Börsen-Zeitung: Party schon vorüber, Börsenkommentar 'Marktplatz', von
Dieter Kuckelkorn.
Frankfurt (ots) - Alles wird gut: Griechenland ist gerettet, die
europäischen Banken auch. Italien hat eine Rentenreform fest
versprochen und stärkeren Sparwillen entwickelt. Wie es scheint, ist
also der gordische Knoten zerschlagen und eine mehr oder weniger
große Lösung für die Schuldenkrise gefunden. Die Märkte haben daher
auch am Donnerstag beinahe schon euphorisch reagiert, wenn man die
Kurssprünge bei vielen europäischen Großbanken als Maßstab nimmt.
Die Party ist jedoch nur von kurzer Dauer gewesen. Bereits am
Freitag hat so etwas wie Ernüchterung eingesetzt. Die Rally am
Aktienmarkt hat sich nicht fortgesetzt, der Dax hat zum
Wochenausklang nur minimal zugelegt. Vielen Marktteilnehmern wird es
allmählich klar, dass es noch enorme Implementierungsrisiken
hinsichtlich der Umschuldung Griechenlands, der Hebelung des
Rettungsschirms European Financial Stability Facility (EFSF) und der
Rekapitalisierung der Banken gibt und dass die durch die viel zu hohe
Verschuldung diverser europäischer Staaten verursachte Krise als
Ganzes noch lange nicht vorüber ist.
Was die Umschuldung Griechenlands betrifft, so sind viele Ökonomen
der Meinung, dass die verbleibende Belastung des Landes immer noch zu
hoch ist, als dass von einer dauerhaften Lösung gesprochen werden
könnte. Bezeichnenderweise hatte sich die EU zunächst für einen
Schnitt um 60% statt der erreichten 50% starkgemacht. Nun dürften die
Schulden nur auf rund 120% des griechischen Bruttoinlandsprodukts
(BIP) zurückgehen. Viele Ökonomen halten aber erst ein Niveau von
ungefähr 90% des BIP für erträglich, auch wenn mittlerweile ein
großer Teil der griechischen Anleihen bei europäischen und
internationalen Institutionen wie Europäischer Zentralbank (EZB) und
Internationalem Währungsfonds (IWF) liegt und im Prinzip durch
langfristige, niedrig verzinste Kredite ersetzt worden ist. Daher
dürfte die Entlastung des schwer angeschlagenen südeuropäischen
Landes bestenfalls zwei bis drei Jahre reichen. Bis dahin muss
Griechenland wirtschaftlich wieder auf eigenen Füßen stehen. Ob das
angesichts des aktuellen Reformtempos und der gravierenden
Auswirkungen der Sparprogramme auf die Konjunktur gelingt, steht in
den Sternen.
Fragezeichen gibt es auch hinsichtlich der Hebelung der EFSF und
der Öffnung des Rettungsschirms mittels eines Special Purpose Vehicle
für Investoren von außen. Noch ist keineswegs klar, welche Investoren
in Frage kommen sollen. Norwegen hat bereits abgewinkt, und auch in
China dürfte sich die Begeisterung in engen Grenzen halten. Die
Analysten von Bank of America Merrill Lynch schätzen, dass die durch
die EFSF erreichte Versicherungsquote 35 bis 40% beträgt. Ob das für
eine Stabilisierung der Lage ausreicht, ist noch völlig offen. Es
wird unter anderem davon abhängen, ob das Vertrauen der Märkte in die
anderen Krisenstaaten wie Portugal und vor allem Italien nicht noch
weiter erodiert.
Danach sah es am Freitag jedoch aus. Bei einer Bondmarktauktion
hat das italienische Schatzamt den Investoren teilweise
Rekordrenditen bieten müssen, obwohl die EZB dem Vernehmen nach
bereits vor der Auktion kräftig italienische Bonds gekauft hat. Die
Anleger sind also skeptisch, ob die angeschlagene Regierung
Berlusconi die Anhebung des Renteneintrittsalters sowie umfangreiche
Sparmaßnahmen durchsetzen kann. Konkrete Schritte hat Rom bisher
nämlich immer noch nicht in die Wege geleitet.
Und nach wie vor ist auch noch nicht ganz klar, ob aus der (nicht
ganz) freiwilligen Umschuldung Griechenlands nicht doch ein
Kreditereignis resultiert, verbunden mit einer Auslösung der Credit
Default Swaps (CDS). Der Branchenverband International Swaps and
Derivatives Association (ISDA) hält das zwar für unwahrscheinlich,
die Analysten der Citigroup hingegen für möglich, wenngleich sie
darauf hinweisen, dass das damit verbundene Risiko im Rahmen der
bestehenden Institutionen durchaus zu bewältigen sein dürfte.
Immerhin hat Europa mit den Beschlüssen den Druck von Griechenland
genommen und dadurch wertvolle Zeit gewonnen. In der Folge dürfte die
Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer wieder mehr auf anderen Aspekten
ruhen wie beispielsweise dem konjunkturellen Umfeld. Aber auch hier
ist längst nicht alles eitel Sonnenschein. Zwar ist die Gefahr einer
Rezession in den USA wohl abgewendet. Zuletzt sahen insbesondere die
deutschen Frühindikatoren aber nicht besonders rosig aus. Rückenwind
für die Märkte ist von Seiten der Konjunktur daher nicht zu erwarten.
Für Aktien und auch für den Euro bedeutet dies, dass es trotz der
Griechenland-Einigung nur kurzfristig Auftrieb geben wird.
