ATHEN (dpa-AFX) - Nach dem ersten Kennenlernen des neuen starken Manns in Athen, Alexis Tsipras, wissen alle - die EU-Familie und das problematische EU-Kind Griechenland -, was die jeweils andere Seite will. Griechenland soll in der Eurozone bleiben. Dazu aber muss praktisch eine Wunderlösung her. Der Patient Griechenland wurde nämlich in den letzten zwei Monaten mit teuren Finanzspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) künstlich am Leben gehalten.
"Weder die Troika noch das Sparprogramm (Memorandum) existieren, so wie wir sie kannten", sagte doppeldeutig der linke griechische Premier Tsipras nach Abschluss des EU-Gipfels am späten Donnerstagabend. Verrücktes Ergebnis: Die Griechen verhandeln in Brüssel mit den gleichen Vertretern der EU, der EZB und des Internationalen Währungsfonds IWF, aus denen die Troika bislang zusammengesetzt war. Nur das Wort Troika darf nicht mehr ausgesprochen werden. Sie sind ab sofort nur Vertreter ihrer Institutionen.
Athen will die übriggebliebenen 30 Prozent des harten Sparprogramms durch andere Maßnahmen ersetzen. Statt weiterer Rentenkürzungen und Steuererhöhungen für den kleinen Mann will Tsipras' neuer Finanzminister Gianis Varoufakis die Steuerhinterziehung bekämpfen und die reichen Griechen zur Kasse bitten. Die harten Sparmaßnahmen, die für große Teile der Bevölkerung Elend gebracht hätten, müssten gestoppt werden. "Wie Sadisten haben sie (die Troika) uns Tropfen für Tropfen das Blut ausgesaugt", sagt Filitsa Sideri, eine entlassene Staatsbedienstete. Fast 90 Prozent der Griechen stimmen laut Umfragen dem Kurs der Regierung Tsipras zu.
Pläne zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sind allerdings nicht neu. Alle Regierungen Griechenlands wollten solche Vorhaben rigoros in die Tat umsetzen und sind bislang kläglich damit gescheitert. Tsipras argumentiert, seine Partei sei nicht verantwortlich für die Vetternwirtschaft, die Konservative und Sozialisten in den vergangenen Jahrzehnten betrieben hätten. Er will den Plan umsetzen.
Varoufakis hat klare Vorstellungen davon, wie es weitergehen soll. Erstmals sind an den Verhandlungen mit den Geldgebern auch Vertreter eines internationalen Finanzberatungsinstituts beteiligt. Die Abgesandten des in Frankreich ansässigen Instituts Lazard sind Experten für Schuldenschnitte, sogenannte Swaps (Umtausch von Anleihen) und andere Tricks, die zur Reduzierung von Schulden führen. Lazard hatte Athen bereits beim Schuldenschnitt für private Gläubiger 2012 beraten. Damals wurden Griechenlands Schulden um mehr als 100 Milliarden Euro reduziert.
Varoufakis' Rettungsplan sieht auch dies vor: Ein Teil der mit Blut und Schweiß ersparten Überschüsse im griechischen Haushalt sollen für Wachstum eingesetzt werden. Nur neue Arbeitsplätze brächten neue Steuern, lautet sein Credo. Bleibt abzuwarten, was die Geldgeber zu all diesen Vorstellungen sagen.
Der Aktienmarkt Griechenlands reagierte mit deutlichen Gewinnen auf die Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Athen und den Geldgebern. Der Leitindex Athex Composite der Athener Börse verbesserte sich Freitagmittag um mehr als sechs Prozent auf knapp 900 Punkte.