FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 13. Juni 2012. Die Gemeinschaftswährung hat sich durch die Querelen in der Eurozone in den vergangenen Monaten heftige Blessuren zugezogen. Entspannung ist nach Ansicht der meisten Devisenexperten noch nicht in Sicht.
Es sind harte Zeiten für den Euro: Während die Gemeinschaftswährung Ende April noch über 1,32 US-Dollar kostete, rutschte sie im Mai zwischenzeitlich unter 1,24 und damit den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Im Juni konnte zwar etwas an Boden gut gemacht werden, am heutigen Mittwoch geht der Euro zu 1,2535 US-Dollar über den Tisch. Doch die Zukunft ist ungewiss, die Sorgen werden eher größer als kleiner.
Kurzes Aufatmen nach Spanien-Hilfe
Dass die Erholung Anfang der Woche aufgrund des Hilfspakets für die spanischen Banken nur von kurzer Dauer war, überrascht die Commerzbank nicht: 'Noch stehen der offizielle Antrag und damit auch die konkreten Volumina sowie Vergabemodalitäten aus.' Das alles sei nicht dazu angetan, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen, vielmehr tauche die Frage auf, ob Spanien über kurz oder lang ganz unter den Rettungsschirm schlüpfen müsse. Außerdem könne Italien schnell in den Fokus rücken, und in Griechenland stünden die Wahlen an. Diese Melange aus ökonomischen und politischen Faktoren wird nach Ansicht der Analysten noch länger auf dem Euro lasten. 'In diesem Umfeld bleibt der US-Dollar - auch wenn seine Fundamentaldaten zu wünschen übriglassen - als Hort relativer Sicherheit gefragt.'
Die DekaBank zeigt sich mittlerweile ebenfalls skeptischer: 'Griechenland wird die Devisenmärkte in den nächsten Wochen noch stark beschäftigen, kurzfristig ist deshalb sogar ein weiteres Abtauchen des Euro denkbar.' Die Prognosen wurden vor allem gegenüber US-Dollar und Yen daher deutlich nach unten korrigiert: Auf Sicht von sechs Monaten erwarten die Experten nun 1,26 US-Dollar zum Euro, auf Sicht von zwölf Monaten 1,29 US-Dollar. Im Mai hatte man noch 1,36 beziehungsweise 1,40 US-Dollar vorhergesagt.
Griechenland: Ruhe vor dem Sturm
'Im Moment herrscht Ruhe vor dem Sturm', kommentiert Sintje Boie von der HSH Nordbank mit Blick auf die Griechenland-Wahlen. Der Euro sei derzeit komplett getrieben von der Nachrichtenlage rund um die Eurozone. 'Neben Griechenland geht es ja auch um Spanien, Italien sowie Portugal und das Konstrukt des Währungsraums insgesamt.' Die Bank rechnet zwar weiterhin nicht mit einem Austritt Griechenlands, die Wahrscheinlichkeit dafür sei in den vergangenen Wochen aber stark gestiegen. Dennoch: Langfristig werde der Euro wieder zulegen, irgendwann einmal werde die Krise ausgestanden sein. Mitte 2013 sieht die Bank einen Wechselkurs von 1,34 US-Dollar zum Euro.
Großbritannien als Einäugiger unter Blinden
Auch das britische Pfund gehört zu den Krisengewinnern: Mitte Mai fiel der Euro unter 0,80 Pfund und damit den niedrigsten Stand seit dreieinhalb Jahren, aktuell notiert die Gemeinschaftswährung bei 0,8044 Pfund. Dabei geht es Großbritannien wirtschaftlich nicht besser als Kontinentaleuropa. 'Das Land befindet sich in einer Rezession mit einem Rückgang des BIP in zwei Quartalen', erläutert Boie. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Darüber hinaus verfolge die Bank of England eine expansive Geldpolitik, ein neues Anleihekaufprogramm stehe auf der Agenda. Boie erwartet daher auch hier eine Erholung des Euro gegenüber dem Pfund - langfristig und allmählich. 'Für Mitte 2013 prognostizieren wir 0,83 Pfund zum Euro.'
