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HINTERGRUND: 'Geuro' - Griechenland-Rettung auf Abwegen

Veröffentlicht am 24.05.2012, 15:35
FRANKFURT (dpa-AFX) - Erst das Ausstiegs-Szenario 'Grexit', nun die Parallelwährung 'Geuro' - Athen bleibt dieser Tage nichts erspart. Seit Wochenbeginn mischt eine Studie der Deutschen Bank die Diskussion um die Griechenland-Rettung auf. Kernaussage: Die Ausgabe von Schuldscheinen könnte den Beinahe-Pleitestaat wieder wettbewerbsfähig machen. Fest steht: Die Planspiele um Griechenlands Zukunft werden nicht nur begrifflich immer abwegiger. Kann der 'Geuro' dem Euro-Sorgenkind wirklich helfen?

'Es geht mir nicht darum, eine Lösung anzubieten oder einen Vorschlag zu machen', sagt Thomas Mayer am Dienstag im n-tv-Interview. Tatsächlich hat der Chefvolkswirt der Deutschen Bank in seinem Modell einfach nur die Wahrscheinlichkeiten in der weiteren Entwicklung des griechischen Schuldendramas abgewogen und nüchtern bilanziert. Die Aussichten sind finster: Wenn bei den Neuwahlen am 17. Juni eine Regierung an die Macht kommt, die sich gegen den vereinbarten Sanierungskurs stellt, könnte als letzter Ausweg ein währungspolitisches Notstandsinstrument eingeführt werden.

'Wir wissen, dass drei Viertel der Griechen den Euro behalten wollen und wir wissen, dass man ein Land aus dem Euroraum nicht einfach hinausschmeißen kann', sagt Mayer. Man wisse aber auch, dass drei Viertel der Griechen sich nicht den Sparauflagen der internationalen Geldgeber fügen wollen. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Troika - der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Institutionen - nicht weiter bezahlen werde. Die Sache hätte jedoch einen Haken: Ein Großteil der griechischen Schulden befindet sich mittlerweile in öffentlicher Hand - allein die EZB soll geschätzt Staatsanleihen im Volumen von 30 bis 35 Milliarden Euro halten.

Bekäme Griechenland kein Geld mehr aus den europäischen Rettungstöpfen, müsste es auch die Zahlungen an die öffentlichen Gläubiger einstellen. Dieses Problem soll einem Bericht des Magazins 'Der Spiegel' zufolge trickreich umgangen werden. Im Berliner Finanzministerium bastelt demnach eine 'Taskforce Griechenland' an einem Plan, der vorsieht, dass die Hilfsgelder für den Schuldendienst von einem Sonderkonto aus weiterfließen. Nur der Anteil für den Staatshaushalt würde gestrichen. Von dieser Annahme geht auch die Studie der Deutschen Bank aus.

Da die griechischen Steuereinnahmen jedoch nicht ausreichen, um alle Gehälter, Pensionen und sonstigen Ausgaben abzudecken, käme Athen schnell unter Druck. Würden die Haushaltshilfen gestoppt, müsste Griechenland vermutlich beginnen, einen Teil seiner laufenden Zahlungen statt in Euro in neuen Schuldscheinen (bei der Deutschen Bank 'Geuro' genannt) zu leisten, also in einem Versprechen, künftig einmal zu zahlen. Diese - allgemein auch als IoUs (aus dem Englischen I owe You - ich schulde Dir) bekannten - Papiere könnten sich über den umfassenden griechischen Staatssektor zur Parallelwährung entwickeln.

Die Argumente der Fürsprecher sind weitgehend dieselben, die üblicherweise für eine griechische Weichwährung (Wiedereinführung der Drachme) ins Feld geführt werden: Die Wirtschaft müsste nicht über den schmerzhaften Weg der internen Abwertung ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen, also über Lohn- und Preiskürzungen. Der massiv abgewertete 'Geuro' würde die Kosten der Exporteure drücken, die ihre Waren günstiger im Ausland anbieten und dort harte Euro verdienen könnten. Da der Euro gegenüber den Schuldscheinen deutlich an Wert gewinnen dürfte, würden zudem ausländisches Kapital und Touristen ins Land strömen.

Die Schattenseiten: Für große Teile der Bevölkerung in Griechenland würde die erhebliche Abwertung einen drastischen Verlust der Kaufkraft bedeuten. Wäre ein 'Geuro' etwa die Hälfte eines Euro wert, wie von Deutsche-Bank-Experte Mayer angenommen, würden Importe für Griechen schlagartig doppelt so teuer und für viele unerschwinglich. Und das Land führt deutlich mehr Waren ein als es exportiert. Braucht Griechenland überhaupt Schwachgeld? Zahlen der Berenberg-Bank sagen etwas anderes aus: Ihnen zufolge haben die griechischen Warenexporte im vergangenen Jahr um 37 Prozent zugelegt, während die Löhne in der Privatwirtschaft um 15 Prozent sanken.

'Griechenland kann sehr wohl im Euro seine Kosten senken und an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen', sagt Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Ohnehin seien die Lohnkosten nicht das eigentliche Problem. Die wesentlichen Gründe für die anhaltende Misere würden in der überbordenden Bürokratie, der übermäßigen Regulierungsdichte und den verkrusteten Arbeitsmärkten liegen. 'Eine Abwertung ist schlicht kein geeignetes Mittel, um Strukturprobleme zu lösen', so Schmieding.

Unklar bleibt beim IoU-Szenario zudem, warum Athen seinen Reformkurs ausgerechnet unter einer Regierung erfolgreich fortsetzen sollte, die alle Absprachen zur Haushaltskonsolidierung für 'null und nichtig' erklären will. Auch die Antwort auf die Frage, wer überhaupt freiwillig einen handelbaren Schuldschein eben dieser Regierung akzeptieren sollte, erscheint rätselhaft. Fazit: Der 'Geuro' wäre allenfalls eine Notlösung auf dem Weg in eine sehr ungewisse Zukunft. Ob Griechenland sich damit einen Gefallen tun würde, darf durchaus bezweifelt werden. Um den Staatsbetrieb weiter am laufen zu halten, könnte Athen jedoch schon bald kaum eine andere Wahl bleiben./hbr/js.

--- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---

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