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Börse Frankfurt-News: 'Progress-Report Japan' (Hüfner)

Veröffentlicht am 23.05.2013, 17:01
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 22. Mai 2013. Hüfner sieht beim japanischen Reformprogramm genau hin und zieht eine Zwischenbilanz der Teilerfolge und Schwächen, z.B. bei den Strukturreformen, und vermutet, dass die Abwertung des Yens zu einem baldigen Ende kommt.

In Japan vollzieht sich derzeit das größte wirtschaftspoli­tische Experiment, an das ich mich in der Nachkriegszeit erinnern kann. Noch nie zuvor hat eine Regierung in so kurzer Zeit das Ruder so stark gedreht. Und das ausge­rechnet in einem Land, dem man sonst in der Politik eher eine zögerliche Gangart nachsagt.

Die Vorgänge in Japan haben nicht nur erhebliche Aus­wirkungen auf die Märkte. Sie werden auch die wirt­schaftspolitische Diskussion in der Welt bestimmen. Es lohnt sich daher, den Fortgang der Entwicklung genauer zu verfolgen. Hier eine Bestandsaufnahme nach einem knappen halben Jahr.

Politik: Die Regierung Abe will - wie es in Japan heißt - drei 'Pfeile' nutzen. Der erste ist die radikale Umkehr der Geldpolitik. Das ist in Gang gesetzt und wirkt. Es war aber auch der leichteste Teil der neuen Politik. Der zweite Pfeil ist die expansive Finanzpolitik. Er ist ange­sichts der hohen Staatsverschuldung schon schwieriger. Hier wurde ein Fiskalpaket von umgerechnet rund 80 Milliarden Euro (rund 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) verkün­det. Was davon schon ausgegeben ist, ist nicht bekannt.

Beides ist nicht besonders originell. Es ist Keynes pur. Was beeindruckt, ist nur die Schnelligkeit und die Kon­sequenz, mit der es auf den Weg gebracht wurde.

Entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg des japani­schen Modells muss der dritte Pfeil werden, die Struk­turpolitik. Notwendig dafür sind eine Öffnung der Märkte in der Landwirtschaft und eine Erhöhung des Wettbe­werbs auf den Güter- und Arbeitsmärkten. Wenn das gelingt, dann wird die neue Politik ein Erfolg (der auch für andere Staaten nachahmbar ist). Wenn nicht, droht ein Fiasko.

Hier ist bisher noch nichts geschehen. Es ist politisch auch der schwierigste Teil der neuen Politik, weil er den Nerv des stark landwirtschaftlich geprägten Wählerpo­tenzials der Regierungspartei LDP trifft. Es ist zu vermu­ten, dass die Regierung wegen der politischen Brisanz des Themas damit bis nach den Wahlen zum Oberhaus in diesem Sommer warten will. Bisher sind erst ein paar Ideen bekannt geworden, die in ihrer Bedeutung noch schwer einzuschätzen sind: Die Beteiligung an den Ge­sprächen über das transpazifische Freihandelsabkom­men mit den USA (was eine Öffnung der Märkte erfor­dert), die Deregulierung des Energiesektors, die Errich­tung von Sonderwirtschaftszonen für bestimmte inno­va­tive Industrien, die stärkere Integration der Frauen in die Arbeitswelt, die Internationalisierung der Universitäten.

Wirkung auf die Wirtschaft: Es war überraschend, dass das Wirtschaftswachstum schon im ersten Quartal ange­sprungen ist (plus 0,9 Prozent nach minus 0,1 Prozent im Vorquar­tal, jeweils Veränderungen gegen Vorquartal). Das kann noch nicht auf die neue Politik zurückgehen. Es beruht allein auf einer Besserung der Stimmung. Das darf man aber nicht unterschätzen. Es gibt der Regierung Rü­ckenwind. Bei der Inflation hat sich noch nichts getan. Die Preise lagen zuletzt immer noch um 0,5 Prozent unter Vorjahr (ohne frische Lebensmittel).

Devisenmärkte: Trotz aller Mahnungen der Handelspart­ner geht die Abwertung des Yen ungebrochen weiter. Sie beträgt seit dem Tiefpunkt Mitte vorigen Jahres ge­genüber dem US-Dollar nunmehr über 30 Prozent, gegenüber dem Euro sogar 40 Prozent. Das stellt eine erhebliche Belas­tung für die anderen Länder dar. Die deutschen Liefe­rungen nach Japan lagen im Februar um 9 Prozent unter Vor­jahr (im Ge­samtjahr 2012 waren sie noch um 13 Prozent ge­stiegen).

Ich vermute, dass die Abwertung sich bald abflachen wird. Zum einen werden sich die ausländischen Partner das nicht viel länger bieten lassen. Aus Südkorea heißt es, die Abwertung des Yen sei schlimmer als die Rake­tentests Nordkoreas. Zum anderen werden Import­güter in Japan teurer, was in der Bevölkerung nicht auf Begeisterung stoßen dürfte. Außerdem nimmt der Ka­pitalexport der Japaner nicht mehr so stark zu, weil sich bessere Anlagemöglichkeiten im Inland bieten. Letzteres trifft vor allem eine Reihe von Schwellenländern, in de­nen der Kapitalzufluss geringer wird. Insgesamt macht sich Japan mit seiner Politik keine neuen Freunde. Man unterstellt der Regierung eine 'Beggar-Thy-Neighbour'-Politik, eine Politik zu Lasten Dritter.

Bond-Märkte: Hier vollzieht sich eine ganz interessante Entwicklung. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen sind im Zuge der neuen Politik zunächst drastisch gefal­len. Das war bei der starken Lockerung der Geldpolitik nicht anders zu erwarten. Im Mai haben sie sich aber von 0,44 Prozent auf 0,88 Prozent verdoppelt. Das ist nicht im Sin­ne der Bank von Japan, weil es den expansiven Kurs konterkariert. Andererseits ist es logisch. Wenn In­vestoren daran glauben, dass die Politik Erfolg hat und die Preissteigerung anzieht, dann müssen sie Bonds verkaufen. Ich rechne damit, dass die Renditen mittel­fristig weiter steigen werden.

Aktienmärkte: Hier ist der Aufwärtstrend bisher unge­bro­chen. Der Nikkei hat sich seit seinem Tiefpunkt vor etwa einem Jahr fast gradlinig um 86 Prozent erhöht. Das ist im­mens und müsste als Reaktion auf die neue Politik ei­gentlich ausreichen. Schaut man sich aber die langfris­ti­ge Entwicklung des Nikkei an (siehe Grafik), so ist damit das Potenzial bei Weitem noch nicht ausgereizt. Die bis­herige Spitze des Index mit 38.000 im Jahr 1990 war sicher eine Blase, die zu Recht platzte. Kursniveaus von 20.000 Punkten erscheinen im langfristigen Vergleich jedoch durchaus nicht übertrieben. Wenn es der Regierung tat­sächlich gelingen sollte, die Deflation zu überwinden und die Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zu bringen, dann wäre das eine neue Welt. Dann erschei­nen auch Kursniveaus von 25.000 Punkten nicht abwegig.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

© 22. Mai 2013 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem 'Europa - Die Macht von Morgen' (2006), 'Comeback für Deutschland' (2007), 'Achtung: Geld in Gefahr' (2008) und 'Rettet den Euro!' (2011).

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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