Yen gewinnt Schönheitswettbewerb
Dem japanischen Yen kommen ebenfalls die Probleme in Europa zugute: Der Euro rutschte von knapp 106 Yen Ende April auf unter 97 Yen Ende Mai, heute notiert er bei 99,79 Yen. Dem ehemaligen japanischen Vize-Finanzminister Eisuke Sakakibara zufolge profitiert die Währung von einem umgedrehten Schönheitswettbewerb, der Yen sei 'die derzeit am wenigsten hässliche Währung'.
Eine rasche Umkehr des Trends erwarten Analysten im Übrigen auch hier nicht - selbst wenn die Notenbank abermals eingreifen sollte: Etwa rechnet die DekaBank in sechs Monaten mit einem Kurs von 100,80 Yen zum Euro, erst in zwölf Monaten wieder mit über 105 Yen.
Franken-Untergrenze in Gefahr
Die Schweizer Nationalbank hat unterdessen alle Not, den im September festgesetzten Mindestkurs von 1,20 Franken zum Euro zu halten. Gerade im Mai waren Eurokäufe in Milliardenhöhe nötig, die Devisenreserven stiegen massiv. Einige Analysten befürchten nun, dass die Grenze keinen Bestand haben wird. Ausschließen kann Boie das nicht: 'Die Wahlen in Griechenland sind ein Test für die Marke.' Der Franken handelt mit derzeit 1,2010 per Euro sehr nah an der Wechselkursuntergrenze.
Auch Kapitalverkehrskontrollen sind schon im Gespräch. Alexander Koch von der UniCredit rechnet allerdings nicht mit solch drastischen Maßnahmen: 'Wegen negativer Folgen für den Ruf der Schweiz als Finanzzentrum wäre damit nur im Fall eines Lehman-ähnlichen Szenarios zu rechnen, wobei andere Länder dann auch 'brutalere' Maßnahmen in Betracht ziehen dürften.'
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© 13. Juni 2012/Anna-Maria Borse
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
Es sind harte Zeiten für den Euro: Während die Gemeinschaftswährung Ende April noch über 1,32 US-Dollar kostete, rutschte sie im Mai zwischenzeitlich unter 1,24 und damit den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Im Juni konnte zwar etwas an Boden gut gemacht werden, am heutigen Mittwoch geht der Euro zu 1,2535 US-Dollar über den Tisch. Doch die Zukunft ist ungewiss, die Sorgen werden eher größer als kleiner.
Kurzes Aufatmen nach Spanien-Hilfe
Dass die Erholung Anfang der Woche aufgrund des Hilfspakets für die spanischen Banken nur von kurzer Dauer war, überrascht die Commerzbank nicht: 'Noch stehen der offizielle Antrag und damit auch die konkreten Volumina sowie Vergabemodalitäten aus.' Das alles sei nicht dazu angetan, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen, vielmehr tauche die Frage auf, ob Spanien über kurz oder lang ganz unter den Rettungsschirm schlüpfen müsse. Außerdem könne Italien schnell in den Fokus rücken, und in Griechenland stünden die Wahlen an. Diese Melange aus ökonomischen und politischen Faktoren wird nach Ansicht der Analysten noch länger auf dem Euro lasten. 'In diesem Umfeld bleibt der US-Dollar - auch wenn seine Fundamentaldaten zu wünschen übriglassen - als Hort relativer Sicherheit gefragt.'
Die DekaBank zeigt sich mittlerweile ebenfalls skeptischer: 'Griechenland wird die Devisenmärkte in den nächsten Wochen noch stark beschäftigen, kurzfristig ist deshalb sogar ein weiteres Abtauchen des Euro denkbar.' Die Prognosen wurden vor allem gegenüber US-Dollar und Yen daher deutlich nach unten korrigiert: Auf Sicht von sechs Monaten erwarten die Experten nun 1,26 US-Dollar zum Euro, auf Sicht von zwölf Monaten 1,29 US-Dollar. Im Mai hatte man noch 1,36 beziehungsweise 1,40 US-Dollar vorhergesagt.
