Börsen-Zeitung: Die Nerven liegen blank, Marktkommentar von Dieter
Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Viele Analysten waren bis vor kurzem für die
globalen Aktienmärkte noch recht optimistisch. Fast überall hieß es,
man dürfe mit einer Fortsetzung der Hausse rechnen - wenn auch mit
einem reduzierten Tempo. Allerdings hatten die meisten Experten ihre
Prognose unter zwei Vorbehalte gestellt: dass sich die Krim-Krise
nicht weiter zuspitzt und dass sich in China keine schwerwiegenden
konjunkturellen oder strukturellen Probleme auftun.
Genau das, was alle befürchtet haben, ist nun eingetreten: In der
gerade beendeten Handelswoche sind beide Gefahren Realität geworden,
mit der Folge, dass der Dax am Freitag fast schon auf 8900 Punkte
abrutschte und damit den niedrigsten Stand im laufenden Jahr
markierte. Deutlich ausgeprägte Schwäche zeigten auch die
Aktienmärkte in Asien und in Russland, während der als wichtiges
Angstbarometer geltende Goldpreis auf ein Sechsmonatshoch nur noch
knapp unter der Marke von 1400 Dollar je Feinunze kletterte.
Das Verhältnis der Ukraine und des Westens zu Russland hat sich
vor dem Referendum am Sonntag noch einmal deutlich verschlechtert;
keine Seite ist zu Zugeständnissen bereit. Unterdessen steigt auch
die Gefahr einer militärischen Konfrontation, auch wenn das -
vielleicht mit Ausnahme der ultranationalistischen Fraktion der
Ukraine - niemand will. Inzwischen erscheint es nach neuen Drohungen
aus Moskau sogar nicht mehr ganz unwahrscheinlich, dass sich Russland
die gesamte Ostukraine unter den Nagel reißen könnte.
Enttäuschende Makrodaten
In China wiederum geht nach einer ganzen Serie enttäuschender
Konjunkturdaten die Angst um, dass die Konjunkturentwicklung deutlich
hinter dem zurückbleiben könnte, was an den Märkten bisher erwartet
worden war. Die Regierung hat ihr Ziel inzwischen auf 7,5%
Wirtschaftswachstum gesenkt. Wahrscheinlich wird es zumindest im
ersten Quartal noch schlechter ausfallen: So gehen die Ökonomen von
Barclays von lediglich 7,3% Expansion des Bruttoinlandsprodukts aus.
Zudem liegen die Nerven vieler Investoren blank, weil sich in Chinas
großem Schattenbankensystem Verwerfungen recht deutlich abzeichnen.
Sollte die Eskalation der Krim-Krise weitergehen, sind wohl auch
8800 Punkte beim Dax noch nicht das letzte Wort. Allerdings äußern
die Analysten der Helaba die Hoffnung, dass es nicht so kommen muss:
Der Westen könnte zu Sanktionen greifen, die mehr Symbolcharakter
haben. Womöglich gebe sich der russische Präsident Wladimir Putin mit
dem Ergebnis des Referendums auf der Krim zufrieden, während der
Westen dieses verurteilt, letztlich gehen aber alle Beteiligten schon
bald wieder zur Tagesordnung über.
Aber selbst wenn die Entwicklung nicht so vorteilhaft verläuft,
darf doch erwartet werden, dass die Gegner die Nerven behalten
werden, so dass es weder zu einem Zudrehen des russischen Gashahns
und der Beschlagnahme westlicher Vermögenswerte in Russland noch zu
einem regelrechten Krieg um die Macht in der Ukraine kommt.
Kaufgelegenheiten gesehen
Dass die Verluste des Dax bis zum Freitagnachmittag ein wenig
übertrieben waren, zeigt die Erholung an, die dann einsetzte und den
Dax wieder über die marke von 9000 Punkten trieb, obwohl ein
Krisengespräch der Außenminister Russlands und der USA scheiterte.
Auf dem gedrückten Kursniveau sieht nämlich eine ganze Reihe von
Anlegern schon wieder interessante Kaufgelegenheiten. Wenn sich die
Lage in der Ukraine beruhigt, dann wird wieder die Frage der
Bewertungen am Aktienmarkt in den Mittelpunkt rücken. In diesem Punkt
gilt nach wie vor, dass diese zwar durchaus anspruchsvoll sind, aber
eben noch nicht so weit vom langjährigen Durchschnitt entfernt, als
dass noch deutliche Kursverluste zu befürchten wären. Zudem erwarten
die meisten Ökonomen, dass das globale Wirtschaftswachstum im
laufenden Jahr größer ausfällt als 2013. Das dürfte den Markt
stützen. Und ferner darf man davon ausgehen, dass ein chinesisches
Wirtschaftswachstum von nur rund 7% zumindest teilweise bereits mit
den aktuellen Kursen vorweggenommen ist.
Ein Vorbehalt bleibt
Damit bleibt aber noch ein Vorbehalt übrig: Wenn es jetzt auch
noch zu krisenhaften Verwerfungen im chinesischen
Schattenbankensystem kommt, die die konjunkturellen Perspektiven im
Reich der Mitte negativ beeinflussen, ist die Erwartung einer
Stabilisierung der Aktienmärkte Makulatur.
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