FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 10. September. Von den unterschiedlichen Startpositionen der Vorwoche haben professionelle Anleger eher Gewinne mitgenommen und private ihre Short-Engagements glatt gestellt. Erstere misstrauen den Rahmenbedingungen, zweitere sind keine "echten" Bullen.
Obgleich die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank vom vergangenen Donnerstag vermutlich fast alle Akteure überrascht haben dürften, bleibt die Stimmungslage der von uns Befragten institutionellen und privaten Marktteilnehmer nach wie vor gegensätzlich.
Natürlich könnte man räsonieren, dass die derzeit immer stärker auseinander driftende Geldpolitik der Notenbanken in den USA und Europa naturgemäß zweideutige Signale bei den Börsianern hinterlassen muss. Während hierzulande die Aussicht auf geldpolitische Lockerungen Anleger zuversichtlich in die Zukunft blicken lassen könnte, sorgt die Rückführung der Anleihekäufe der US-Notenbank samt der Aussicht auf eher früher als später steigende Leitzinsen dortzulande eher für Zurückhaltung.
Unsere heutige Umfrage zeigt jedenfalls, dass die mittelfristig orientierten institutionellen Händler offenbar nicht nur leicht misstrauisch in die USA blicken, sondern womöglich die jüngsten Maßnahmen der EZB ebenfalls mit wachsender Distanz und Skepsis betrachten, weil sie sich fragen, ob die jüngsten Beschlüsse in der Praxis überhaupt nachhaltig greifen können. Zumindest ist der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieser Marktteilnehmer deutlich gefallen und liegt nunmehr bei -10. Dies ist einer Abwanderung von 10 Prozent aller Befragten aus dem Bullenlager zuzuschreiben, wobei zwei Drittel dieser Stimmen ihre Meinung direkt um 180 Grad ins Negative gewendet haben - der Rest scheint sich (unserer Meinung nach bildet das übrigens das Hauptmotiv aller neuen Pessimisten) mit Gewinnmitnahmen begnügt zu haben und ist ins Lager der neutral Gestimmten gewechselt.
Andere Position, andere Entscheidungen
Bei den Privatanlegern hat sich während des gleichen Zeitraums Optimismus breitgemacht, denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index hat im Vergleich zur Vorwoche das Vorzeichen gewechselt und liegt nun bei einem Wert von +6.
Obgleich es den einen oder anderen Beobachter verwundern mag, dass sich die Stimmung der Privatanleger und ihrer institutionellen Pendants per Saldo nicht nur zum zweiten Mal hintereinander gedreht, sondern auch noch diametral entgegengesetzt bleibt, gibt es dafür eine einleuchtende Begründung. Denn nicht nur die Stimmung, sondern auch die zugrundeliegenden Positionierungen sind bei beiden Gruppen in der Vorwoche unterschiedlich gewesen. Während die Institutionellen unter dem Strich von Aktienkäufen profitierten und diese glattstellten, kann dies für die Privatanleger, die mehrheitlich zuletzt auf einen fallenden DAX gesetzt hatten, höchstwahrscheinlich nicht angenommen werden. Da während der vergangenen fünf Handelstage kaum eine Chance bestand, diese Engagements wenigstens zum Einstandspreis glatt zu stellen, hat angesichts der EZB-Beschlüsse zumindest ein Teil der früheren Bären diszipliniert die Notbremse gezogen und sich zu steigenden Kursen eingedeckt.
Während der leichte Optimismus der Privatanleger also nicht aus echter Überzeugung entstanden ist und sich ohnehin weiterhin unter dem Jahresmittel bewegt, hoffen die neuen Pessimisten bei den institutionellen Akteuren zumindest auf ein paar Prozent Kurskorrektur nach unten. Doch würden sie vermutlich nur für eine gewisse Zeit Bären aus Überzeugung bleiben wollen.
Immerhin haben die jüngsten Abgaben dem DAX, der im Wochenvergleich immer noch leicht im Plus liegt, nicht geschadet. Damit sieht das Börsenbarometer stabil aus und kann im Falle einer tatsächlich eintretenden Abwärtskorrektur auf kaufwillige mittelfristige Marktteilnehmer zählen, die dann unterstützend wirken. Sollte zudem ausländisches langfristiges Kapital aufgrund des attraktiv aussehenden Wechselkurses des Euro dem Aktienmarkt wieder zufließen, sind die Aussichten für den DAX gar nicht mal so schlecht.
von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 10. September 2014
[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.
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