FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 8. Mai 2012. Warum sich der Euro an den Devisenmärkten trotz Krise außerordentlich stabil hält und worauf diese Wiederstandsfähigkeit zurückzuführen ist, sind diese Woche Thema in Hüfners Wochenkommentar.
Alle reden über die Eurokrise - nur einer nicht. Das sind ausgerechnet die Devisenmärkte. Hier herrscht seit Beginn der Schwierigkeiten in der Währungsunion Anfang 2010 nach wie vor Business as Usual. Der Wechselkurs hält sich - wie die Grafik zeigt - in einer engen Bandbreite von 1,20 bis 1,40 US-Dollar. Als sich die Spannungen zuletzt mit den Schwierigkeiten in Italien und Spanien und den Wahlen in Frankreich und Griechenland verschärften, wurden die Bewegungen nicht größer sondern eher kleiner.
Auch längerfristig ist an der Wechselkursentwicklung nichts von Krise zu sehen. Wenn man sich den Kursverlauf seit Einführung der Gemeinschaftswährung 1999 anschaut, dann fällt nur eines auf: Der Wechselkurs geht jetzt nicht mehr nach oben, wie das bis 2008 der Fall war. Er bewegt sich eher seitwärts. Er fällt aber nicht. Der Euro ist nicht schwach. Er liegt absolut gesehen noch über der Kaufkraftparität von rund 1,20 US-Dollar je Euro.
Diese Entwicklung passt so gar nicht in die üblichen Vorstellungen der Devisenmarktanalyse. Wer all die Spannungen in der Währungsunion vorhergesehen hätte, der würde den Euro eher bei der Parität zum US-Dollar sehen, vielleicht sogar noch tiefer, etwa bei den 0,80 US-Dollar, die in den Jahren 1999 bis 2002 erreicht worden waren.
Worauf ist die Widerstandsfähigkeit des Euros zurückzuführen? Manche sagen, es liege nicht an der Stärke des Euros, sondern an der Schwäche des US-Dollars. Tatsächlich hat sich die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Schweizer Franken und dem Britischen Pfund während der Krise abgewertet. Andererseits ist der US-Dollar fundamental keineswegs schwach. Die Konjunktur läuft in den Vereinigten Staaten besser als in Europa. Auch die Aktienkurse sind nicht so schlecht. Worin die US-Amerikaner Defizite haben, sind die etwas niedrigeren Zinsen, das nach wie vor bestehende Leistungsbilanzdefizit, die hohe Staatsverschuldung, die Arbeitslosigkeit und die Skepsis der Märkte gegenüber den beiden Präsidentschaftskandidaten. All das ist aber nichts, was die immensen Spannungen in der Währungsunion aufwiegen könnte.
Der Grund für die Widerstandsfähigkeit des Euros liegt woanders. Internationale Investoren haben jedenfalls im Hinblick auf den Wechselkurs keine Angst vor der Eurokrise. Sie würden nicht zwangsläufig Geld verlieren, wenn der Euro zusammenbricht. Für sie ist weniger wichtig, was mit dem Euro passiert, sondern ob sie innerhalb der Währungsunion auf der richtigen Seite sind. Wenn sie beispielsweise Papiere der Peripherieländer besitzen, droht ihnen eventuell eine Abwertung. Wenn sie dagegen Bundesanleihen in ihrem Portefeuille haben, würden sie bei einem Ende des Euro von einer Aufwertung der dann neuen deutschen Währung profitieren.
Wer richtig positioniert ist, kann daher an den Devisenmärkten sogar von der Krise profitieren. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass der Euro durch die Krise fester wird. Nach dem Motto 'je mehr Krise umso stärker der Euro'. Das wäre übertrieben. Er verliert jedoch nicht. Ich habe das Phänomen vor einem Jahr das 'Euro-Paradox' genannt (Hüfners Wochenkommentar 11-24 vom 20. Juni 2011). Es wirkt noch immer.
