Peking (Reuters) - Angesichts des Handelsstreits mit den USA und der Abkühlung der Weltkonjunktur rechnet Chinas Führung auch in diesem Jahr wieder mit einem etwas langsameren Wirtschaftswachstum.
Ministerpräsident Li Keqiang gab am Dienstag zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking für 2019 ein Wachstumsziel von 6,0 bis 6,5 Prozent aus. Im vergangenen Jahr hatte sich das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf 6,6 Prozent abgeschwächt, der geringste Anstieg seit 1990 in dem lange Zeit von teils zweistelligen Zuwachsraten geprägten Schwellenland. Gegensteuern will die Regierung nun mit Steuersenkungen im dreistelligen Milliardenbereich und höheren Investitionen in die Infrastruktur. Auch die Kreditvergabe an kleinere und mittelständische Firmen soll angeschoben werden.
Um die Wirtschaft zu stützen, wird Chinas Finanzpolitik "energischer" werden, kündigte Li an. So werde es Steuererleichterungen und weitere Entlastungen für Unternehmen im Volumen von umgerechnet mehr als 260 Milliarden Euro geben. Auch die Mehrwertsteuer solle gesenkt werden, um die Industrie, den Transportsektor und das Baugewerbe anzuschieben. Zudem werde die Beschäftigungssituation bei Exportunternehmen, die stark vom US-Markt abhängig sind, genauer beobachtet. Die Regierung strebe auch in diesem Jahr an, mehr als elf Millionen neue Arbeitsplätze in den Städten zu schaffen und die städtische Arbeitslosenquote bei 4,5 Prozent zu halten.
Die Rüstungsausgaben sollen um 7,5 Prozent auf rund 157 Milliarden Euro steigen. Das Ziel für das Haushaltsdefizit hob die Regierung von 2,6 Prozent im vorigen Jahr auf 2,8 Prozent in diesem Jahr an. Schon im vergangene Jahr hatte die Regierung versucht mit Steuersenkungen und geringeren Reserveanforderungen für die Banken die Konjunktur zu stützen.
STAAT GIBT SICH MEHR SPIELRAUM MIT WACHSTUMSSPANNE
Die Festlegung auf einen Zielkorridor anstelle einer einzigen Wachstumsrate gibt dem Staat nun mehr Handlungsspielraum. Denn die Regierung steht bei den Konjunkturhilfen vor einem Drahtseilakt: Zum einen fürchtet sie bei allzu massiven Stützungsmaßnahmen wie in der Vergangenheit die Überschuldungsrisiken in dem komplexen und schwer überschaubaren heimischen Finanzsystem. Auf der anderen Seite sollen aber weitreichende Jobverluste verhindert werden, die die soziale Stabilität in dem riesigen Land mit seiner großen Bevölkerung gefährden könnten.
Auf die Probleme in der Wirtschaft wiesen auch neue Zahlen aus Dienstleistungsbranche. Hier schwächte sich das Wachstum einer Umfrage zufolge im Februar weiter ab. Der Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex fiel auf 51,1 Punkte von 53,6 Zählern im Januar. Er liegt damit zwar immer noch über der Marke von 50 Punkten, ab der das Barometer Wachstum signalisiert, aber zugleich auf dem tiefsten Stand seit vier Monaten. Der Auftragseingang aus dem In- und Ausland schwächelte und auch die Zahl der neuen Stellen wuchs nur noch langsam.
Neben dem Handelsstreit mit den USA lastet aber auch der Umbau der Wirtschaft auf der Konjunktur. Die Regierung will sie modernisieren, ihre Abhängigkeit vom Export verringern und den Binnenkonsum stärken. Zudem ging sie zuletzt verstärkt gegen Risiken durch die hohe Verschuldung von Unternehmen und Regionen, Überkapazitäten und veraltete Produktionsweisen in der Industrie sowie die massive Umweltverschmutzung vor. Dafür nahm die kommunistische Führung in den vergangenen Jahren auch geringere Wachstumsraten in Kauf.