Börsen-Zeitung: Ende des Versteckspiels, Kommentar zum Bankgeheimnis
von Detlef Fechtner
Frankfurt (ots) - Ausgerechnet Europas Agrarministern war es
gestern vorbehalten, einen Beschluss durchzuwinken, der zwar nichts
mit Landwirtschaft zu tun hat, aber der Dringlichkeit wegen einfach
den Ministern vorgelegt wurde, die gerade tagten. Ironischerweise
handelt es sich gerade dabei um eine EU-Regelung, die endlich einmal
das Prädikat "historisch" verdient: die Ausdehnung der
EU-Zinssteuer-Richtlinie.
Für 26 EU-Staaten bedeutet sie keine großen Änderungen, aber für
die beiden anderen - Luxemburg und Österreich - eine kleine
Revolution. Sie verabschieden sich von Quellensteuer und
Bankgeheimnis und stellen auf automatischen Informationsaustausch um.
Sie beenden damit ein langjähriges Versteckspiel. Denn seit den
Neunzigern blockierten Luxemburg und Österreich (und anfangs Belgien)
diesen Schritt, indem sie sich hinter Nachbarstaaten der EU
versteckten: Schaut doch nur in die Schweiz oder nach San Marino -
die machen das doch auch!
Mittlerweile hat sich jedoch vieles verändert. Erstens haben die
USA ihren Druck auf die Schweiz so sehr erhöht, dass Bern nachgeben
musste. Gleichzeitig wurden - von Zumwinkel bis Hoeneß - immer neue
prominente Fälle von Steuerhinterziehung publik, die das Thema in den
Abendnachrichten hielten und Europas Regierungen zwangen, eine
härtere Gangart einzuschlagen. Als vor neun Monaten eine
ungewöhnliche Koalition von Finanzministern aus Deutschland,
Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien - die "G5" -
erklärten, sie seien fest entschlossen, in der EU alle Schlupflöcher
zu schließen, war es nur eine Frage der Zeit, bis Luxemburg und
Österreich einlenken würden. Gestern nun wurde die Erweiterung der
EU-Zinsrichtlinie abgehakt. Und weder die Schweiz noch Luxemburg
haben jetzt faktisch noch eine Chance, die Zusage der Umstellung auf
Informationsaustausch rückgängig zu machen.
Man mag der Ansicht sein, dass die EU ohne Unterstützung aus den
USA oder ohne die Hilfe von Datendieben und CD-Schmugglern nicht so
schnell an diesen Punkt gekommen wäre. Aber man kann auch
argumentieren, dass die Toleranz gegenüber Steuerhinterziehern und
jenen, die ihnen dazu die Möglichkeit bieten, prinzipiell weltweit
gesunken ist. Schließlich werden nächstes Jahr nicht nur EU-Staaten
untereinander Auskünfte weiterreichen, sondern auch Staaten, die
nicht einmal der OECD angehören. "Die Tage des Bankgeheimnisses sind
vorbei", behauptet EU-Kommissar Algirdas Semeta. Es könnte gut sein,
dass er recht behält - und zwar nicht allein für die EU.
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