BERLINER MORGENPOST: Die Politik ist Schuld, nicht die Ratings
Berlin (ots) - Man kann die Uhr danach stellen: Wenn amerikanische
Ratingagenturen ihren Job machen, die Kreditwürdigkeit von
Euro-Ländern herunterstufen und damit gegen die politisch korrekte
Schönwetterrhetorik der Rettungseuropäer ('Wir sind auf einem guten
Weg') verstoßen, dann erregen sich die Kritiker und drohen mit
Sanktionen. Das ist auch jetzt wieder so. EU-Wettbewerbskommissar
Barnier will Pläne reaktivieren, die den Ratingagenturen
vorübergehend verbieten sollen, Euro-Krisenländer zu bewerten. Und
der deutsche Krisenphilosoph Wolfgang Schäuble, der die Rolle und die
Steuerungsfähigkeit des Staates seit langem maßlos überschätzt, wirft
Standard & Poor's (S&P) vor, die Wirklichkeit aus den Augen zu
verlieren. Sicherlich: Die Ratingagenturen haben in der Vergangenheit
Fehler gemacht. Es ist auch nicht ihre Aufgabe, den Regierungen in
Europa jetzt neue Milliarden-Konjunkturpakete und der Europäischen
Zentralbank (EZB) eine Geldpolitik nach dem Vorbild der US-Notenbank
zu empfehlen. Aber das ist kein Grund, die Agenturen in
populistischer Manier zum wahrnehmungsgestörten Prügelknaben zu
machen. Nicht die Ratingagenturen sind der Grund für diese Krise,
sondern die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Euro-Länder
und das schlechte Rettungsmanagement der EU-Matadoren. Schäuble
hätte, anstatt die Ratingagenturen mit Ingrimm zu disqualifizieren,
besser fragen sollen, was die Gründe für die berechtigte Herabstufung
von Ländern wie Frankreich, Österreich und Portugal sind. Natürlich
passt es nicht ins Kalkül der daueroptimistischen Retter, dass
Portugals Anleihen nun Ramschniveau haben. Aber wer das hoffnungslos
retardierte Land genauer betrachtet, kann nicht nur sicher sein, dass
das nächste Milliarden-Rettungspaket für Portugal nur noch eine Frage
von Monaten ist, sondern muss dem Urteil der Ratingagentur S&P recht
geben. Ähnliches gilt für Frankreich. Das Land leidet nicht nur an
einem wackeligen Bankensystem, sondern hat auch jahrelang wichtige
Reformen verschlafen, die Neuverschuldung hochgetrieben und dafür
schon bisher an den Märkten deutlich mehr Zinsen zahlen müssen als
Deutschland. Es waren übrigens die Politiker, die die Ratingagenturen
und ihre Bonitätsnoten im Rahmen der Finanzmarktregulierung erst
richtig stark gemacht haben. Jahrelang hat man im Anlagengeschäft auf
die Expertise der Agenturen vertraut. Und jetzt, bei der Bewertung
von Staaten, soll dieses Urteil plötzlich nicht mehr viel wert sein,
nur weil es den Rettern nicht in den Kram passt? Das ist lächerlich.
Man kann die Herabstufung wichtiger Euro-Länder wenden, wie man will,
letztlich gilt: Die Rettung von Euro-Krisenländern wird dadurch
komplizierter - und die Risiken für die deutschen Steuerzahler
steigen weiter. Aber was taugt ein Milliarden-Rettungsschirm noch,
der zwar immer größer wird, aber im Wesentlichen jedoch nur noch von
Deutschland zusammengehalten wird? Es kann einem mulmig werden. Die
Retter müssen endlich neu denken, es darf nicht so weitergehen wie
bisher.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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Ratingagenturen ihren Job machen, die Kreditwürdigkeit von
Euro-Ländern herunterstufen und damit gegen die politisch korrekte
Schönwetterrhetorik der Rettungseuropäer ('Wir sind auf einem guten
Weg') verstoßen, dann erregen sich die Kritiker und drohen mit
Sanktionen. Das ist auch jetzt wieder so. EU-Wettbewerbskommissar
Barnier will Pläne reaktivieren, die den Ratingagenturen
vorübergehend verbieten sollen, Euro-Krisenländer zu bewerten. Und
der deutsche Krisenphilosoph Wolfgang Schäuble, der die Rolle und die
Steuerungsfähigkeit des Staates seit langem maßlos überschätzt, wirft
Standard & Poor's (S&P) vor, die Wirklichkeit aus den Augen zu
verlieren. Sicherlich: Die Ratingagenturen haben in der Vergangenheit
Fehler gemacht. Es ist auch nicht ihre Aufgabe, den Regierungen in
Europa jetzt neue Milliarden-Konjunkturpakete und der Europäischen
Zentralbank (EZB) eine Geldpolitik nach dem Vorbild der US-Notenbank
zu empfehlen. Aber das ist kein Grund, die Agenturen in
populistischer Manier zum wahrnehmungsgestörten Prügelknaben zu
machen. Nicht die Ratingagenturen sind der Grund für diese Krise,
sondern die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Euro-Länder
und das schlechte Rettungsmanagement der EU-Matadoren. Schäuble
hätte, anstatt die Ratingagenturen mit Ingrimm zu disqualifizieren,
besser fragen sollen, was die Gründe für die berechtigte Herabstufung
von Ländern wie Frankreich, Österreich und Portugal sind. Natürlich
passt es nicht ins Kalkül der daueroptimistischen Retter, dass
Portugals Anleihen nun Ramschniveau haben. Aber wer das hoffnungslos
retardierte Land genauer betrachtet, kann nicht nur sicher sein, dass
das nächste Milliarden-Rettungspaket für Portugal nur noch eine Frage
von Monaten ist, sondern muss dem Urteil der Ratingagentur S&P recht
geben. Ähnliches gilt für Frankreich. Das Land leidet nicht nur an
einem wackeligen Bankensystem, sondern hat auch jahrelang wichtige
Reformen verschlafen, die Neuverschuldung hochgetrieben und dafür
schon bisher an den Märkten deutlich mehr Zinsen zahlen müssen als
Deutschland. Es waren übrigens die Politiker, die die Ratingagenturen
und ihre Bonitätsnoten im Rahmen der Finanzmarktregulierung erst
richtig stark gemacht haben. Jahrelang hat man im Anlagengeschäft auf
die Expertise der Agenturen vertraut. Und jetzt, bei der Bewertung
von Staaten, soll dieses Urteil plötzlich nicht mehr viel wert sein,
nur weil es den Rettern nicht in den Kram passt? Das ist lächerlich.
Man kann die Herabstufung wichtiger Euro-Länder wenden, wie man will,
letztlich gilt: Die Rettung von Euro-Krisenländern wird dadurch
komplizierter - und die Risiken für die deutschen Steuerzahler
steigen weiter. Aber was taugt ein Milliarden-Rettungsschirm noch,
der zwar immer größer wird, aber im Wesentlichen jedoch nur noch von
Deutschland zusammengehalten wird? Es kann einem mulmig werden. Die
Retter müssen endlich neu denken, es darf nicht so weitergehen wie
bisher.
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