderungen und Verbindlichkeiten glichen sich in etwa aus. Doch seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist alles anders.
Die Forderungen der Bundesbank gegenüber den Notenbanken Südeuropas steigen kontinuierlich an. Bereits im Sommer 2011 sollen die Schulden südeuropäischer Notenbanken bei der Bundesbank über 327 Milliarden Euro gelegen haben. Heute soll die Forderung der Bundesbank bei geschätzten 500 Miliarden Euro liegen. Dieses Ungleichgewicht entsteht dadurch, dass bekanntermaßen die besagten Volkswirtschaften grundsätzlich mehr Waren von uns importieren als exportieren und so generell Schulden im Ausland anhäufen. Da die Krisenländer über die Kapitalmärkte nur noch schwer an Geld kommen (besonders ausländisches Geld) und ihnen sonst im wahrsten Sinne des Wortes das Geld ausgeht, werden diese Zahlungsbilanzdefizite über das Drucken von Geld ausgeglichen und über Kredite bei der EZB abgesichert. Für diese Kredite entstehen unter anderem bei der Bundesbank Forderungen an die EZB. Wenn man so will, drucken die Notenbanken Südeuropas vermehrt Geld auf Kosten anderer Staaten. Die Notenbanken dieser Staaten gleichen das durch Kredite an die EZB wieder aus. Das ganze nennt man Target-Kredite. So schön, so gut oder auch nicht.
Denn mittlerweile sorgen sich immer mehr Beobachter über die Höhe der Bundesbank Forderungen aus diesen Target-Krediten, denn sollten Kredite über die Maßen ausfallen, müsste möglicherweise die Bundesbank den Ausfall tragen und in letzter Konsequenz der deutsche Steuerzahler dafür gerade stehen. Über das Ausmaß der Risiken streiten sich derzeit viele Experten. Aber an der Existenz dieser Risiken besteht kein Zweifel mehr. Selbst Bundesbank-Chef Jens Weidmann regt mittlerweile eine Diskussion über die Risiken von Target-Krediten an und schlägt eine Besicherung der Forderungen an Krisenländer, nach dem Beispiel der USA, vor. Damit könnte einem größeren Ausfall vorgebeugt werden. Aber kurzfristig ist das kaum umsetzbar und so verbleibt ein großer Schuldenberg von Griechenland und Co. nicht nur beim Deutschen Staat, sondern zusätzlich bei der Bundesbank.
Es existieren viele bekannte wie auch bisher unbekannte systemische Risiken, die eine Eskalation der Schuldenkrise in Europa herbeiführen könnten. Dem kurzfristigen Erfolg der Börsen muss das nicht abträglich sein, aber auf Dauer kann das niemals gut gehen.
© 1. März 2012/Oliver Roth
* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
Die EZB hat mit ihrem neusten Dreijahrestender zumindest die Geschäftsbanken glücklich gemacht. Mit über 500 Millairden Euro hat die Notenbank die Banken mit frischem Geld versorgt. Etwa die Hälfte davon, so wird geschätzt, wird für die Tilgung von Altkrediten verwendet. Der Rest des Geldes steht jedoch zur freien Verfügung. Die Hoffnung ist, dass ähnlich wie beim letzten Supertender Anfang Dezember, die Geldinfusion auch die Finanzmärkte in Wallung hält. Die Politik erhofft sich eine weitere Stabilisierung der Anleihemärkte und die meisten Anleger erhoffen sich, dass auch noch etwas für den Aktienmarkt übrig bleibt. EZB-Chef Mario Draghi erhofft sich mit der langfristigen Ausgabe von Billigkrediten in erster Linie aber eine verbesserte Liquiditätslage des Bankensystems. Alles in allem sind große Erwartungen mit dem EZB Geld verknüpft. Und sollte nichts dazwischen kommen so müssten die Finanzmärkte davon weiter profitieren, womit einer Fortsetzung der Rallye nichts mehr im Wege steht. Wenn eben nichts dazwischen kommt!