Neben diesem direkten Effekt der Eurokrise auf den Wechselkurs der Gemeinschaftswährung gibt es freilich noch einen indirekten. Das ist die Wirkung über die Finanzmärkte. Wenn sich die Situation in der Währungsunion verschärft, dann steigt die Risikoaversion der Anleger. Das zeigt sich in sinkenden Aktien- und steigenden Bondskursen. Auf den Devisenmärkten suchen die Anleger einen 'sicheren Hafen'. Das ist nach wie vor der US-Dollar. Als Folge schwächt sich der Euro ab. In den letzten Monaten war eine deutliche Korrelation zwischen Aktienkursen und dem Wechselkurs des Euro zu beobachten. Immer dann wenn die Aktienkurse stiegen, stieg die Risikobereitschaft der Anleger und es festigte sich auch die Gemeinschaftswährung. Wenn sie fielen, wurde auch der Euro schwächer.
Weil sich die Wirkung der Eurokrise auf den Wechselkurs des Euro nicht direkt ergibt, sondern nur über die indirekte Schiene der Risikobereitschaft, sind die Wirkungen insgesamt nur moderat. Ich gehe davon aus, dass das so bleiben wird. Trotz anhaltender, sich vielleicht sogar noch verschärfender Eurokrise wird sich der Wechselkurs nur geringfügig abschwächen. Das einzige, was mich an der Sache stutzig macht ist, dass der Euro nun schon so lange relativ wenig schwankt. Nach allgemeiner Markterfahrung dauern solche Phasen relativer Ruhe nicht ewig. Es folgt dann immer ein Ausbruch in der einen oder anderen Richtung. Das kann auch jetzt passieren. Es hätte dann aber nicht unbedingt etwas mit der Krise zu tun.
Für den Anleger
Es wird immer wieder gefragt, ob man wegen der Eurokrise mit seinem Geld in Drittwährungen wie den Schweizer Franken, die Norwegen-Krone oder den Kanadischen Dollar gehen sollte. Ich halte davon nichts. Zum Einen gibt es für Anleger aus dem Euroraum in seinem eigenen Land in der Gemeinschaftswährung ex definitione keine Währungsrisiken. Zum Zweiten bekommen sie in Drittwährungen häufig noch weniger Rendite, weil die Anlagemöglichkeiten noch begrenzter sind. Zum Dritten nehmen sie sich der Chance, an einer Aufwertung von Teilen des Euroraums zu partizipieren, wenn die Gemeinschaftswährung wirklich auseinanderbrechen sollte. Wichtiger als die Frage 'Euro oder Nicht-Euro' ist, dass man das Geld innerhalb Eurolands an der richtigen Stelle angelegt hat.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
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© 8. Mai 2012 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
Alle reden über die Eurokrise - nur einer nicht. Das sind ausgerechnet die Devisenmärkte. Hier herrscht seit Beginn der Schwierigkeiten in der Währungsunion Anfang 2010 nach wie vor Business as Usual. Der Wechselkurs hält sich - wie die Grafik zeigt - in einer engen Bandbreite von 1,20 bis 1,40 US-Dollar. Als sich die Spannungen zuletzt mit den Schwierigkeiten in Italien und Spanien und den Wahlen in Frankreich und Griechenland verschärften, wurden die Bewegungen nicht größer sondern eher kleiner.
Auch längerfristig ist an der Wechselkursentwicklung nichts von Krise zu sehen. Wenn man sich den Kursverlauf seit Einführung der Gemeinschaftswährung 1999 anschaut, dann fällt nur eines auf: Der Wechselkurs geht jetzt nicht mehr nach oben, wie das bis 2008 der Fall war. Er bewegt sich eher seitwärts. Er fällt aber nicht. Der Euro ist nicht schwach. Er liegt absolut gesehen noch über der Kaufkraftparität von rund 1,20 US-Dollar je Euro.
Diese Entwicklung passt so gar nicht in die üblichen Vorstellungen der Devisenmarktanalyse. Wer all die Spannungen in der Währungsunion vorhergesehen hätte, der würde den Euro eher bei der Parität zum US-Dollar sehen, vielleicht sogar noch tiefer, etwa bei den 0,80 US-Dollar, die in den Jahren 1999 bis 2002 erreicht worden waren.
Worauf ist die Widerstandsfähigkeit des Euros zurückzuführen? Manche sagen, es liege nicht an der Stärke des Euros, sondern an der Schwäche des US-Dollars. Tatsächlich hat sich die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Schweizer Franken und dem Britischen Pfund während der Krise abgewertet. Andererseits ist der US-Dollar fundamental keineswegs schwach. Die Konjunktur läuft in den Vereinigten Staaten besser als in Europa. Auch die Aktienkurse sind nicht so schlecht. Worin die US-Amerikaner Defizite haben, sind die etwas niedrigeren Zinsen, das nach wie vor bestehende Leistungsbilanzdefizit, die hohe Staatsverschuldung, die Arbeitslosigkeit und die Skepsis der Märkte gegenüber den beiden Präsidentschaftskandidaten. All das ist aber nichts, was die immensen Spannungen in der Währungsunion aufwiegen könnte.
