- von Gernot Heller
Washington (Reuters) - Die von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in Aussicht gestellte Verständigung zwischen den USA und Europa über neue Kapitalanforderungen sorgten in der deutschen Kreditwirtschaft für Kritik und Sorgen.
Wenn sich die Informationen über einen Kompromiss in der Streitfrage der Kapitalbedarfsberechnung bestätigten, führe das zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der europäischen und damit deutschen Institute, kritisierten die Verbände von Sparkassen und Privatbanken. Insider sprachen am Samstag aber davon, dass sich eine Einigung ohnehin noch verzögern dürfte, nicht zuletzt wegen französischer Bedenken. Weidmann hatte zuvor gesagt, eine Verständigung sei "in Reichweite".
Der Bundesbank-Präsident sprach in Washington am Rande der IWF-Jahrestagung von einer starken Annährung zwischen den Positionen Europas und der USA, was die Berechnung der Risiken betreffe, aus denen ihr Kapitalbedarf zur Absicherung abgeleitet wird. Es geht im Kern darum, wie weit sich die Banken dabei auf interne Risiko-Berechnungsmodelle verlassen können. Nach Angaben von Insidern soll nach der sich abzeichnenden Kompromissformel den Banken abverlangt werden, als Untergrenze (Floor) einen Wert von 72,5 Prozent des Kapitalbedarfs wahren, der sich nach einem Standardmodell ergeben würde. Die USA hatten 75 Prozent gefordert, die Europäer wollten nur 70 Prozent akzeptieren.
Dass allerdings trotz der Annährung auch in Washington noch keine endgültige Verständigung über das sogenannte Basel-III-Reformpaket zu erwarten sei, hatte auch Weidmann gesagt. Dazu sei das Thema zu komplex. Eine Einigung sei aber nahe. "Es steht hier kein Deal bevor", merkte ein Banker an. Frankreich lehne es ab, den Kompromiss bei dem Regelwerk zu unterstützen, falls nicht andere Bedingungen erfüllt würden.
An den Reformprojekt Basel III wird seit vielen Jahren gearbeitet. Es ist eines der Kernvorhaben, mit dem Lehren aus der Finanzkrise 2008 gezogen und eine Wiederholung verhindert werden soll.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, warnte, "faule Kompromisse und vorschnelle Lösungen" könnten nicht im Interesse Europas sein. Sein Verband plädiere für interne Modelle zur Risikomessung. Er sehe aber, dass die Entscheidung, diese durch das Einziehen einer Untergrenze nach einem Standardmodell zu begrenzen, wohl unumkehrbar sei. So, wie es jetzt aussehe, drohten wegen der unterschiedlichen Kreditvergabe- und Finanzierungsstrukturen in Europa und den USA Nachteile für die Europäer.
In ein ähnliches Horn stieß der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon. Er warnte in der US-Hauptstadt vor einem "falschen Kompromiss", der die europäischen Institute und auch deren Kreditkunden, gerade im Mittelstand, belasten könnte. "Eine solche Einigung würde zulasten des kontinentaleuropäischen Bankenmarktes gehen und langfristig angelegte Finanzierungsstrukturen gefährden", lautete seine Mahnung. "Damit würden die Kapitalbelastungen der meisten europäischen Institute erheblich steigen."