Börsen-Zeitung: Einen Schritt weiter, Börsenkommentar 'Marktplatz',
von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots) - In mehrfacher Hinsicht zeigen die aktuellen
Entwicklungen an den Finanzmärkten, wie explosiv die von den
Staatsschulden- und Bankenkrisen geschaffene Lage ist. Der Dax ist in
der abgelaufenen Woche in der Tat explodiert. Zunächst von der
Erwartung hochgetrieben, dass durchgreifende Maßnahmen zur
Krisenbekämpfung unmittelbar bevorstünden, folgte ein zweiter
kräftiger Schub nach oben, nachdem die Zentralbanken ihre globale
konzertierte Aktion zur üppigen Versorgung der Banken mit
Dollarliquidität angekündigt hatten. Zuletzt lag der deutsche
Standardwerteindex am Freitag bei 6081 Punkten, womit er in nur einer
Woche um sagenhafte 10,7% zugelegt hatte.
Beeindruckt hat den Markt die von den Notenbanken dreier Zeitzonen
gezeigte Entschlossenheit und Fähigkeit zum gemeinsamen Handeln. Den
Marktteilnehmern flößt dies das Vertrauen ein, dass wie schon in der
Subprime- und Lehman-Krise alles unternommen wird, um das Schlimmste
zu verhindern. Eben darin liegt aber auch die Zweischneidigkeit der
Ereignisse. Dass die Zentralbanken sich veranlasst fühlen, wie
seinerzeit zu handeln, ist eigentlich gar nicht beruhigend. Vielmehr
unterstreicht die Aktion nur, wie brisant die Lage für das
Finanzsystem ist. Wenn die Feuerwehr ausrückt, heißt das, dass die
Hütte brennt. Vor diesem Hintergrund ist es wenig wahrscheinlich,
dass der Dax weiter so rasant zulegen wird wie zuletzt.
Andererseits gibt es Entwicklungen außerhalb Europas, die zeigen,
dass nun auch nicht unbedingt schwarzgesehen werden muss. Während
sich der alte Kontinent auf eine Rezession zubewegt bzw. einige
Länder mittendrin sind, überrascht die Konjunktur in den USA positiv.
Auch die am Freitag bekannt gegebenen Arbeitsmarktzahlen vom November
haben die Erwartungen übertroffen. Das Bild, das die amerikanische
Wirtschaft abliefert, ist zwar nicht unbedingt berauschend. Mit einem
'nur' moderaten Wachstum, wie es zuletzt auch im 'Beige Book'
genannten Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed festgestellt wurde,
sind die Vereinigten Staaten derzeit jedoch alles andere als auf
Rezessionskurs.
Ermutigende Signale kommen auch von den Schwellenländern. Seit
August, als die brasilianische Notenbank von den Märkten völlig
unerwartet ihren Leitzins Selic um 50 Basispunkte auf 12% senkte, ist
in den Emerging Markets eine geldpolitische Kehrtwende, eine Welle
monetärer Lockerungsmaßnahmen zu beobachten, nachdem ihre
Währungshüter zuvor aufgrund der stark anziehenden Inflationsraten
auf die Bremsen getreten haben. In der abgelaufenen Woche hat diese
Bewegung nun einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Denn mit China hat
sich die mit Abstand größter Emerging-Market-Volkswirtschaft der
Bewegung angeschlossen. Nach drei Jahren mit restriktiven Maßnahmen,
wurden nun erstmals die Mindestreserveanforderungen reduziert.
Außerdem hat das Comitê de Política Monetária der brasilianischen
Zentralbank die dritte Leitzinssenkung in Folge auf nunmehr 11%
beschlossen.
Flankiert werden die geldpolitischen Lockerungsschritte mit
weiteren konjunkturstimulierenden Maßnahmen, mit denen ein
Wachstumseinbruch verhindert werden soll. So wurde in China zur
Nachfrageförderung die Armutsgrenze angehoben, so dass nun 100
Millionen Menschen zusätzlich Anspruch auf staatliche
Sozialleistungen erhalten. In Brasilien wurden u.a. Konsumsteuern
gesenkt. Mit Indonesien, dessen Zentralbank ebenfalls mit einer
Leitzinssenkung überraschte, hat sich ein weiteres großes
Schwellenland der Lockerungswelle angeschlossen. Hinzu kam zuletzt
Thailand, dessen Notenbank sich allerdings auch aufgrund der
Flutkatastrophe zum Handeln veranlasst sah. Aus Sicht der Märkte ist
entscheidend, dass nun auch von den Emerging Markets starke stützende
Impulse gesetzt werden. Das Risiko einer sehr starken Abschwächung
des Wachstums in den Schwellenländern wird erheblich reduziert und
letztlich die Basis für eine Wiederbelebung gelegt.
Voraussetzung dafür bleibt aber eine nachhaltig funktionierende
Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise. Gelingt dies nicht,
könnten die Risiken in der Bankenlandschaft, die die konzertierte
Aktion der Notenbanken ausgelöst haben, noch böse Überraschungen
hervorbringen, mit fatalen Folgen für das Finanzsystem und die
Weltwirtschaft. Dann bliebe nur noch als bitteres Fazit: Gestern
standen wird am Rande des Untergangs, heute sind wir einen Schritt
weiter.