Der Grund für die Widerstandsfähigkeit des Euros liegt woanders. Internationale Investoren haben jedenfalls im Hinblick auf den Wechselkurs keine Angst vor der Eurokrise. Sie würden nicht zwangsläufig Geld verlieren, wenn der Euro zusammenbricht. Für sie ist weniger wichtig, was mit dem Euro passiert, sondern ob sie innerhalb der Währungsunion auf der richtigen Seite sind. Wenn sie beispielsweise Papiere der Peripherieländer besitzen, droht ihnen eventuell eine Abwertung. Wenn sie dagegen Bundesanleihen in ihrem Portefeuille haben, würden sie bei einem Ende des Euro von einer Aufwertung der dann neuen deutschen Währung profitieren.
Wer richtig positioniert ist, kann daher an den Devisenmärkten sogar von der Krise profitieren. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass der Euro durch die Krise fester wird. Nach dem Motto 'je mehr Krise umso stärker der Euro'. Das wäre übertrieben. Er verliert jedoch nicht. Ich habe das Phänomen vor einem Jahr das 'Euro-Paradox' genannt (Hüfners Wochenkommentar 11-24 vom 20. Juni 2011). Es wirkt noch immer.
Neben diesem direkten Effekt der Eurokrise auf den Wechselkurs der Gemeinschaftswährung gibt es freilich noch einen indirekten. Das ist die Wirkung über die Finanzmärkte. Wenn sich die Situation in der Währungsunion verschärft, dann steigt die Risikoaversion der Anleger. Das zeigt sich in sinkenden Aktien- und steigenden Bondskursen. Auf den Devisenmärkten suchen die Anleger einen 'sicheren Hafen'. Das ist nach wie vor der US-Dollar. Als Folge schwächt sich der Euro ab. In den letzten Monaten war eine deutliche Korrelation zwischen Aktienkursen und dem Wechselkurs des Euro zu beobachten. Immer dann wenn die Aktienkurse stiegen, stieg die Risikobereitschaft der Anleger und es festigte sich auch die Gemeinschaftswährung. Wenn sie fielen, wurde auch der Euro schwächer.
Weil sich die Wirkung der Eurokrise auf den Wechselkurs des Euro nicht direkt ergibt, sondern nur über die indirekte Schiene der Risikobereitschaft, sind die Wirkungen insgesamt nur moderat. Ich gehe davon aus, dass das so bleiben wird. Trotz anhaltender, sich vielleicht sogar noch verschärfender Eurokrise wird sich der Wechselkurs nur geringfügig abschwächen. Das einzige, was mich an der Sache stutzig macht ist, dass der Euro nun schon so lange relativ wenig schwankt. Nach allgemeiner Markterfahrung dauern solche Phasen relativer Ruhe nicht ewig. Es folgt dann immer ein Ausbruch in der einen oder anderen Richtung. Das kann auch jetzt passieren. Es hätte dann aber nicht unbedingt etwas mit der Krise zu tun.
Für den Anleger
Es wird immer wieder gefragt, ob man wegen der Eurokrise mit seinem Geld in Drittwährungen wie den Schweizer Franken, die Norwegen-Krone oder den Kanadischen Dollar gehen sollte. Ich halte davon nichts. Zum Einen gibt es für Anleger aus dem Euroraum in seinem eigenen Land in der Gemeinschaftswährung ex definitione keine Währungsrisiken. Zum Zweiten bekommen sie in Drittwährungen häufig noch weniger Rendite, weil die Anlagemöglichkeiten noch begrenzter sind. Zum Dritten nehmen sie sich der Chance, an einer Aufwertung von Teilen des Euroraums zu partizipieren, wenn die Gemeinschaftswährung wirklich auseinanderbrechen sollte. Wichtiger als die Frage 'Euro oder Nicht-Euro' ist, dass man das Geld innerhalb Eurolands an der richtigen Stelle angelegt hat.
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© 8. Mai 2012 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)