- von Tom Körkemeier
Berlin (Reuters) - Im Streit über das Atom-Abkommen mit dem Iran haben die drei größten europäischen Staaten und die EU von der US-Regierung zahlreiche Ausnahmen von den Sanktionen gegen die Islamische Republik gefordert.
"Als Alliierte erwarten wir, dass die Vereinigten Staaten von Maßnahmen Abstand nehmen, die die europäischen Sicherheitsinteressen gefährden", heißt es in einem Reuters am Mittwoch vorliegenden Brief der Außen-, Wirtschafts- und Finanzminister Deutschlands, Frankreich und Großbritanniens. Ungewöhnlich deutlich verlangen sie darin, dass Bereiche wie pharmazeutische Produkte, die zivile Luftfahrt sowie der Auto- und Bankensektor nicht von Strafmaßnahmen betroffen sind.
US-Präsident Donald Trump hat den Austritt seines Landes aus dem Atom-Abkommen erklärt und Sanktionen gegen den Iran verhängt, die auch europäische Firmen im Falle von Geschäften mit dem Land treffen können. Das auch von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini unterzeichneten Schreiben vom 4. Juni richtet sich an US-Finanzminister Steven Mnuchin und Außenminister Mike Pompeo. Der darin ausgebreitete Forderungskatalog der Europäer war auch am Wochenende beim Treffen der G7-Finanzminister im kanadischen Whistler Thema. Ende dieser Woche treffen sich dann die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten in Kanada.
In dem Brief unterstreichen die Europäer ihren Willen, an dem Atom-Vertrag festhalten zu wollen: "Wir glauben daran, dass das Atom-Abkommen, das einstimmig vom UN-Sicherheitsrat bestätigt wurde, für den Schutz unserer gemeinsamen Sicherheitsinteressen entscheidend ist." Eine Aufkündigung des Abkommens durch den Iran würde eine Region erschüttern, für die weitere Konflikte desaströs wären. Die Unterzeichner, darunter Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Außenminister Heiko Maas und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, baten um die Zusicherung aus Washington, dass EU-Firmen nicht davon betroffen sind, wenn die USA Sanktionen gegen den Iran und dortige Firmen verhängen.
Konkret werden Ausnahmen für EU-Unternehmen gefordert, die Verträge für Geschäfte im Iran nach dem Inkrafttreten des Atom-Abkommens am 16. Januar 2016 abgeschlossen haben. Die USA sollen nach dem Willen der EU-Unterzeichner zudem öffentlich bestätigen, dass pharmazeutische und Gesundheitsprodukte nicht von den US-Maßnahmen betroffen sind. Daneben solle europäischen Firmen die Möglichkeit gegeben werden, Geschäftsbeziehungen zum Iran in den Bereichen Energie, Autos, zivile Luftfahrt und Infrastruktur zu unterhalten. Auch für den Bankenbereich sollten Ausnahmen gewährt werden, darunter die Beibehaltung von Verbindungen zur Zentralbank des Iran und anderen Geldhäusern des Landes, die nicht von noch bestehenden EU-Sanktionen betroffen sind. Transfers über das internationale Zahlungssystem Swift dürften ebenfalls nicht betroffen sein. Hintergrund ist die Ankündigung der USA, in Dollar abgewickelte Geschäfte mit dem Iran - darunter im Ölsektor - zu verbieten. Zuerst hatte "Spiegel Online" über den Brief berichtet.
Die Europäer erklärten auch, dass sie die Besorgnis der USA mit Blick auf das Atom-Programm des Iran nach 2025 - wenn das Abkommen ausläuft - sowie auf das ballistische Raketenprogramm und die destabilisierenden Maßnahmen der Islamischen Republik in der Region teilten. Der Iran unterstützt beispielsweise in Syrien Präsident Baschar al-Assad.
Uanbhängig von dem Schreiben an die USA kritisierte Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian die angekündigte Ausweitung der iranischen Urananreicherung scharf. Sollte das Land seine Ankündigung wahr machen, bewege es sich nahe an der "roten Linie", sagte er im Sender Europe 1. Die Ankündigung einer Beschleunigung des Uran-Programms gewinnt zusätzliche Brisanz, weil das geistliche und politische Oberhaupt des Iran, Ali Chamenei, erst vor wenigen Tagen erneut die Zerstörung Israels als Ziel ausgegeben hatte. Der Iran hat noch nicht entschieden, ob er nach der Aufkündigung des Abkommens durch die USA selbst weiter vertragstreu bleiben will. Dazu hat die Regierung Forderungen erhoben, etwa, die Ölausfuhren im vollen Umfang fortsetzen zu können.