BERLIN (dpa-AFX) - Die Organisation LobbyControl hat die Koalitionspläne gegen Abgeordnetenbestechung vor der ersten Beratung im Bundestag als lückenhaft kritisiert. Der Politikwissenschaftler Timo Lange von dem lobbykritischen Verein sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, es könnten Schlüpflöcher für Korruption bleiben.
Denn nur wenn ein Abgeordneter im Auftrag oder auf Weisung eines Dritten handele, solle ein Straftatbestand vorliegen. Ein klarer Auftrag sei in Fällen von Korruption aber nur schwer nachzuweisen. 'Diese Einschränkung ist eine mögliche Hintertür.' Der Gesetzentwurf von Union und SPD wird an diesem Freitag (9.00 Uhr) erstmals im Bundestag debattiert.
Lange sagte, in der Gesetzesbegründung werde zwar erläutert, dass Auftrag und Weisung weit verstanden werden sollten. Doch im Zweifelsfall folgten Gerichte eher dem Wortlaut des eigentlichen Gesetzes.
'Wir freuen uns, dass es jetzt vorwärtsgeht', sagte Lange zugleich. Allerdings sei er erstaunt, wie schnell die Koalition das Gesetz durch den Bundestag bringen wolle. 'Es wirkt so, als wäre eine öffentliche Debatte gar nicht erwünscht.'
Bereits eine Woche nach Bekanntwerden des Entwurfs und drei Tage nach der ersten Lesung soll im Rechtsausschuss des Bundestags eine Expertenanhörung dazu stattfinden. Es geht um knifflige Fragen. So will die Koalition anerkannte parlamentarische Gepflogenheiten nicht als Korruption klassifizieren. Eine Definition hierzu ist nach verbreiteter Ansicht auch unter Koalitionsabgeordneten schwierig. Darf sich ein Abgeordneter etwa zum Essen einladen lassen? Ende kommender Woche soll das Gesetz nach dem Willen der Koalition bereits im Bundestag verabschiedet werden.
Das Gesetz ist auch Voraussetzung für die seit Jahren ausstehende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Da die Koalition die Ratifizierung selbst aber nicht zugleich vorsieht, haben die Grünen hierfür einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht.
Auch der Gesetzentwurf von Union und SPD für eine Diätenreform wird in erster Lesung beraten. Zunächst soll es eine deutliche Erhöhung der Entschädigung für die Bundestagsabgeordneten geben - sie soll bis Mitte der Wahlperiode von 8252 auf 9082 Euro steigen. Dann soll die bisher jedes Mal neue Festlegung auf höhere Diäten entfallen
- es soll ein Automatismus greifen. Die einkommensteuerpflichtigen
Entschädigungen sollen sich an der allgemeinen Lohnentwicklung orientieren. Daneben gibt es weitere Punkte wie eine Kürzung bei den Pensionen. Die Opposition kritisierte die Diätenerhöhung und hält die Einschnitte bei der Altersversorgung für unzureichend.
Auch die Affäre um Datenspionage der Geheimdienste beschäftigt das Parlament. Die Grünen haben hierzu einen Aufruf von Schriftstellern zur Verteidigung der Demokratie als Antrag eingebracht. Rund 15 Autoren wollen die Debatte nach Grünen-Angaben auf der Zuschauertribüne verfolgen. Im Anschluss (12.00 Uhr) findet ein Treffen der Grünen mit den Schriftstellern im Reichstagsgebäude statt. Teilnehmen wollen demnach unter anderem Andreas Stichmann, Priya Basil, Moritz Rinke, Tanja Drückers und Eva Menasse.