APA ots news: Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 30. Jänner 2012. Von NINA WERLBERGER. 'Deutschland, der überforderte Egoist'.
Innsbruck (APA-ots) - Untertitel: Angela Merkel wird zu Unrecht für
ihre Haltung im Euro-Krisenmanagement getreten. Die wachsende
Isolation Deutschlands im Schuldenkampf ist auch das Resultat von
Ängsten, neuen Machtverhältnissen und Überforderung.
Musterschülerin, Herrscherin über Europa, Egoistin oder 'Madame Non':
Angela Merkel bekommt für die deutsche Haltung im Kampf gegen die
Schuldenkrise derzeit mediale Hiebe ohne Ende. Die deutsche Kanzlerin
steht international zunehmend isoliert da. Berlin solle noch mehr
Geld für den Euro-Rettungsschirm lockermachen und sich nicht so sehr
aufs Sparen versteifen - so lassen sich die Botschaften von Ökonomen,
Internationalem Währungsfonds, Währungshütern, EU und USA
zusammenfassen.
Alle gegen Merkel also. Gerechtfertigt ist das nicht, wiewohl eine
sachliche Kritik am deutschen Spardiktat durchaus angebracht ist:
Natürlich kann ein Land wie Griechenland schwerlich wachsen, wenn es
nur noch spart. Dieses große Manko haben die Deutschen in ihren
Rettungsstrategien bisher tunlichst übersehen. Doch das ändert nichts
an der zwingenden Notwendigkeit, die Haushalte in Europa rasch und
nachhaltig zu sanieren. Deutschland hat völlig Recht, darauf zu
pochen, dass vereinbarte Ziele auch kontrolliert werden - auch wenn
die deutsche Idee eines EU-Statthalters in Athen weit über das Ziel
hinausschießt. Gilt doch das Budgetrecht als Kernelement staatlicher
Souveränität - ein Eingriff wäre ein beispielloser Sündenfall.
Doch zurück zum Schimpfen auf Krisenkämpferin Merkel: Dieses hat
tieferliegende Ursachen, die sich kaum mit Antipathien gegenüber
deutschen Tugenden abtun lassen. Zum einen hat die Schuldenkrise die
Machtverhältnisse in Europa verschoben. Seit Deutschland nach dem
Ratinggemetzel von Standard & Poor's das letzte verbliebene Euroland
mit der besten Bonitätsnote AAA ist, wurde das schuldenmoralische
Selbstverständnis nochmals ein anderes. Zum anderen hat Angela Merkel
gemeinsam mit Frankreich die europäische Integration in einem
rasanten Tempo vorangetrieben. Deutschland tat dies aus eigenem
Interesse, aber auch zum Nutzen der anderen Staaten. Vielen Europäern
ging das zu schnell, sie fühlen sich übergangen.
Das Problem, das Europa mit Deutschland hat, ist trotz allem weniger
die Sorge vor der Dominanz Berlins. Die eigentlich brenzlige Frage
ist, was passiert, wenn die Deutschen nicht mehr wollen. Die
Vehemenz, mit der sich Deutschland nun weigert, nochmals weitere
Milliarden zur Verfügung zu stellen, kann auch als Symptom einer
Überforderung gewertet werden. Eine 'Es reicht endgültig'-Stimmung
macht sich breit. Sollte diese eskalieren, muss sich Europa um den
vermeintlichen Egoismus der Deutschen keine Sorgen mehr machen.
Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion , Tel.: 05 04 03 DW 610
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/213/aom
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OTS0062 2012-01-29/21:00
Innsbruck (APA-ots) - Untertitel: Angela Merkel wird zu Unrecht für
ihre Haltung im Euro-Krisenmanagement getreten. Die wachsende
Isolation Deutschlands im Schuldenkampf ist auch das Resultat von
Ängsten, neuen Machtverhältnissen und Überforderung.
Musterschülerin, Herrscherin über Europa, Egoistin oder 'Madame Non':
Angela Merkel bekommt für die deutsche Haltung im Kampf gegen die
Schuldenkrise derzeit mediale Hiebe ohne Ende. Die deutsche Kanzlerin
steht international zunehmend isoliert da. Berlin solle noch mehr
Geld für den Euro-Rettungsschirm lockermachen und sich nicht so sehr
aufs Sparen versteifen - so lassen sich die Botschaften von Ökonomen,
Internationalem Währungsfonds, Währungshütern, EU und USA
zusammenfassen.
Alle gegen Merkel also. Gerechtfertigt ist das nicht, wiewohl eine
sachliche Kritik am deutschen Spardiktat durchaus angebracht ist:
Natürlich kann ein Land wie Griechenland schwerlich wachsen, wenn es
nur noch spart. Dieses große Manko haben die Deutschen in ihren
Rettungsstrategien bisher tunlichst übersehen. Doch das ändert nichts
an der zwingenden Notwendigkeit, die Haushalte in Europa rasch und
nachhaltig zu sanieren. Deutschland hat völlig Recht, darauf zu
pochen, dass vereinbarte Ziele auch kontrolliert werden - auch wenn
die deutsche Idee eines EU-Statthalters in Athen weit über das Ziel
hinausschießt. Gilt doch das Budgetrecht als Kernelement staatlicher
Souveränität - ein Eingriff wäre ein beispielloser Sündenfall.
Doch zurück zum Schimpfen auf Krisenkämpferin Merkel: Dieses hat
tieferliegende Ursachen, die sich kaum mit Antipathien gegenüber
deutschen Tugenden abtun lassen. Zum einen hat die Schuldenkrise die
Machtverhältnisse in Europa verschoben. Seit Deutschland nach dem
Ratinggemetzel von Standard & Poor's das letzte verbliebene Euroland
mit der besten Bonitätsnote AAA ist, wurde das schuldenmoralische
Selbstverständnis nochmals ein anderes. Zum anderen hat Angela Merkel
gemeinsam mit Frankreich die europäische Integration in einem
rasanten Tempo vorangetrieben. Deutschland tat dies aus eigenem
Interesse, aber auch zum Nutzen der anderen Staaten. Vielen Europäern
ging das zu schnell, sie fühlen sich übergangen.
Das Problem, das Europa mit Deutschland hat, ist trotz allem weniger
die Sorge vor der Dominanz Berlins. Die eigentlich brenzlige Frage
ist, was passiert, wenn die Deutschen nicht mehr wollen. Die
Vehemenz, mit der sich Deutschland nun weigert, nochmals weitere
Milliarden zur Verfügung zu stellen, kann auch als Symptom einer
Überforderung gewertet werden. Eine 'Es reicht endgültig'-Stimmung
macht sich breit. Sollte diese eskalieren, muss sich Europa um den
vermeintlichen Egoismus der Deutschen keine Sorgen mehr machen.
Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion , Tel.: 05 04 03 DW 610
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/213/aom
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