Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU-Reformvorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel sind bei den EU-Institutionen auf positive Resonanz, in einigen Mitgliedsländern aber auf Vorbehalte gestoßen.
"Wir begrüßen die Ideen von Angela Merkel, die Einigkeit und Handlungsfähigkeit der EU 27 zu stärken, um in einer ungewissen und instabilen Welt zu agieren", sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag. Auch Eurogruppen-Chef Mario Centeno nannte die Vorschläge Merkels, die eine Antwort auf die Reformideen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind, positiv. Kritik kam indes aus Tschechien und von der FDP, während die neue italienische Regierung mehr Unterstützung im Umgang mit Flüchtlingen forderte.
Nach Ansicht der EU-Kommission sind die Aussagen Merkels zur Reform der Euro-Zone eine gute Basis, um auf dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschef Ende des Monats Ergebnisse zu erreichen. Centeno sagte nach einem Auftritt in der SPD-Fraktion in Berlin, dass das Ende des Weges bei den Reformen aber noch nicht erreicht sei. Merkel bekannte sich im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zwar zur Vollendung der Bankenunion, sparte aber konkrete Projekte wie die in Deutschland umstrittene EU-Einlagensicherung aus. SPD-Chefin Andrea Nahles monierte, dass Merkel nichts zu Mindeststandards bei der sozialen Absicherung in den EU-Mitgliedsländern und einer gerechten Besteuerung von Digitalfirmen gesagt habe.
FDP-Chef Christian Lindner nannte Merkels Vorschläge zur Wirtschafts- und Währungsunion "nicht zustimmungsfähig". Aus dem geplanten Europäischen Währungsfonds (EWF) dürfe keine Art "Dispokredit" für Staaten werden, die sich an den Kapitalmärkten nicht oder zu teuer finanzieren könnten. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, forderte klare Bestimmungen, wenn Kredite an EU-Staaten vergeben werden. Dazu gehörten Auflagen wie Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen.
Im französischen Präsidialamt hieß es, dass die Aussagen Merkels ein positiver Schritt seien, die ihre europäischen Zusagen unterstrichen. Ein Mitarbeiter der Regierung sagte aber, dass noch mehr Arbeit für eine ambitionierte Vereinbarung nötig sei.
SALVINI: "ITALIEN WURDE AUFGEGEBEN"
Der neue italienische Innenminister Matteo Salvini sagte auf die Frage nach seiner Meinung zu Merkels Vorschlägen zur EU-Asylpolitik: "Es ist klar und offensichtlich, dass Italien aufgegeben wurde, jetzt müssen wir die Fakten sehen." Später twitterte Salvini, der Chef der rechtsgerichteten Regierungspartei Lega ist: "Entweder Europa hilft uns, unser Land zu sichern, oder wir wählen andere Methoden." In Italien und Griechenland stranden besonders viele Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa zu kommen versuchen.
Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis nannte es langfristig nicht realistisch, dass eine von Merkel vorgeschlagene europäische Grenzpolizei die alleinige Kontrolle der EU-Außengrenzen übernehme. Dies müssten die Mitgliedsländer leisten, sagte Babis, der mit anderen osteuropäischen Staaten eine harte Haltung in der EU-Flüchtlingspolitik einnimmt und dessen Land keine EU-Außengrenze hat.
Merkel hatte in dem "FAS-"Interview unter anderem für einen Umbau des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem EWF plädiert, der über ähnliche Instrumente wie der Internationale Währungsfonds (IWF) verfügt. Dieser EWF solle zwischenstaatlich organisiert sein und die nationalen Parlamente sollten die entsprechenden Rechte haben. Zudem schlug sie einen bereits im Koalitionsvertrag anvisierten "Investiv-Haushalt" für die Euro-Zone im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich und eine europäische Interventionstruppe vor. Bei der Eingreiftruppe sind sich Deutschland und Frankreich aber noch uneins über die Details.