- von Ann Saphir und Reinhard Becker
Washington/Berlin (Reuters) - Stabwechsel an der Spitze der US-Notenbank: Am Montag legt der neue Fed-Chef Jerome Powell den Amtseid ab - einen Tag nach seinem 65. Geburtstag.
Der gelernte Jurist übernimmt das Amt von Janet Yellen. Der Ökonomin sind in ihrer vierjährigen Amtszeit gleich zwei heikle Wendemanöver gelungen: Die Ära des Nullzinses wurde beendet, zudem ist der Abbau der in den Krisenjahren durch billionenschwere Konjunkturprogramme aufgeblähten Bilanz eingeleitet. US-Präsident Donald Trump gewährte der in der Fachwelt hoch angesehenen 71-Jährigen dennoch keine zweite Amtszeit, sondern entschied sich für seinen republikanischen Parteifreund Powell. Der langjährige Fed-Direktor gilt Investoren an der Börse als Garant der Stabilität, auch weil er unter Yellens Führung jede große Entscheidung abgenickt hat.
Wie Trump eilt dem neuen Fed-Chef der Ruf voraus, ein Wachstumsapostel zu sein. Die Förderung der Wirtschaftsleistung liege im "höchsten nationalen Interesse", so sein Credo. Der seit gut einem Jahr amtierende US-Präsident hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Wachstum von 2,3 Prozent im vorigen Jahr auf mindestens drei Prozent hochzutreiben. Dabei soll insbesondere die radikale Steuerreform als Beschleuniger dienen. Kritische Stimmen warnen jedoch vor einer Überhitzung der Konjunktur. Der neue Steuermann auf der Fed-Kommandobrücke steht daher vor einer schwierigen Aufgabe: Er muss die Geldpolitik weiter an die Konjunkturlage anpassen, ohne dabei den Aufschwung abzuwürgen oder den Drehzahlmesser des Wirtschaftsmotors in den roten Bereich zu treiben.
"Powell dürfte den eingeschlagenen Weg der graduellen Zinsschritte weitergehen", sagt Ökonom Martin Dresp von der Landesbank LBBW. Wenn die Märkte mit ihren Erwartungen richtig liegen, dürfte es bereits im März soweit sein. Yellen wurde von den Investoren stets zugutegehalten, dass sie die Signale für Weichenstellungen rechtzeitig setzte und so für eine gewisse Berechenbarkeit der US-Geldpolitik sorgte. Experten warten nun mit Spannung darauf, ob dem neuen Fed-Chef dieses Kunststück ebenfalls gelingen wird: "Jerome Powell wird bei der Vorlage des geldpolitischen Berichts vor dem Kongress in diesem Monat erstmals Gelegenheit haben, seine Sichtweise der Chancen und Risiken für eine weiterhin überraschungsfreie Geldpolitik zu erläutern", so Allianz-Experte Thomas Hofmann.
VOM WACHSTUMSLENKER ZUM KRISENMANAGER?
Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer rechnet damit, dass die amerikanische Wirtschaft weiter unter Volldampf wachsen und die Arbeitslosigkeit sinken wird. "Daher rechnen wir für dieses Jahr mit vier Leitzinsanhebungen."
Powell dürfte in den nächsten Jahren aber auch als Krisenmanager gefordert sein, ergänzt Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank in Liechtenstein. Anders als Yellen, unter deren Ägide an der Fed-Spitze die Wirtschaft immer besser in Schwung kam, dürfte ihr Nachfolger irgendwann mit einer konjunkturellen Talfahrt konfrontiert werden. "Auf den Boom folgt die Krise, soviel dürfte klar sein. Der aktuelle Konjunkturzyklus hat zwar das Potenzial noch etwas zu halten, doch er wird in den kommenden Jahren zum Ende kommen", prophezeit Gitzel.