(Neu: Ökonomen-Kommentare)
WIESBADEN (dpa-AFX) - Das Leben in Deutschland hat sich im Mai wieder stärker verteuert. Zum ersten Mal in diesem Jahr gewann die Inflation wieder an Tempo. Die Verbraucherpreise lagen um 2,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden anhand vorläufiger Daten mitteilte. Der Rückgang der Inflation war bereits im April bei einer Rate von 2,2 Prozent ins Stocken geraten. Manche Volkswirte halten das Inflationsproblem noch nicht für gelöst.
"Es wird holprig", sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Nach Einschätzung von ING (AS:INGA) -Chefvolkswirt Carsten Brzeski verdeutlichen die aktuellen Daten, "wie hartnäckig die Inflation bleibt". Deutsche-Bank-Volkswirt Sebastian Becker sieht dagegen keinen Grund zur Beunruhigung. Die Inflationsrate könnte dank fallender Energiepreise im Sommer - zumindest temporär - "unter die symbolisch wichtige 2-Prozent-Hürde fallen."
Energie billiger - Dienstleistungen deutlich teurer
Im Mai kostete Energie den vorläufigen Angaben zufolge 1,1 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, obwohl seit 1. April für Erdgas und Fernwärme wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gilt. Um die hohen Energiepreise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine abzufedern, hatte die Politik die Mehrwertsteuer dafür vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 auf 7 Prozent gesenkt.
Für Nahrungsmittel mussten Verbraucherinnen und Verbraucher nach den vorläufigen Daten im Mai insgesamt 0,6 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor.
Dienstleistungen verteuerten sich voraussichtlich um 3,9 Prozent. Besonders deutlich zogen die Preise für Versicherungsdienstleistungen an, wie aus Daten Statistischer Landesämter hervorgeht. Auch für den Gaststätten-Besuch mussten die Menschen teilweise mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Reallöhne deutlich gestiegen
Volkswirte hatten mit einem Anziehen der Inflation im Mai gerechnet. Das liege vor allem an den stark steigenden Löhnen, die die Preise der arbeitsintensiven Dienstleistungen nach oben treiben würden, erläuterte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Das Inflationsproblem ist noch lange nicht gelöst."
Im ersten Quartal sorgten Tarifsteigerungen und Inflationsausgleichsprämien für einen deutlichen Anstieg der Nominallöhne der Beschäftigten um 6,4 Prozent. Da gleichzeitig die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum nur um 2,5 Prozent kletterten, ergab sich ein Zuwachs der Reallöhne um 3,8 Prozent. Das war das stärkste Plus seit Einführung der Statistik im Jahr 2008, wie das Bundesamt ebenfalls am Mittwoch mitteilte.
Der Anstieg der Reallöhne stärkt die Kaufkraft der Verbraucher, das kann den Konsum als wichtige Konjunkturstütze ankurbeln. Im ersten Quartal hatten die Menschen ihr Geld allerdings noch zusammengehalten. Das könnte sich nun ändern.
Kauflaune der Verbraucher hellt sich weiter auf
Die Kauflaune der Menschen in Deutschland verbesserte sich derweil zum vierten Mal in Folge, wie aus der aktuellen Konsumklima-Studie der Nürnberger Forschungsinstitute GfK und NIM hervorgeht. Allerdings sei die Neigung zu größeren Anschaffungen noch immer gebremst.
Auch ein statistischer Effekt spielte beim Inflationsanstieg im Mai eine Rolle. "Die Einführung des Deutschlandtickets liegt jetzt ein Jahr zurück. Der damit verbundene preisdämpfende Effekt fällt somit aus dem Vorjahresvergleich heraus", erläuterte Volkswirt Friedrich Heinemann vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW.
Gegenüber dem Vormonat April stiegen die Verbraucherpreise den vorläufigen Angaben zufolge im Mai um 0,1 Prozent.
EZB-Zinserhöhung zeichnet sich ab
Die extrem hohen Inflationsraten der vergangenen beiden Jahre sind inzwischen Geschichte. Im Jahresschnitt erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation in Europas größter Volkswirtschaft auf 2,3 Prozent nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr.
Die Euro-Währungshüter streben für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Nach der beispiellosen Serie von Erhöhungen im Kampf gegen die zeitweise extrem hohe Inflation zeichnet sich eine erste Zinssenkung im Juni ab. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt am Donnerstag (6. Juni) zu seiner nächsten geldpolitischen Sitzung zusammen.