(Börsen-Zeitung, 29.10.2011)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Dieter Kuckelkorn.
Frankfurt (ots) - Alles wird gut: Griechenland ist gerettet, die
europäischen Banken auch. Italien hat eine Rentenreform fest
versprochen und stärkeren Sparwillen entwickelt. Wie es scheint, ist
also der gordische Knoten zerschlagen und eine mehr oder weniger
große Lösung für die Schuldenkrise gefunden. Die Märkte haben daher
auch am Donnerstag beinahe schon euphorisch reagiert, wenn man die
Kurssprünge bei vielen europäischen Großbanken als Maßstab nimmt.
Die Party ist jedoch nur von kurzer Dauer gewesen. Bereits am
Freitag hat so etwas wie Ernüchterung eingesetzt. Die Rally am
Aktienmarkt hat sich nicht fortgesetzt, der Dax hat zum
Wochenausklang nur minimal zugelegt. Vielen Marktteilnehmern wird es
allmählich klar, dass es noch enorme Implementierungsrisiken
hinsichtlich der Umschuldung Griechenlands, der Hebelung des
Rettungsschirms European Financial Stability Facility (EFSF) und der
Rekapitalisierung der Banken gibt und dass die durch die viel zu hohe
Verschuldung diverser europäischer Staaten verursachte Krise als
Ganzes noch lange nicht vorüber ist.
Was die Umschuldung Griechenlands betrifft, so sind viele Ökonomen
der Meinung, dass die verbleibende Belastung des Landes immer noch zu
hoch ist, als dass von einer dauerhaften Lösung gesprochen werden
könnte. Bezeichnenderweise hatte sich die EU zunächst für einen
Schnitt um 60% statt der erreichten 50% starkgemacht. Nun dürften die
Schulden nur auf rund 120% des griechischen Bruttoinlandsprodukts
(BIP) zurückgehen. Viele Ökonomen halten aber erst ein Niveau von
ungefähr 90% des BIP für erträglich, auch wenn mittlerweile ein
großer Teil der griechischen Anleihen bei europäischen und
internationalen Institutionen wie Europäischer Zentralbank (EZB) und
Internationalem Währungsfonds (IWF) liegt und im Prinzip durch
langfristige, niedrig verzinste Kredite ersetzt worden ist. Daher
dürfte die Entlastung des schwer angeschlagenen südeuropäischen
Landes bestenfalls zwei bis drei Jahre reichen. Bis dahin muss
Griechenland wirtschaftlich wieder auf eigenen Füßen stehen. Ob das
angesichts des aktuellen Reformtempos und der gravierenden
Auswirkungen der Sparprogramme auf die Konjunktur gelingt, steht in
den Sternen.
Fragezeichen gibt es auch hinsichtlich der Hebelung der EFSF und
der Öffnung des Rettungsschirms mittels eines Special Purpose Vehicle
für Investoren von außen. Noch ist keineswegs klar, welche Investoren
in Frage kommen sollen. Norwegen hat bereits abgewinkt, und auch in
China dürfte sich die Begeisterung in engen Grenzen halten. Die
Analysten von Bank of America Merrill Lynch schätzen, dass die durch
die EFSF erreichte Versicherungsquote 35 bis 40% beträgt. Ob das für
eine Stabilisierung der Lage ausreicht, ist noch völlig offen. Es
wird unter anderem davon abhängen, ob das Vertrauen der Märkte in die
anderen Krisenstaaten wie Portugal und vor allem Italien nicht noch
weiter erodiert.
Danach sah es am Freitag jedoch aus. Bei einer Bondmarktauktion
hat das italienische Schatzamt den Investoren teilweise
Rekordrenditen bieten müssen, obwohl die EZB dem Vernehmen nach
bereits vor der Auktion kräftig italienische Bonds gekauft hat. Die
Anleger sind also skeptisch, ob die angeschlagene Regierung
Berlusconi die Anhebung des Renteneintrittsalters sowie umfangreiche
Sparmaßnahmen durchsetzen kann. Konkrete Schritte hat Rom bisher
nämlich immer noch nicht in die Wege geleitet.
Und nach wie vor ist auch noch nicht ganz klar, ob aus der (nicht
ganz) freiwilligen Umschuldung Griechenlands nicht doch ein
Kreditereignis resultiert, verbunden mit einer Auslösung der Credit
Default Swaps (CDS). Der Branchenverband International Swaps and
Derivatives Association (ISDA) hält das zwar für unwahrscheinlich,
die Analysten der Citigroup hingegen für möglich, wenngleich sie
darauf hinweisen, dass das damit verbundene Risiko im Rahmen der
bestehenden Institutionen durchaus zu bewältigen sein dürfte.
Immerhin hat Europa mit den Beschlüssen den Druck von Griechenland
genommen und dadurch wertvolle Zeit gewonnen. In der Folge dürfte die
Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer wieder mehr auf anderen Aspekten
ruhen wie beispielsweise dem konjunkturellen Umfeld. Aber auch hier
ist längst nicht alles eitel Sonnenschein. Zwar ist die Gefahr einer
Rezession in den USA wohl abgewendet. Zuletzt sahen insbesondere die
deutschen Frühindikatoren aber nicht besonders rosig aus. Rückenwind
für die Märkte ist von Seiten der Konjunktur daher nicht zu erwarten.
Für Aktien und auch für den Euro bedeutet dies, dass es trotz der
Griechenland-Einigung nur kurzfristig Auftrieb geben wird.
(Börsen-Zeitung, 29.10.2011)
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