Griechenland: Ruhe vor dem Sturm
'Im Moment herrscht Ruhe vor dem Sturm', kommentiert Sintje Boie von der HSH Nordbank mit Blick auf die Griechenland-Wahlen. Der Euro sei derzeit komplett getrieben von der Nachrichtenlage rund um die Eurozone. 'Neben Griechenland geht es ja auch um Spanien, Italien sowie Portugal und das Konstrukt des Währungsraums insgesamt.' Die Bank rechnet zwar weiterhin nicht mit einem Austritt Griechenlands, die Wahrscheinlichkeit dafür sei in den vergangenen Wochen aber stark gestiegen. Dennoch: Langfristig werde der Euro wieder zulegen, irgendwann einmal werde die Krise ausgestanden sein. Mitte 2013 sieht die Bank einen Wechselkurs von 1,34 US-Dollar zum Euro.
Großbritannien als Einäugiger unter Blinden
Auch das britische Pfund gehört zu den Krisengewinnern: Mitte Mai fiel der Euro unter 0,80 Pfund und damit den niedrigsten Stand seit dreieinhalb Jahren, aktuell notiert die Gemeinschaftswährung bei 0,8044 Pfund. Dabei geht es Großbritannien wirtschaftlich nicht besser als Kontinentaleuropa. 'Das Land befindet sich in einer Rezession mit einem Rückgang des BIP in zwei Quartalen', erläutert Boie. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Darüber hinaus verfolge die Bank of England eine expansive Geldpolitik, ein neues Anleihekaufprogramm stehe auf der Agenda. Boie erwartet daher auch hier eine Erholung des Euro gegenüber dem Pfund - langfristig und allmählich. 'Für Mitte 2013 prognostizieren wir 0,83 Pfund zum Euro.'
Yen gewinnt Schönheitswettbewerb
Dem japanischen Yen kommen ebenfalls die Probleme in Europa zugute: Der Euro rutschte von knapp 106 Yen Ende April auf unter 97 Yen Ende Mai, heute notiert er bei 99,79 Yen. Dem ehemaligen japanischen Vize-Finanzminister Eisuke Sakakibara zufolge profitiert die Währung von einem umgedrehten Schönheitswettbewerb, der Yen sei 'die derzeit am wenigsten hässliche Währung'.
Eine rasche Umkehr des Trends erwarten Analysten im Übrigen auch hier nicht - selbst wenn die Notenbank abermals eingreifen sollte: Etwa rechnet die DekaBank in sechs Monaten mit einem Kurs von 100,80 Yen zum Euro, erst in zwölf Monaten wieder mit über 105 Yen.
Franken-Untergrenze in Gefahr
Die Schweizer Nationalbank hat unterdessen alle Not, den im September festgesetzten Mindestkurs von 1,20 Franken zum Euro zu halten. Gerade im Mai waren Eurokäufe in Milliardenhöhe nötig, die Devisenreserven stiegen massiv. Einige Analysten befürchten nun, dass die Grenze keinen Bestand haben wird. Ausschließen kann Boie das nicht: 'Die Wahlen in Griechenland sind ein Test für die Marke.' Der Franken handelt mit derzeit 1,2010 per Euro sehr nah an der Wechselkursuntergrenze.
Auch Kapitalverkehrskontrollen sind schon im Gespräch. Alexander Koch von der UniCredit rechnet allerdings nicht mit solch drastischen Maßnahmen: 'Wegen negativer Folgen für den Ruf der Schweiz als Finanzzentrum wäre damit nur im Fall eines Lehman-ähnlichen Szenarios zu rechnen, wobei andere Länder dann auch 'brutalere' Maßnahmen in Betracht ziehen dürften.'
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© 13. Juni 2012/Anna-Maria Borse
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