Ob diese Wünsche in Erfüllung gehen, hängt nicht nur von der monetären Strategie der europäischen Notenbank ab. Auch die Konjunkturentwicklung wird mächtig Einfluss auf die weitere Entwicklung haben. Gute Daten aus den USA und Deutschland haben zuletzt die Hoffnung -mit einem 'Blauen Auge' davonzukommen- geweckt. Doch für eine genaue Analyse sollte unsere Aufmerksamkeit dem gesamten Organismus, dem gesamten Finanzsystem gelten. Nicht nur einzelnen Organen. Wir sollten besonders nach den verdeckten Risiken suchen. Denn die Gefahren, die aus der Schuldenkrise für das gesamte Finanzsystem entstanden sind, sind nur teilweise bekannt. Beispielsweise wurde über die Risiken die durch Kreditausfallversicherungen (CDS) entstehen bereits viel diskutiert, ohne aber einen Überblick oder gar ein konkretes Ergebnis zur Eindämmung der Risiken zu erzielen.
Aber zumindest sind wir uns der Gefahr mittlerweile bewusst. Eine weitere Gefahr geht von Target-Krediten der Notenbanken aus. So sind die Schulden der Südeuropäer und die Bürgschaften, mit denen beispielsweise Deutschland dafür gerade steht, bekannt. Aber nicht so bekannt ist, dass beispielsweise die Bundesbank ebenfalls beträchtliche Forderungen an die Notenbanken von Krisenländern hat. Bereits seit einigen Wochen warnt Hans Werner Sinn vom ifo-Institut vor einer riesigen Schieflage der Bundesbank. Wodurch könnte diese Schieflage entstehen? Vereinfacht gesagt leihen sich auch die Notenbanken untereinander im Rahmen der Geldschöpfung Geld. Bis 2007 ergaben sich daraus auch keinerlei Probleme, denn Forderungen und Verbindlichkeiten glichen sich in etwa aus. Doch seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist alles anders.
Die Forderungen der Bundesbank gegenüber den Notenbanken Südeuropas steigen kontinuierlich an. Bereits im Sommer 2011 sollen die Schulden südeuropäischer Notenbanken bei der Bundesbank über 327 Milliarden Euro gelegen haben. Heute soll die Forderung der Bundesbank bei geschätzten 500 Miliarden Euro liegen. Dieses Ungleichgewicht entsteht dadurch, dass bekanntermaßen die besagten Volkswirtschaften grundsätzlich mehr Waren von uns importieren als exportieren und so generell Schulden im Ausland anhäufen. Da die Krisenländer über die Kapitalmärkte nur noch schwer an Geld kommen (besonders ausländisches Geld) und ihnen sonst im wahrsten Sinne des Wortes das Geld ausgeht, werden diese Zahlungsbilanzdefizite über das Drucken von Geld ausgeglichen und über Kredite bei der EZB abgesichert. Für diese Kredite entstehen unter anderem bei der Bundesbank Forderungen an die EZB. Wenn man so will, drucken die Notenbanken Südeuropas vermehrt Geld auf Kosten anderer Staaten. Die Notenbanken dieser Staaten gleichen das durch Kredite an die EZB wieder aus. Das ganze nennt man Target-Kredite. So schön, so gut oder auch nicht.
Denn mittlerweile sorgen sich immer mehr Beobachter über die Höhe der Bundesbank Forderungen aus diesen Target-Krediten, denn sollten Kredite über die Maßen ausfallen, müsste möglicherweise die Bundesbank den Ausfall tragen und in letzter Konsequenz der deutsche Steuerzahler dafür gerade stehen. Über das Ausmaß der Risiken streiten sich derzeit viele Experten. Aber an der Existenz dieser Risiken besteht kein Zweifel mehr. Selbst Bundesbank-Chef Jens Weidmann regt mittlerweile eine Diskussion über die Risiken von Target-Krediten an und schlägt eine Besicherung der Forderungen an Krisenländer, nach dem Beispiel der USA, vor. Damit könnte einem größeren Ausfall vorgebeugt werden. Aber kurzfristig ist das kaum umsetzbar und so verbleibt ein großer Schuldenberg von Griechenland und Co. nicht nur beim Deutschen Staat, sondern zusätzlich bei der Bundesbank.
Es existieren viele bekannte wie auch bisher unbekannte systemische Risiken, die eine Eskalation der Schuldenkrise in Europa herbeiführen könnten. Dem kurzfristigen Erfolg der Börsen muss das nicht abträglich sein, aber auf Dauer kann das niemals gut gehen.
© 1. März 2012/Oliver Roth
* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de
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