Börsen-Zeitung: Investieren ohne Defizit, Kommentar zum Bundeshaushalt
von Angela Wefers
Frankfurt (ots) - Es ist schon paradox. Nach mehr als vier
Jahrzehnten schickt sich die Bundesregierung an, erstmals seit 1969
einen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen - und der
Finanzminister muss die schwarze Null verteidigen. Zu wenig
Investitionen, lautet der Vorwurf. Die Opposition ist dazu quasi von
Amts wegen verpflichtet. Aber auch renommierte Ökonomen etwa vom
Internationalen Währungsfonds sehen den Konsolidierungskurs kritisch.
Deutschland solle mehr öffentliches Geld ausgeben, und sei es um den
Preis höherer Defizite.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält dem zu Recht entgegen,
für eine alternde Gesellschaft wie die deutsche gebe es kein anderes
Rezept, als moderat zu konsolidieren, um künftigen Generationen nicht
immer neue Lasten aufzuhalsen. Bei einer schrumpfenden
Erwerbsbevölkerung werden diese zudem auf immer weniger Personen
verteilt. Dass Regierungen nicht unendlich an der Schuldenspirale
drehen können, hat auch die Krise in der Eurozone eindrucksvoll
gezeigt. Der Kapitalmarkt verweigert neues Geld, wenn die Investoren
das Vertrauen in die Solidität verlieren.
Ganz nebenbei: Auch Deutschland ist noch nicht am Ziel. Der Kurs
der Nullneuverschuldung des Bundes ist eine der Voraussetzungen, dass
hierzulande das Schuldenstandkriterium des Maastricht-Vertrages
wieder erfüllt wird. Selbst unter dieser Prämisse wird die Quote noch
2018 mit 65% des Bruttoinlandsprodukts die erlaubte Marke
überschreiten. Für Entwarnung ist es also zu früh.
Um Finanzpolitik unter den neuen Vorgaben zu betreiben, muss sich
ein Wechsel im Denken vollziehen. Der alte Mechanismus funktioniert
nicht mehr: Es genügt nicht, zusätzliches Geld ins Schaufenster zu
stellen und Probleme für gelöst zu erklären. Die Mittel müssen auch
an die richtige Stelle gelangen. Es ist ein Trauerspiel, dass aus dem
Fonds von 6 Mrd. Euro zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit in
Europa praktisch nichts abgeflossen ist, weil die Verwaltung jener
Länder versagt.
Liquide Mittel, die rentierliche Anlage suchen, sind reichlich
vorhanden. Aber die Investoren trauen sich nicht. Deshalb ist es
nötig, hierzulande - und in Europa - bessere Bedingungen für private
Investitionen zu schaffen, statt öffentliche Defizite hochzutreiben.
Im Bundeshaushalt fehlt nicht Geld für Investitionen, weil der Etat
zu knapp wäre, sondern weil die Sozialausgaben viel zu hoch sind.
Dort hat Schwarz-Rot mit Mindestlohn und früherem Rentenbezug aber
schon die Richtung verpatzt.
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