FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Zinsen gedrückt und die Risikobereitschaft der Privatanleger erhöht. Deshalb greifen sie nicht nur bei Aktien, sondern auch bei den Anleihen bekannter Mittelständler zu, die eine attraktive Rendite versprechen. Einige Investoren aber haben dabei den Zusammenhang zwischen hohen Zinsen und hohem Risiko ausgeblendet, sagte Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt, im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.
Frage: 'Warum setzten Unternehmen auf Mittelstandsanleihen?'
Schiereck: 'Dafür gibt es im wesentlichen zwei Gründe. Zum einen spüren Mittelständler bei der Aufnahme neuer Kredite eine gewisse Zurückhaltung bei ihrer Hausbank. Oder die Unternehmen erhalten neue Darlehen nur zu schlechteren Konditionen.
Andererseits kommen die Mittelstandsanleihen dem Wunsch vieler Unternehmen entgegen, sich langfristig zu finanzieren. In der Regel laufen diese Anleihen über fünf bis sieben Jahre. Zudem muss der aufgenommene Betrag erst zum Laufzeitende zurückgezahlt werden. Beim Bankkredit hingegen sind auch partielle Tilgungen während der Laufzeit üblich.
Vor allem im letzten Jahr kam den Mittelständlern auch das für sie günstige Umfeld zupass, das von massiven Liquiditätsspritzen der Zentralbanken geprägt ist. Die Flutung der Märkte mit Geld ließ die Zinsen für Termingeld auf etwa zwei Prozent absinken. Da auch Anleihen von Staaten mit hoher Bonität gefragt waren, rentierte sich eine Investition in diese Papiere ebenfalls kaum.
Vor diesem Hintergrund nutzten einige Mittelständler die Gunst der Stunde und boten Privatanlegern Zinsen von fünf bis sieben Prozent. Unseren Untersuchungen zufolge erfreuten sich vor allem solche Unternehmen großer Beliebtheit, die einen starken, der Allgemeinheit bekannten Markennamen besitzen. Ein Beispiel dafür ist der Süßwaren-Hersteller Katjes. Gefragt waren auch die Anleihen von Firmen, von denen die Öffentlichkeit einen positiven Eindruck hat.
Allerdings haben einige Anleger den Zusammenhang zwischen hohen Zinsen und hohem Risiko ausgeblendet. Dass Mittelstandsanleihen auch komplett ausfallen können, machte den Investoren die Insolvenz des Windkraft-Zulieferers Siag im März bewusst.
Frage: 'Welche Fallstricke müssen Unternehmen bei den Mittelstandsanleihen beachten?'
Schiereck: 'Da unter den Privatanlegern die Nachfrage nach Mittelstandsanleihen groß ist, müssen die Unternehmen eine Infrastruktur vorhalten, um Fragen von Investoren vernünftig beantworten zu können. Oftmals fehlt den Mittelständlern aber eine solche Organisationsstruktur, da sie in der Regel nicht börsennotiert sind und deshalb über keine Abteilung für Finanzkommunikation verfügen. Insofern ist die Bereitstellung von Ressourcen für den Kontakt mit Anlegern ein wichtiger Erfolgsfaktor.'
Frage: 'Wie beurteilen Sie die Perspektiven des Marktes für Mittelstandsanleihen?'
Schiereck: 'Der Markt hat sich inzwischen etabliert. Die Anzahl der Emittenten ist aktuell relativ groß. Zudem sorgen Organisationen wie die Börse Stuttgart mit ihrem Segment für Mittelstandsanleihen, Bondm, für Struktur. Somit dürfte sich der Markt auch weiterhin positiv entwickeln, zumal es nach der Insolvenz von Siag keinen Aufschrei unter den Anlegern gegeben hat.
Auch in Zukunft dürften Inhaber namhafter Marken etwa aus dem Konsumgütersektor Mittelstandsanleihen platzieren. Gute Chancen sehe ich ebenfalls für die Anbieter erneuerbarer Energien, obwohl die Bundesregierung eine weitere Kürzung der Fördermöglichkeiten beschlossen hat. Angesichts dieser neuerlichen Einschränkungen dürften es bekannte Unternehmen leichter haben, am Markt zu bestehen.'
Frage: 'Inwiefern eignen sich Mittelstandsanleihen für Privatanleger?'
Schiereck: 'Mittelstandsanleihen eignen sich durchaus für Privatanleger, allerdings nur als kleiner Teil des gesamten Portfolios. Angesichts der verschiedenen Risiken der Anlage sollten sie aber keinesfalls die alleinige Investitionsquelle darstellen. Die Anleger müssen im schlimmsten Fall einen kompletten Ausfall der Anleihe in Kauf nehmen. Wenn das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten steckt, kann eventuell auch der fortlaufende Handel nicht mehr gewährleistet werden. So ist es möglich, dass die Investoren ihre Mittelstandsanleihe verkaufen möchten, aber keine Gegenpartei finden.'/la/jsl/stk
--- Gespräch: Lutz Alexander, dpa-AFX ---
Frage: 'Warum setzten Unternehmen auf Mittelstandsanleihen?'