(Börsen-Zeitung, 3.12.2011)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Frankfurt (ots) - In mehrfacher Hinsicht zeigen die aktuellen
Entwicklungen an den Finanzmärkten, wie explosiv die von den
Staatsschulden- und Bankenkrisen geschaffene Lage ist. Der Dax ist in
der abgelaufenen Woche in der Tat explodiert. Zunächst von der
Erwartung hochgetrieben, dass durchgreifende Maßnahmen zur
Krisenbekämpfung unmittelbar bevorstünden, folgte ein zweiter
kräftiger Schub nach oben, nachdem die Zentralbanken ihre globale
konzertierte Aktion zur üppigen Versorgung der Banken mit
Dollarliquidität angekündigt hatten. Zuletzt lag der deutsche
Standardwerteindex am Freitag bei 6081 Punkten, womit er in nur einer
Woche um sagenhafte 10,7% zugelegt hatte.
Beeindruckt hat den Markt die von den Notenbanken dreier Zeitzonen
gezeigte Entschlossenheit und Fähigkeit zum gemeinsamen Handeln. Den
Marktteilnehmern flößt dies das Vertrauen ein, dass wie schon in der
Subprime- und Lehman-Krise alles unternommen wird, um das Schlimmste
zu verhindern. Eben darin liegt aber auch die Zweischneidigkeit der
Ereignisse. Dass die Zentralbanken sich veranlasst fühlen, wie
seinerzeit zu handeln, ist eigentlich gar nicht beruhigend. Vielmehr
unterstreicht die Aktion nur, wie brisant die Lage für das
Finanzsystem ist. Wenn die Feuerwehr ausrückt, heißt das, dass die
Hütte brennt. Vor diesem Hintergrund ist es wenig wahrscheinlich,
dass der Dax weiter so rasant zulegen wird wie zuletzt.
Andererseits gibt es Entwicklungen außerhalb Europas, die zeigen,
dass nun auch nicht unbedingt schwarzgesehen werden muss. Während
sich der alte Kontinent auf eine Rezession zubewegt bzw. einige
Länder mittendrin sind, überrascht die Konjunktur in den USA positiv.
Auch die am Freitag bekannt gegebenen Arbeitsmarktzahlen vom November
haben die Erwartungen übertroffen. Das Bild, das die amerikanische
Wirtschaft abliefert, ist zwar nicht unbedingt berauschend. Mit einem
'nur' moderaten Wachstum, wie es zuletzt auch im 'Beige Book'
genannten Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed festgestellt wurde,
sind die Vereinigten Staaten derzeit jedoch alles andere als auf
Rezessionskurs.
Ermutigende Signale kommen auch von den Schwellenländern. Seit
August, als die brasilianische Notenbank von den Märkten völlig
unerwartet ihren Leitzins Selic um 50 Basispunkte auf 12% senkte, ist
in den Emerging Markets eine geldpolitische Kehrtwende, eine Welle
monetärer Lockerungsmaßnahmen zu beobachten, nachdem ihre
Währungshüter zuvor aufgrund der stark anziehenden Inflationsraten
auf die Bremsen getreten haben. In der abgelaufenen Woche hat diese
Bewegung nun einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Denn mit China hat
sich die mit Abstand größter Emerging-Market-Volkswirtschaft der
Bewegung angeschlossen. Nach drei Jahren mit restriktiven Maßnahmen,
wurden nun erstmals die Mindestreserveanforderungen reduziert.
Außerdem hat das Comitê de Política Monetária der brasilianischen
Zentralbank die dritte Leitzinssenkung in Folge auf nunmehr 11%
beschlossen.
Flankiert werden die geldpolitischen Lockerungsschritte mit
weiteren konjunkturstimulierenden Maßnahmen, mit denen ein
Wachstumseinbruch verhindert werden soll. So wurde in China zur
Nachfrageförderung die Armutsgrenze angehoben, so dass nun 100
Millionen Menschen zusätzlich Anspruch auf staatliche
Sozialleistungen erhalten. In Brasilien wurden u.a. Konsumsteuern
gesenkt. Mit Indonesien, dessen Zentralbank ebenfalls mit einer
Leitzinssenkung überraschte, hat sich ein weiteres großes
Schwellenland der Lockerungswelle angeschlossen. Hinzu kam zuletzt
Thailand, dessen Notenbank sich allerdings auch aufgrund der
Flutkatastrophe zum Handeln veranlasst sah. Aus Sicht der Märkte ist
entscheidend, dass nun auch von den Emerging Markets starke stützende
Impulse gesetzt werden. Das Risiko einer sehr starken Abschwächung
des Wachstums in den Schwellenländern wird erheblich reduziert und
letztlich die Basis für eine Wiederbelebung gelegt.
Voraussetzung dafür bleibt aber eine nachhaltig funktionierende
Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise. Gelingt dies nicht,
könnten die Risiken in der Bankenlandschaft, die die konzertierte
Aktion der Notenbanken ausgelöst haben, noch böse Überraschungen
hervorbringen, mit fatalen Folgen für das Finanzsystem und die
Weltwirtschaft. Dann bliebe nur noch als bitteres Fazit: Gestern
standen wird am Rande des Untergangs, heute sind wir einen Schritt
weiter.
(Börsen-Zeitung, 3.12.2011)
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