(aktualisierte Fassung)
LOS ANGELES (dpa-AFX) - Am zweiten Tag des Amerika-Gipfels steht US-Präsident Joe Biden ein schwieriges Treffen mit dem brasilianischen Staatschef Jair Bolsonaro bevor. Der Rechtspopulist schwänzte die Eröffnungsfeier des Gipfeltreffens und kam erst am Donnerstag nach Los Angeles. Der Ex-Militär stellt sich im Oktober in dem größten Land Lateinamerikas zur Wiederwahl und streut wie Bidens Vorgänger Donald Trump bereits im Vorfeld Zweifel an der korrekten Durchführung der Abstimmung. In den Umfragen liegt Bolsonaro deutlich hinter dem linken Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.
Auch die anhaltende Abholzung des Regenwaldes könnte bei dem Treffen für Konflikte sorgen. Bolsonaro will Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung im Amazonasgebiet ausweiten und bewertet jede Kritik an seinen Plänen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes.
"Es gibt keine Themen, die in bilateralen Gesprächen tabu sind, auch nicht mit Präsident Bolsonaro. Ich gehe davon aus, dass der Präsident offene, freie, faire und transparente demokratische Wahlen ansprechen wird", sagte der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, vor dem Treffen. "Auch das Klima wird ein wichtiges Gesprächsthema sein - und wir glauben, dass dies ein Bereich sein kann, in dem die Beziehungen zwischen den USA und Brasilien Fortschritte machen können. Wir sind bereit, viel auf den Tisch zu legen, wenn es darum geht, Ländern wie Brasilien dabei zu helfen, das Amazonasgebiet vor weiterer Abholzung zu schützen."
Ob das Treffen der Präsidenten der beiden bevölkerungsreichsten Länder der Region wirklich zu konkreten Ergebnissen führt, ist allerdings fraglich. "Biden und Bolsonaro sind sich wirklich über alles uneinig", schrieb der deutsch-brasilianische Politologe Oliver Stuenckel vor dem Treffen auf Twitter (NYSE:TWTR). "In Fragen wie dem Umweltschutz, dem Krieg in der Ukraine oder der wachsenden Präsenz Chinas in Lateinamerika gibt es praktisch keinen Raum für eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen den USA und Brasilien."
Bei der Eröffnung des Amerika-Gipfels am Mittwoch hatte Biden ein Plädoyer für Demokratie und Kooperation in der westlichen Hemisphäre gehalten. "Demokratie ist ein Kennzeichen unserer Region", sagte er in seiner Rede. "Wenn wir heute zusammenkommen, in einer Zeit, in der die Demokratie in der ganzen Welt angegriffen wird, sollten wir uns vereinen und unsere Überzeugung erneuern, dass die Demokratie nicht nur das bestimmende Merkmal der amerikanischen Geschichte ist, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der Zukunft Amerikas."
Bereits im Vorfeld wurde der Gipfel überschattet von einem wochenlangen Streit um die Teilnehmerliste. Weil Kuba, Venezuela und Nicaragua nicht zu dem Gipfel eingeladen wurden, zeigten sich die linken Regierungschefs von Mexiko, Bolivien und Honduras solidarisch und sagten ihrerseits ihre Teilnahme ab. Auch die Staats- und Regierungschefs aus El Salvador, Guatemala, Uruguay und zwei kleinen Karibikstaaten kamen aus unterschiedlichen Gründen nicht zu dem Treffen.
"Wir sind nicht immer in allem einer Meinung. Aber weil wir Demokratien sind, klären wir unsere Meinungsverschiedenheiten mit gegenseitigem Respekt und im Dialog", sagte Biden. "Auf diesem Gipfel haben wir die Gelegenheit, zusammenzukommen und den Menschen mit kühnen Ideen und ehrgeizigen Taten zu zeigen, dass die unglaubliche Kraft der Demokratien konkrete Vorteile bringt und das Leben für alle besser macht."
Am Freitag will die US-Regierung außerdem eine gemeinsame Erklärung zur Migration vorstellen. Darüber sollen auch die Länder in Lateinamerika in die Pflicht genommen werden, die illegale Migration in die USA zu bremsen. Zum einen sollen die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verbessert und Schlepperbanden härter bekämpft werden - zum anderen soll legale Migration ermöglich werden, wie Biden sagte. Der Boykott der Präsidenten von Mexiko, Guatemala, Honduras und Salvador könnte dem ambitionierten Migrationsplan allerdings die Schlagkraft nehmen. Ausgerechnet aus diesen Ländern kommt der Großteil der Menschen, die wegen Gewalt und Armut ihre Heimat verlassen und auf ein besseres Leben in den USA hoffen.