Schiereck: 'Dafür gibt es im wesentlichen zwei Gründe. Zum einen spüren Mittelständler bei der Aufnahme neuer Kredite eine gewisse Zurückhaltung bei ihrer Hausbank. Oder die Unternehmen erhalten neue Darlehen nur zu schlechteren Konditionen.
Andererseits kommen die Mittelstandsanleihen dem Wunsch vieler Unternehmen entgegen, sich langfristig zu finanzieren. In der Regel laufen diese Anleihen über fünf bis sieben Jahre. Zudem muss der aufgenommene Betrag erst zum Laufzeitende zurückgezahlt werden. Beim Bankkredit hingegen sind auch partielle Tilgungen während der Laufzeit üblich.
Vor allem im letzten Jahr kam den Mittelständlern auch das für sie günstige Umfeld zupass, das von massiven Liquiditätsspritzen der Zentralbanken geprägt ist. Die Flutung der Märkte mit Geld ließ die Zinsen für Termingeld auf etwa zwei Prozent absinken. Da auch Anleihen von Staaten mit hoher Bonität gefragt waren, rentierte sich eine Investition in diese Papiere ebenfalls kaum.
Vor diesem Hintergrund nutzten einige Mittelständler die Gunst der Stunde und boten Privatanlegern Zinsen von fünf bis sieben Prozent. Unseren Untersuchungen zufolge erfreuten sich vor allem solche Unternehmen großer Beliebtheit, die einen starken, der Allgemeinheit bekannten Markennamen besitzen. Ein Beispiel dafür ist der Süßwaren-Hersteller Katjes. Gefragt waren auch die Anleihen von Firmen, von denen die Öffentlichkeit einen positiven Eindruck hat.
Allerdings haben einige Anleger den Zusammenhang zwischen hohen Zinsen und hohem Risiko ausgeblendet. Dass Mittelstandsanleihen auch komplett ausfallen können, machte den Investoren die Insolvenz des Windkraft-Zulieferers Siag im März bewusst.
Frage: 'Welche Fallstricke müssen Unternehmen bei den Mittelstandsanleihen beachten?'
Schiereck: 'Da unter den Privatanlegern die Nachfrage nach Mittelstandsanleihen groß ist, müssen die Unternehmen eine Infrastruktur vorhalten, um Fragen von Investoren vernünftig beantworten zu können. Oftmals fehlt den Mittelständlern aber eine solche Organisationsstruktur, da sie in der Regel nicht börsennotiert sind und deshalb über keine Abteilung für Finanzkommunikation verfügen. Insofern ist die Bereitstellung von Ressourcen für den Kontakt mit Anlegern ein wichtiger Erfolgsfaktor.'
Frage: 'Wie beurteilen Sie die Perspektiven des Marktes für Mittelstandsanleihen?'
Schiereck: 'Der Markt hat sich inzwischen etabliert. Die Anzahl der Emittenten ist aktuell relativ groß. Zudem sorgen Organisationen wie die Börse Stuttgart mit ihrem Segment für Mittelstandsanleihen, Bondm, für Struktur. Somit dürfte sich der Markt auch weiterhin positiv entwickeln, zumal es nach der Insolvenz von Siag keinen Aufschrei unter den Anlegern gegeben hat.
Auch in Zukunft dürften Inhaber namhafter Marken etwa aus dem Konsumgütersektor Mittelstandsanleihen platzieren. Gute Chancen sehe ich ebenfalls für die Anbieter erneuerbarer Energien, obwohl die Bundesregierung eine weitere Kürzung der Fördermöglichkeiten beschlossen hat. Angesichts dieser neuerlichen Einschränkungen dürften es bekannte Unternehmen leichter haben, am Markt zu bestehen.'
Frage: 'Inwiefern eignen sich Mittelstandsanleihen für Privatanleger?'
Schiereck: 'Mittelstandsanleihen eignen sich durchaus für Privatanleger, allerdings nur als kleiner Teil des gesamten Portfolios. Angesichts der verschiedenen Risiken der Anlage sollten sie aber keinesfalls die alleinige Investitionsquelle darstellen. Die Anleger müssen im schlimmsten Fall einen kompletten Ausfall der Anleihe in Kauf nehmen. Wenn das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten steckt, kann eventuell auch der fortlaufende Handel nicht mehr gewährleistet werden. So ist es möglich, dass die Investoren ihre Mittelstandsanleihe verkaufen möchten, aber keine Gegenpartei finden.'/la/jsl/stk
--- Gespräch: Lutz Alexander, dpa-AFX ---