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Börse Frankfurt-News: 'Reifenschäden bei der Konjunktur' (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 27.09.2012, 13:11
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 27. September 2012. Trotz bester gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen kommt die Konjunktur nicht in Fahrt. Das liegt entgegen der allgemeinen Meinung nicht am Export. Entscheidend sind vielmehr interne Strukturbedingungen, die sich nicht so schnell überwinden lassen. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum wird in diesem und dem nächsten Jahr kaum über 1 Prozent real hinausgehen.

Konjunktur und Finanzmärkte liegen im Clinch. Die Kon­junktur stottert vor sich hin und kommt nicht in Fahrt. Die Finanzmärkte boomen, als könnten sie den Hals nicht voll genug bekommen. Die Frage ist, wer am Ende recht hat.

Die US-amerikanische Investmentbank J.P. Morgan hat die­ser Tage eine Studie veröffentlicht, nach der solche Wi­der­sprüche in der Vergangenheit immer wieder vorge­kom­men sind. In den letzten 50 Jahren waren es - mit einer Ausnahme - jeweils die Finanzmärkte, die sich als klüger und vorausschauender erwiesen. Auch viele Ex­perten in Europa gehen davon aus, dass die Konjunktur bald anspringen werde. Dafür sprächen die guten ge­samtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (vor allem die lockere Geldpolitik). Hinzu käme die zyklische Dynamik. Seit zwei Jahren verringert sich die wirtschaftliche Aktivi­tät. Jetzt ist es eigentlich an der Zeit, dass sie sich fängt. Manche rechneten schon für das dritte Quartal mit einer Besserung.

Schaut man sich die Fakten an, so sieht es jedoch nicht danach aus. Der ifo-Index, der an sich recht zuverlässig ist, hat sich in dieser Woche erneut abgeschwächt. In den letzten fünf Monaten ist er um acht Punkte zurück­gegangen. Wenn das in diesem Tempo weitergeht, sind wir bald auf Rezessionsniveau.

Die meisten geben dem Export die Schuld an dieser Entwicklung. Das ist verständlich. Wie sollen die deut­schen Lieferungen ins Ausland steigen, wenn der Welt­han­del stagniert und sich das Wachstum in wichtigen Absatzmärkten abschwächt? Die Erklärung ist aber falsch. Der deutsche Export hält sich bisher außeror­dentlich gut. Schauen Sie sich die Grafik an. Im zweiten Quartal ist die Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen noch einmal real um 2,5 Prozent gestiegen. Das entspricht nach US-amerikanischer Rechnung auf's Jahr hochgerech­net einer Wachstumsrate von 10 Prozent. Die deutschen Un­ter­nehmen sind offenbar höchst erfolgreich, auch in schwie­rigen Märkten Chancen zu finden und zu nutzen.

Wo der Schwachpunkt der Konjunktur liegt, ist bei den Investitionen. Seit drei Quartalen gehen die Ausgaben für Maschinen und Ausrüstungen preisbereinigt absolut zurück. Anders als beim Export sind die Umweltbedin­gun­gen hier aber außerordentlich gut. Die Kapazitäten sind nach Berechnungen der Bundesbank fast voll aus­gelastet und müssten eigentlich aufgestockt werden. Es gibt keinen übermäßigen Kostendruck. Die Unterneh­men haben ausreichend Liquidität. Im Zweifel können sie Kredit zu äußerst niedrigen Zinsen bekommen. Mit der Energiewende und den neuen Technologien im Au­to­sektor gibt es in der Gesamtwirtschaft riesige Investi­tionsprogramme.

Trotzdem tut sich bei den privaten Investitionen nichts. Die Nettoinvestitionen, also die Gesamtausgaben ab­züg­lich der Abschreibungen liegen nur bei knapp 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist auch im internationa­len Vergleich lächerlich. Hier zeigt sich: Die marktwirt­schaftlichen Reflexe funktionieren nicht. Unternehmer sind keine Maschinen. Sie kaufen neue Maschinen und Ausrüstungen nicht dann, wenn es der Wirtschaftspolitik gefällt. Entscheidend sind vielmehr die Zukunftsaussich­ten, wenn die Politik hin und her laviert und die Unternehmen nicht wissen, ob es den Euro auch noch in drei Jahren gibt, dann warten sie lieber ab. Nach Walter Eu­cken, dem Vater der Theorie der Sozialen Marktwirt­schaft, sind stabile Erwartungen und Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik entscheidende Kriterien für eine erfolgreiche Marktwirtschaft. Daran fehlt es derzeit. Des­halb ist hier nicht so schnell eine Besserung zu erwar­ten.

Etwas anders ist es beim privaten Verbrauch. Auch er dümpelt dahin. Dabei müsste er eigentlich von der stei­genden Beschäftigung und den höheren Löhnen profitie­ren. Die Bruttolöhne und -gehälter sind im ersten Halb­jahr um 3,9 Prozent gestiegen. Die eine Hälfte dieses Zu­wach­ses wird freilich durch die höheren Abgaben für den Fiskus aufgefressen. Die andere Hälfte geht durch die Inflation verloren. Da bleibt kaum mehr etwas für mehr Verbrauch übrig. Wir sollten nicht lamentieren, dass der Konsument in Deutschland nicht ausgabefreu­dig ist. Bei einem Abgabesystem, bei dem so viel an den Staat abgeführt werden muss, können vom privaten Ver­brauch auch bei höheren Löhnen keine zusätzlichen Im­pulse kommen.

Insgesamt rechne ich in diesem Jahr mit einem Wachs­tum der deutschen Wirtschaft von knapp 1 Prozent. 2013 wird es kaum mehr werden. Stärkere Auftriebskräfte kann es allenfalls geben, wenn es der Politik gelingen sollte, die europäische Währung auf eine dauerhaft stabilere Grundlage zu stellen. Dazu reichen die Interven­tionen der EZB nicht.

Für den Anleger

Warten Sie nicht auf neue Konjunkturprogramme. Sie werden der gesamtwirtschaftlichen Aktivität auch nicht auf die Sprünge helfen. Richten Sie sich vielmehr darauf ein, dass es von der Konjunktur auf absehbare Zeit kei­ne guten Nachrichten gibt. Es wird noch länger dauern bis die gestiegenen Aktienkurse durch eine bessere Ge­winn­entwicklung der Unternehmen abgesichert werden können. Das wird die Finanzmärkte belasten. Es wird daher größere Schwankungen bei den Kursen geben.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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©27. September 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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